Nicht sanktionsfähig. Die Ausgrenzung des »Black Block« scheitert
Die NPD führt das »Volksfront-Bündnis« mit den freien Kameradschaften zwar an, verfügt jedoch nicht über die Stärke, um ihr nicht genehme Kräfte aus der Bewegung zu drängen. Die Partei versuchte den »NS Black Block« auszugrenzen, scheiterte jedoch an der Kritik aus der Kameradschaftsszene und musste sich schließlich vom eigenen Beschluss distanzieren.
Die »Black Block«-Diskussion fand zwischen August und September 2007 statt. Obwohl sie schon etwas zurückliegt, verdient sie eine rückblickende Betrachtung. An ihr lässt sich ablesen, wie fragil das »Volksfront«Bündnis zwischen NPD und Kameradschaften ist, wenn es zu Belastungsproben kommt. Die NPD ist die Kraft, die die »Volksfront« steuert – ihr Einfluss reicht jedoch offenbar nicht aus, um Richtungsvorgaben zu machen oder Sanktionen gegen ihr nicht passende Strömungen auszusprechen.
Als die NPD im September 2007 in Hannover ihren Landesparteitag für Niedersachsen abhielt, wurde genau beobachtet, wer mit wem beim Pausenplausch zusammenstand. Besonders Parteichef Udo Voigt erntete Aufmerksamkeit, als er sich beim freundschaftlichen Austausch mit Vertretern des »Black Block« fotografieren ließ. Schon während der Reden legten NPD-Funktionäre Wert darauf, den »Black Block« gesondert hervorgehoben auf der Parteiveranstaltung willkommen zu heißen. In rechten Internetforen kursierten später Fotos, die den NPD-Generalsekretär Peter Marx mit einem »Black Block«-Button am Jackett zeigten. Diese NPD-Nettigkeiten gegenüber dem »Black Block« waren eine 180-Grad-Wendung der Partei. Nur wenige Wochen zuvor hatte das NPD-Präsidium noch eine Erklärung veröffentlicht, in der es den »Black Block« scharf angriff und zu seiner Ausgrenzung aufrief.
Stein des Anstoßes
Am 15. August 2007 erschien eine Erklärung des NPD-Parteipräsidiums mit dem Titel »Unsere Fahnen sind schwarz – unsere Blöcke nicht«. Auslöser waren die handfesten Auseinandersetzungen zwischen NPDlern und »Black Block«-Aktiven, die es am Rande einer NPD-Demonstration am 7. Juli 2007 in Frankfurt/Main gegeben hatte. Tenor des Schreibens: Bei Aktionen »des nationalen Widerstandes« würden zunehmend »Schwarze Blöcke« auftreten, die »Optik, Sprache (Anglizismen), Parolen und Inhalte des Gegners kopieren.« Solche »anarchistischen Erscheinungsformen« wirkten »beängstigend und damit abstoßend« auf Außenstehende. Die NPD wolle hingegen zeigen, dass »wir die Mitte des Volkes, das wahre Deutschland« repräsentieren. Wer nicht bereit sei, durch sein »Aussehen und Verhalten eine neue Ordnung zu vertreten, die deutsche Werte einfordert« sei künftig bei Veranstaltungen der NPD nicht mehr willkommen: »auch auf die Gefahr künftig geringerer Teilnehmerzahlen hin« sei die Partei nicht bereit sich »diesem politischen Zeitgeistphänomen anzupassen«.
Empörte Reaktionen
Auf die NPD-Erklärung folgte ein Sturm der Entrüstung aus den Reihen der freien Kameradschaften. Die »Freien Nationalisten Neuss« fürchteten um die gute Zusammenarbeit zwischen parteifreien Kräften und der NPD. Wenn es nicht bald Widerspruch aus NPD-Kreis- und Landesverbänden gegen die Ausgrenzungserklärung gäbe, sollten »solidarisch gesonnene Parteimitglieder« aus der NPD austreten. Zudem sei der Block eine optische Bereicherung für die Bewegung, die für Jugendliche äußerst attraktiv sei. Gleichzeitig distanzieren sich die »Freien Nationalisten Neuss« von Anglizismen, der Verwendung von abgewandelten Logos der »Antifaschistischen Aktion« und von »Palituch-Trägern«. Auch das »Aktionsbüro Norddeutschland« übernahm wenig später die Pro»Black-Block«-Stellungnahme aus Neuss beinahe im Wortlaut.
