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Rechte Akteure in deutschen Sicherheitsbehörden

Erstveröffentlicht von Simone Rafael bei Belltower. Ergänzt und redigiert vom AIB.
Einleitung

Studien über Rassismus in Polizei und Justiz werden von Innenbehörden in der Regel nicht selbst initiiert und es werden keine Statistiken über extrem rechte Vorfälle geführt. In die Öffentlichkeit gelangen diese nur, wenn Bürger*innen oder Medien davon berichten oder sie im Zuge von Gerichtsverfahren ans Licht kommen. Die Kriminalpolizei führt zwar Lagebilder über politisch motivierte Straftaten, diese sind aber nicht nach Berufsgruppen aufgeschlüsselt. Die Bundesregierung kann nur wenige Angaben für die eigenen Behörden machen. So wurden bei der Bundespolizei seit 2016 acht Disziplinarverfahren wegen „Rechtsextremismus-Verdacht“ eingeleitet. Drei Verfahren laufen noch, fünf endeten mit einer Entlassung aus dem Dienst. Wie der Militärische Abschirmdienst (MAD) mitteilte, gerieten 270 Soldaten und Angehörige der Bundeswehr im Jahr 2018 unter „Rechtsextremismus-­Verdacht“. In vier Fällen wurden hier disziplinar- und personalrechtliche Verfahren eingeleitet. Beim Bundeskriminalamt gibt es demnach keine Verfahren. Beim Zoll läuft derzeit noch ein Verfahren aus 2017.

Bild: Screenshot twitter jgstadtmitte

Ein Polizeiwagen mit "Werbung" für die rechte Zeitschrift "Compact".

Eine – sicherlich unvollständige – Auflistung von pressebekannten Vorfällen in den letzten Jahren (Stand März 2019):

März 2019, Sachsen:

Nach Recherchen der „Die Zeit“ möchte der sächsische AfD-Landtagsabgeordnete Carsten Hütter mit seinem neuen Verein Exfeisa (Extremismusfreies Sachsen) gegen „jede Form von Extremismus“ vorgehen als „Pendant“ zur „sehr große(n) Vereinslandschaft gegen rechts“. Sichtbar ist bisher nur ein Vereinsprojekt: die Schülerzeitung „Jugend spricht“ aus Weißwasser in der Lausitz. Kontaktmann für die Schüler der Zeitung ist Sebastian Wippel, AfD-Landtagsabgeordneter und Schatzmeister des Vereins. Neben seinem politischen Amt arbeitet Wippel in Teilzeit als Oberkommissar bei der Polizei. Die nötigen sieben Personen für die Vereinsgründung habe man „im eigenen Umfeld“ gefunden. Darunter Achim Exner, der in der Anfangszeit von PEGIDA im Organisationsteam aktiv war oder Felix Menzel, Redakteur des neurechten Magazins „Blaue Narzisse“.

Februar 2019, Nürnberg, Bayern:

Ein Fackelmarsch von Neonazis von einer Flüchtlingsunterkunft zum ehemaligen NS-Reichsparteitagsgelände wird von zwei Zivilbeamten beobachtet, ein Einschreiten sei aber „taktisch nicht zielführend“ gewesen.

Januar 2019, Schlüchtern, Hessen:

Am 27. Januar werden an der Polizeistation die Flaggen der BRD und des Landes auf dem Kopf stehend gehisst. Dies wird z.T. in „Reichsbürger“-Kreisen praktiziert. Wegen Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole sowie Volksverhetzung ermittelt der Staatsschutz erst, als festgestellt wird, dass es sich bei diesem Datum um den internationalen Gedenktag der Opfer des Holocausts handelte. Die an diesem Tag eingesetzten Beamten wurden an andere Dienststellen versetzt.

