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Fackeln gegen Moschee

Einleitung

Der geplante Bau einer Moschee hat in Pankow-Heinersdorf, einem abgelegenen Stadtteil im Nordosten Berlins, eine regelrechte Volksbewegung in Bewegung gesetzt. In zwei Jahren will die muslimische Ahmadiyya-Gemeinde mit dem Projekt fertig sein. Die Moschee wäre das erste muslimische Gotteshaus im Ostteil Berlins. Seit Bekanntwerden der Pläne schaukelt sich ein rassistisch gefärbter Konflikt in Heinersdorf hoch, der besonders von der »Interessengemeinschaft Pankow-Heinersdorfer Bürger« (ipahb) angeheizt wird. Über 5.000 der etwa 6.500 Heinersdorfer haben mit ihrer Unterschrift gegen die geplante Moschee protestiert.

Am 14. September 2006 zogen zum dritten Mal über 1.000 Menschen, darunter auch 100 Neonazis, gegen die Moschee durch Pankow. Weil sich die veranstaltende Bürgerinitiative ipahb im Vorfeld von »Extremisten« distanziert hatte, sortierten bereits am Antrittsplatz Polizisten der Abteilung »Politisch motivierte Straßengewalt« (PMS) etwa 30 Neonazis aus und zwangen sie, sich hinter der Demonstration einzureihen. Sie bildeten dort schließlich einen Block: Mit dabei Ex-BASO-Chef René Bethage, Pankows NPD-Vorsitzender Jörg Hähnel, der JN-Kader Markus Loszczynski und einige bekannte Neonazis aus Pankow und dem Südosten der Stadt. Mitglieder der extrem rechten Republikaner mischten sich hingegen problemlos unters »normale Volk«. Als weitere Partei traten auch »Die Grauen« als Unterstützer auf. Auch NPD-Chef Udo Voigt und der Berliner NPD-Landesvorsitzende Eckart Bräuniger waren dabei, nach der Polizei-Aktion verließen sie den Aufmarsch aber. Schließlich nahm die Polizei acht Neonazis wegen Volksverhetzung fest, weil auf deren Transparent »Heute gehört uns Kreuzberg, und morgen die ganze Welt« stand.

Die Moscheegegner möchten ihre Demonstrationen vorwiegend als Protest gegen eine linke Bezirksregierung verstanden wissen, die mehrheitlich hinter dem Moscheebau steht und immer wieder klarmachte, dass die Ahmadiyya als legale Glaubensgemeinschaft ebenso ein Gotteshaus bauen darf wie katholische und evangelische Gemeinden. Ihren »Widerstand« gegen die Moschee scheint die ipahb auch als Kulturkampf verstehen zu wollen: Die Demonstration am 14. September 2006 endete nicht, wie geplant, am Pankower Rathaus, sondern vor der Kirche Alt-Pankow. Bezirksbürgermeister Burkhard Kleinert (Linke.PDS) hatte das Rathaus mit 60 Nationalfahnen und dem Spruch »Das ist Pankow« verhüllen lassen.

Die für Alt-Pankow zuständige Pfarrerin, Ruth Misselwitz, dürfte allerdings wenig Gefallen an den auf der Abschlusskundgebung vor ihrer Kirche gehaltenen kulturkämpferischen Hetzreden gefunden haben. Der ipahb-Vorsitzende Joachim Swietlik wandte sich in seiner Demo-Rede gegen eine »Religionsfreiheit«, die es Gemeinden »ermöglicht, dort zu bauen, wo es ihnen beliebt«. Auch nach den Wahlen werde der »Widerstand«, so Swietlik, weitergehen und demnächst wolle man mit Fackeln aufmarschieren.

Fragt man in Heinersdorfer Läden nach den Gründen der Ablehnung der Bevölkerung, ist meist »hier gibt es doch keine Muslime«, »das sind doch Fundamentalisten«, »die Moschee zerstört den gesellschaftlichen Frieden« oder sie passe »nicht ins Bild« zu hören. Auch von sinkenden Grundstückspreisen und Parkplatznot ist die Rede. Weiterhin wird mit Vorstellungen von Anschlägen und zu erwartenden Kämpfen verfeindeter muslimischer Gruppen Angst geschürt. Die Ahmadiyya-Gemeinde schätzen Islamexperten zwar als streng korantreu, aber friedfertig und nicht-islamistisch ein. Von anderen islamischen Glaubensgemeinschaften wird sie teilweise  angefeindet, weil sie sich als Reformbewegung innerhalb des Islam versteht. In einigen islamischen Staaten werden ihre Anhänger verfolgt. Anwohner und Politiker in Reinickendorf, wo die Ahmadiyya bisher ihre Moschee unterhält, berichten von einer unproblematischen Gemeinde, die sich gut in die Nachbarschaft integriert habe.