Der »parteifreie« Neonazi Sven Skoda beschwerte sich in einer persönlichen Stellungnahme: Die NPD sei eine systemtreue Partei, die einen zu »bürgerlichen Kurs« fahre und in der man es schwer habe, wenn man sich öffentlich traue, »den Nationalsozialismus als etwas Positives zu begreifen«. »Taktik, Auftreten und konkrete Aktionen des ›schwarzen Blocks‹« hält Skoda zwar für diskussionswürdig, er lobt aber die ehrliche Motivation und den Einsatzwillen aus diesem Spektrum. Das »Aktionsbüro Mittelhessen« verwies darauf, dass die NPD auf die Kameradschaften wegen ihrer Mobilisierungsstärke nicht verzichten könne: »Ihr wollt dann ›eben alleine demonstrieren‹? Dann tut es doch!« Der NPD stünde es nicht zu, Forderungen zu stellen und Ausgrenzungsbeschlüsse abzufassen.
Das neonazistische »Autorenkollektiv MP5« wetterte, dass die NPD »mit ihrem Ausgrenzungsbeschluss vom 15. August unzweifelhaft die Machtfrage im rechten Lager (stellt). Sie versucht von nun an nicht mehr nur interne Kritiker unter Kontrolle zu bringen, sondern einen politischen Gegner entweder offen zu zerstören oder in die Defensive durch offene Isolation zu drängen«.
Der Rückzieher
Am 10. September 2007 erschien ein neuerliches Schreiben der NPD, das zwar die Kernaussagen der Ursprungserklärung aufrecht zu erhalten versuchte, aber vor allem die Wogen glätten sollte. Man strebe natürlich eine »enge Zusammenarbeit mit dem überwiegenden Teil des freien nationalen Widerstandes an«, man wolle »keine Kleidervorschrift bei Demos« erlassen, man stehe zum »Volksfront-Gedanken« und habe auch Verständnis dafür, dass manche ihre Anonymität bei Aktionen mit Sonnenbrille und Mütze schützen wollen.
Beim Parteitag in Hannover am 17. September 2007 folgte schließlich das endgültige Rückrudern der NPD. Süffisant beschrieb der parteifreie Hamburger Neonazi Christian Worch, wie NPD-Chef Udo Voigt die Verantwortung für die »Mißhelligkeiten« zwischen Partei und »Black Block« den Medien zuschreiben wollte. Von Distanzierungsbemühungen war nichts mehr zu spüren.
Weiterhin Konfliktpotential
Die NPD steckt also weiterhin im Dilemma, alle möglichen Zielgruppen ansprechen zu wollen – Bürgerliche, Ältere, die Jungen und die sich revolutionär gebenden neonazistischen Subkulturen. In einem Interview in der Herbstausgabe des JN-Magazins »Hier und Jetzt« gibt Udo Voigt sich unversöhnlich: Der Kampf um »die Köpfe der breiten Masse des Volkes« sei »durch das Tragen schwarzer Kleidung in Verbindung mit Vermummungen« nicht zu führen. Jürgen Gansel, NPD-Landtagsabgeordneter in Sachsen, legte in der Januar-Ausgabe der NPD-Parteizeitung »Deutsche Stimme« noch einmal nach. Er unterstellte, dass »›Autonome Nationalisten‹ mit ihrem antifaschistischen Krawall-Habitus« schädlich für die »Position des nationalen Antikapitalismus« seien.
Trotz solcher neuerlichen Provokationen steht dennoch fest: Der NPD-Vorstoß zur Ausgrenzung des »Black Block« ist gescheitert, die offene Konfrontation mit den freien Kameradschaften auf Eis gelegt.
Angst um den Zusammenhalt
Die NPD versuchte erfolglos, sich von einer Fraktion der freien Kameradschaften loszusagen, da diese mit ihrer offenen Militanz den Bemühungen der Partei, von ihrem Krawall-Image loszukommen, im Wege steht. Die Debatte war aber auch ein Testballon, um zu überprüfen, ob die Parteispitze die Zügel in der von ihr initiierten Volksfront fest genug im Griff hat, um Sanktionen gegen parteifreie Kräfte auszusprechen. Das ist gescheitert und hat der Partei Schaden zugefügt. Die Kritik erforderte einen peinlichen Rückzieher, zum Preis eines Glaubwürdigkeits-Verlusts. Interessant ist, dass die DVU als drittes Glied der »Volksfront« gänzlich drum herumkam, sich zur Sache zu äußern.
Es zeigt sich aber auch, wie stark die Solidarisierungseffekte bei den freien Kameradschaften sein können: Die NPD griff mit ihrer Erklärung lediglich den »Black Block«, also einen kleinen Teil der Kameradschaften, an. Die empörten Reaktionen kamen jedoch aus der gesamten Kameradschaftsszene. In der schriftlich geführten Debatte gab es dennoch keine einzige Stellungnahme von Neonazis, die sich offensiv zum »Black Block« bekannten. Die Verteidigungsbeiträge wurden fast ausnahmslos von Kameradschaftsaktiven verfasst, die selbst Vorbehalte gegen den »Black Block« haben.