Januar 2019, Vogelbergkreis, Hessen:

Im Zuge von Ermittlungen wegen Drohbriefen gegen die Anwältin Seda Başay-Yıldız und eine danach entdeckte extrem rechte Polizist*innen-Chatgruppe kommt es bei zwei hessischen Polizisten zu Hausdurchsuchungen. Bei einem 44–Jährigen finden die Beamten Waffen und Munition und ein „museal eingerichtetes Zimmer mit diversen NS-Devotionalien“, darunter historische SS-Uniformen. Einem zweiten 35-jährigen Polizisten wird vorgeworfen, dem 44-Jährigen Nachrichten mit „mutmaßlich volksverhetzenden Inhalten“ aufs Handy geschickt zu haben. Sie sollen der „Reichsbürger“-Szene nahestehen.

Januar 2019, Frankfurt, Hessen:

Die Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız erhält ein zweites Drohschreiben, wieder unterzeichnet mit „NSU 2.0“, wieder mit rassistischen Beschimpfungen und persönlichen Daten, diesmal auch von ihrem Vater, ihrer Mutter und ihrem Mann.

Januar 2019, Halle, Sachsen-Anhalt:

Im Strafverfahren gegen Neonazis vor dem Landgericht Halle wird bekannt, dass es Ermittlungen gegen einen weiteren hessischen Polizeibeamten wegen Verbindungen zu den Beschuldigten gibt, diese traten als Gruppe „Aryans“ (Arier) auf. Die angeklagte Frau hatte zuvor einen hessischen Polizeibeamten um eine Datenabfrage über ihren Freund und Mitangeklagten gebeten und diese Daten auch bekommen. Gegen den Beamten wird wegen Geheimnisverrats ermittelt. Gegen die „Aryans“ wird wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelt.

Dezember 2018, Hessen:

Im Zuge von Ermittlungen wegen Drohbriefen gegen die Anwältin Seda Başay-Yıldız wird eine extrem rechte Chat-Gruppe der Frankfurter Polizei entdeckt: In der Gruppe „Itiot“ wurden mindestens 50 Nazi­parolen, Hitlerbilder, rechte Karikaturen, menschenverachtende Darstellungen von Geflüchteten und Behinderten und entsprechende Videos ausgetauscht. Sieben Beamte und eine Zivilangestellte des 1. Frankfurter Polizeireviers stehen unter Verdacht, Teilnehmende der Gruppe zu sein, und sind vom Dienst suspendiert.

Dezember 2018, Frankfurt, Hessen:

Die Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız erhält ein Droh-Fax, dass mit „NSU 2.0“ unterschrieben ist und unter anderem unter Angaben von nicht-öffentlichen persönlichen Daten androht, ihre zweijährige Tochter zu ermorden. Als sie den Fall anzeigt, führt die Spur der Ermittlungen zu einem Computer im Polizeipräsidium Frankfurt, über den ohne Grund die persönlichen Daten der Anwältin abgefragt wurden, die die anonymen Briefschreiber offenbar kannten. Zugang zum Computer hatten fünf Beamt*innen, deren Büros und Handys daraufhin durchsucht werden. Der Innenminister von Hessen möchte im Dezember 2018 nicht von einem Netzwerk sprechen, und auch nicht darüber, dass es interne Ermittlungen offenbar seit einem halben Jahr gibt.

Dezember 2018, Berlin:

Ende 2017 bekamen 42 Menschen, die der linken Berliner Szene zugeschrieben wurden, anonyme Drohbriefe: Ihre persönlichen Daten – teilweise aus polizeilichen Ermittlungen gegen die linke Szene stammend, mit Fotos aus Ermittlungen und Beständen des Landeseinwohneramtes – sollten an rechte Strukturen weitergegeben werden. Absender der Briefe: Das „Zentrum für politische Korrektheit“, wohl in Anlehnung an das oft gegen die extreme Rechte aktive „Zentrum für politische Schönheit“. Ermittlungen ergaben Ende 2018: Absender war der Berliner Polizeibeamte Sebastian K. Er erhielt einen Strafbefehl wegen Verstoßes gegen das Berliner Datenschutzgesetz und musste 3.500 Euro zahlen, gilt damit weiterhin als nicht vorbestraft.