Rassismus der Mitte

Die rassistisch geprägte Protestbewegung gegen die Moschee in Heinersdorf ist kein Produkt der extremen Rechten, sondern kommt aus der gesellschaftlichen Mitte. Zwar hatte die NPD in Pankow extra eine Kampagne »Nein zur Moschee« gestartet, dennoch sind die Neonazis in Heinersdorf nur Zaungäste. Stichwortgeber ist die Bürgerinitiative ipahb. Sie bündelt in Heinersdorf nahezu alle mehr oder minder prominenten Akteure des gesellschaftlichen (Dorf-)Lebens: den Pfarrer, die Heinersdorfer Grundschuldirektorin Marina Vogel, die lokale CDU, Ärzte, Rechtsanwälte und zahlreiche Gewerbetreibende. Augenscheinlich bemüht sich die ipahb um Abgrenzung zu »Rechts- und Linksextremismus« und sieht sich als »parteiunabhängig«. Lokale antifaschistische Gruppen verweisen jedoch auf große ideologische Schnittmengen zwischen ipahb und Neonazis.

Enorme Schützenhilfe erhalten die Pankower Moscheegegner von der lokalen CDU und ihrem Chef Rene Stadtkewitz: Bereits ein halbes Jahr vor Bekanntwerden der Moscheepläne in der Öffentlichkeit beschloss der CDU-Kreisverband auf einer Delegiertenkonferenz, die Moschee zum Wahlkampfthema zu machen. Auch die ipahb-Gründung im April 2006 ist im Wesentlichen auf Aktivitäten von Pankower CDU-Funktionären zurückzuführen.

Der Pankower Kreisverband zählt seit Jahren zum rechten Flügel der Berliner CDU. Wenige Tage vor den Wahlen machte Stadtkewitz angesichts eines Interviews, das er der rechten Wochenzeitung »Junge Freiheit« gab, Schlagzeilen. Darin kritisierte er, dass sich die »Politik« angeblich »zu weit vom Volk« entfernt habe, weiterhin sei man seit 1968 auf dem »linken Auge blind«. Wenige Tage nach dem Interview empfahlen die Republikaner Stadtkewitz den Eintritt in ihre Partei. Zuvor hatte es in seiner Partei verhaltene Kritik am JF-Interview gegeben, CDU-Spitzenkandidat Friedbert Pflüger nannte das Interview einen Fehler. Doch die Verbindungen der Pankower CDU ins extrem rechte Lager sind weitaus umfangreicher: Bereits im April war bekannt geworden, dass der Pankower CDU-Schatzmeister Bernhard Lasinski bei einem NPD-Aufmarsch gegen die Moschee mitgelaufen war. Dem Ausschluss aus der CDU kam er durch den Austritt zuvor. Allerdings erklärte Lasinski später, doch »nur gemacht zu haben«, was die »Partei von ihm wollte«.

Bei einer Sitzung des Lokalparlaments erklärte der Pankower CDU-Funktionär Ulrich Eichler auf die Frage eines Journalisten, auch eine Synagoge hätte in Heinersdorf keinen Platz und würde ebenso auf den Widerstand seines Kreisverbandes stoßen. Bei einer außerordentlichen BVV-Sitzung am 21. August 2006 schließlich nannte der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Dieter Michehl eine dunkelhäutige Frau auf einem Antirassismusplakat »Neger«. Michehls gewagte Theorie zum Plakat: Heinersdorfer könnten behandelt werden, wie »Sklaven«, die man früher »verkauft hat«. Pankows CDU würde dies zu verhindern wissen. Der Protest gegen die Moschee hat jede politische Mobilisierung im Stadtteil Pankow seit 1990 in den Schatten gestellt. Seit nunmehr einem halben Jahr schweißt diese Frage fast den gesamten Stadtteil zusammen.

Während die »Volkspartei« CDU im Ostteil der Stadt bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus bei etwa elf Prozent und noch hinter den Grünen landete, wurde sie in Heinersdorf mit über 40 Prozent für ihr Engagement gegen die Moschee ordentlich belohnt. Auch Neonaziparteien sahnten in Heinersdorf ab: In mehreren Wahllokalen erreichten NPD und Republikaner zusammen über 15 Prozent. Nur durch den hohen Stimmenanteil der Republikaner in Heinersdorf gelang der Partei mit 3,1 Prozent der Einzug in die Pankower Bezirksverordnetenversammlung.

Mehr Informationen gibt es unter: www.heinersdorf.tk