November 2018:

Die „tageszeitung“ (taz) berichtet über ein Netzwerk von Soldaten und Rechten rund um den KSK-Soldaten André Schmitt (Pseudonym „Hannibal“), in dem sich Mitglieder der Spezialeinheiten der Bundeswehr und Polizeikräfte vernetzt haben, um u.a. auch Mord- und Putschpläne für den „Krisenfall“ in Deutschland zu verabreden. „Hannibal“ – und andere Chat-Mitglieder – sind auch im sogenannten Uniter-Netzwerk aktiv. Uniter ist ein Verein mit rund 1.000 Mitgliedern, der formell ein Unterstützungsverband für KSK-Kämpfer ist, aber inzwischen etwa auch Beamte aus SEK-Einheiten der Polizei aufnimmt. André Schmitt hat ihn mitgegründet. Der Verein soll bei Treffen zur Vorbereitung auf „Tag X“ geholfen haben, bei denen es u.a. zu „Übungsschießen“ kam.

November 2018, Leipzig, Sachsen:

Ein Polizeischüler aus Köln bricht seine Ausbildung bei der Polizei Sachsen ab und beschuldigt seine Mitschüler der Polizeifachschule Leipzig, in einer internen Chatgruppe rassistische Sprüche zu posten. Er kann den Rassismus, der an der Polizeischule als „normal“ gilt, und zwar bei Azubis wie bei Ausbildern, nicht mehr ertragen und macht öffentlich: „Zum Beispiel hat nach der Silvesternacht in Köln 2016 ein Mitschüler in unsere WhatsApp Gruppe des Jahrgangs geschrieben: ‘Wir sind aus Cottbus, Und nicht aus Ghana, Wir hassen alle Afrikaner.’"

August 2018, Dresden, Sachsen:

Der Dresdener Justizvollzugsbeamte Daniel Zabel fotografiert den Haftbefehl gegen einen mutmaßlichen Täter, der den Chemnitzer Daniel H. getötet haben soll – und leitet ihn an rechte Netzwerke weiter, wo er zur Mobilisierung einer rechter Großdemonstrationen in Chemnitz dient. Er wird vom Dienst suspendiert und es laufen Ermittlungen wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen. Zabel soll mittlerweile in die AfD eingetreten sein und in Dresden als AfD-Wahlkandidat antreten.

August 2018, Trier, Rheinland-Pfalz:

In Rheinland-Pfalz wird ein Polizeibeamter entlassen, der sich mit dem „Reichsbürgerspektrum“ identifiziert. So habe er seinen Vorgesetzten als „Polizeivorstand und Bandenführer“ bezeichnet und das Verwaltungsgericht als „Schiedsgericht“ abgelehnt.

August 2018, Dresden, Sachsen:

Der „Hutbürger“ Maik G. wird zu einer viralen Berühmtheit, als er auf dem Weg zu einer PEGIDA-Demonstration in Dresden einen Journalisten daran hindern will, ihn zu filmen – auch er arbeitet(e) bei der Polizei, er ist Mitarbeiter des LKA Sachsen. Er bleibt im Staatsdienst, aber nicht bei der Polizei.

Juli 2018, Berlin:

Ein Anti-Terror-Ermittler der Berliner Polizei steht im Verdacht, mit seinem Dienstvorgesetzten im Szene-Jargon von Rechten und Neonazis kommuniziert zu haben. Laut einem polizeiinternen Vermerk, der dem ARD-Magazin Kontraste, der Berliner Morgenpost und dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) vorliegt, forderte der LKA-Beamte Michael W. in einer SMS an seinen Vorgesetzten, sich von „Merkel & Co und ihren scheiß Gut-Menschen“ fernzuhalten. In einer weiteren SMS nutzte er als Abschiedsgruß die Ziffernkombination „88“. Im Jargon von Neonazis ein Code für „Heil Hitler“. Beide Staatsschützer arbeiteten für das Kommissariat, das für die Überwachung des Breitscheidplatz-Attentäters Anis Amri zuständig war. Der Oberkommissar erhält einen Verweis.

Juni 2018, Berlin:

Im Untersuchungsausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus zum Fall Anis Amri und der Aufklärung des Anschlags auf dem Breitscheidplatz entsteht nach der Vernehmung eines LKA Beamten der Eindruck, dass ein Observationsteam für Anis Amri zugunsten der Überwachung der linken Szenekneipe „Kadterschmiede“ in der Rigaer Straße im Sommer 2016 abgezogen wurde. Amri sei ab 15. Juni 2016 nicht mehr beobachtet worden, weil die Rigaer Straße 94 dann Priorität gehabt habe. Dort war die Kadterschmiede am 22. Juni 2016 geräumt worden, was rechtswidrig war, wie später gerichtlich festgestellt wurde. Ex-Innensenator, Frank Henkel (CDU), wollte mit dem Vorgehen ein klares Zeichen setzen – drei Monate vor der Abgeordnetenhauswahl.

Sommer 2018, Heilbronn, Baden-Württemberg:

Justizbeamte schleusen gegen Bezahlung Handys und Drogen in das Gefängnis in Heilbronn. Im Zuge der Polizei-Ermittlungen fallen weitere Staatsbedienstete auf. Auf den Handys der Vollzugsbeamten finden sich in einer WhatsApp-Chatgruppe Hitler-Bilder, Hakenkreuze und Witze über den Mord an Juden in deutschen Konzentrationslagern. Die Justizbeamten waren nicht die einzigen, die diese Propaganda verbreiteten. In der Chatgruppe tauschten sich über ein Jahr lang mehrere Mitarbeitende des Heilbronner Gefängnisses aus.

August 2018, Aachen, NRW:

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt die Entfernung von Polizeihauptkommissar Wolfgang Palm aus dem Dienst: Dieser war Chef des Aachener Kreisverbands und Vizevorsitzende des Landesverbands der rechten „Bürgerbewegung pro Nordrhein-Westfalen“ (PRO NRW). Seine aktive Mitgliedschaft in der Partei begründe den Verdacht eines Verstoßes gegen die ihm obliegende politische Treuepflicht, denn die Zielrichtung der Partei sei mit dem Grundrecht auf Achtung der Menschenwürde unvereinbar. Im Mai 2012 wurde der Beamte suspendiert. Das Urteil des VG Düsseldorf im Hauptsacheverfahren wurde vom OVG Münster 2017 sowie vom BVerwG 2018 bestätigt.

März 2018, Thüringen:

Der Thüringer Polizeibeamte Torsten Czuppon (zeitweilig stellvertretende Sprecher des AfD-Kreisverbandes Kyffhäuserkreis-Sömmerda-Weimarer Land) trägt bei einem Lehrgang ein T-Shirt der bei Rechten beliebten Marke “Thor Steinar”. Der Lehrgang hatte bereits 2017 stattgefunden, das Motiv “Save the white Continent” fiel jedoch erst auf, als ein Foto der Veranstaltung in der Zeitschrift “Polizei in Thüringen” landete. Bereits Anfang Dezember 2017 fiel er beim Bundesparteitag der AfD in Hannover auf, weil er dort als Delegierter ebenfalls ein „Thor Steinar“ T-Shirt trug.

November 2017, Berlin:

Das Bundesverwaltungsgericht entschied: Der frühere Berliner Polizist Andreas T. wird aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Der Mann trägt u.a. die Noten des Horst-Wessel-Liedes als Tätowierung, zeigte den Hitlergruß und bewahrte in seiner Wohnung Nazi-Devotionalien auf. Er soll sich zeitweilig in den Kreisen der Berliner Hammerskins bewegt haben. (Vgl. AIB Nr. 117)

September 2017, Wurzen, Sachsen:

Ein Mitarbeiter des Spezialeinsatzkommandos (SEK) in Sachsen hatte bei einer Demonstration gegen Rassismus an seiner Uniform gut sichtbar einen Aufnäher befestigt, auf dem einer der zwei Raben Odins abgebildet ist. Das Symbol stammt aus der nordischen Mythologie und wird auch von der rechten Szene genutzt. Generell ist es Beamten untersagt, private Abzeichen oder Symbole an der Uniform zu befestigen oder zu tragen.

August 2017, Mecklenburg-Vorpommern:

Es kommt zu Razzien in mehreren Wohn-, Arbeits-, und Geschäftsräumen in Mecklenburg-Vorpommern wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren Gewalttat. Ein Netzwerk namens „Nordkreuz“ soll vor allem unter der Leitung von zwei Männern geplant haben, im von ihnen erwarteten „Krisenfall“, Personen aus dem linken politischen Spektrum gefangen zu nehmen und umzubringen – was sie in Chats ausführlich besprachen. Hauptverdächtig sind ein Rechtsanwalt, ehemaliger Kommunalpolitiker und Sportschütze, Jan Hendrik Hammer, sowie ein Polizist, der LKA-Beamte Marco G., der in der Polizeiinspektion Ludwigslust arbeitet.

Oktober 2016: Georgensgmünd, Mittelfranken:

Im Oktober 2016 erschießt der „Reichsbürger“ Wolfgang Plan einen Polizeibeamten. Während der Ermittlungen offenbaren sich Kontakte zu zwei Polizisten, die in privater Verbindung zum Schützen standen und ihn vor der Razzia, bei der seine Waffen konfisziert werden sollten, gewarnt haben sollen. Ein Oberkommissar aus Fürth soll Dienstrechner angezapft und Informationen über den „Reichsbürger“ und die Ermittlungen gesammelt haben.

Mai 2016, Leipzig, Sachsen:

Im Mai 2016 wird bekannt, dass mindestens der Leipziger Polizist Fernando V. in intensivem Kontakt zur extrem rechten Szene steht. Der Mann soll sich über WhatsApp mit einem, vermutlich befreundeten, Neonazi ausgetauscht haben – auch über geheime Einsatzpläne. Außerdem sympathisiert er mit der rechten Gruppierung LEGIDA. Der Bereitschaftspolizist Fernando V. wurde daraufhin an die Polizeifachschule Leipzig als Fachlehrer versetzt. Ein zweiter Beamter steht zur selben Zeit wegen rechter Kommentare auf Facebook in der Kritik, ein dritter wegen Sympathiebekundungen zur Dresdner PEGIDA.

März 2016, Mecklenburg-Vorpommern:

Das zeitweilige AfD-Kreisvorstandsmitglied Ulf-Theodor C. wurde in Schwerin wegen gefährlicher Körperverletzung zu 7.700 Euro Geldstrafe verurteilt. Er hatte im Mai 2014 zwei junge Männer bei einem AfD-Stand in der Schweriner Innenstadt mit Reizgas besprüht, die als Zeichen des spontanen Protests gegen die AfD Konfetti geworfen hatten. Ulf C. soll laut Medienberichten schon zwei Tage vor der Pfefferspray-Aktion zwei Demonstranten von der Grünen Jugend ein Protest-Plakat weggerissen haben. Vertreten wurde Ulf C. durch den in der rechten Szene "beliebten" Anwalt Thomas Penneke aus Rostock. Ulf C. war zur Tatzeit in Mecklenburg als leitender Beamter in der Landespolizei tätig. Möglicherweise wollte Ulf C. mit einem direkt daran anschließenden Nachkauf eines Pfefferspray in einem nahegelegenem Tiergeschäft sogar vertuschen, dass er gegen die Konfetti-Werfer ein Reizgas aus Polizeibeständen benutzt hatte. Das konnte vom Gericht aber nicht abschließend aufgeklärt werden. Nach dem Reizgas-Angriff wurde Ulf C. vom Polizeipräsidium Rostock an eine polizeinahe Fachhochschule in Güstrow versetzt. Dort wurde er zeitweilig als Dozent für „Einsatzlehre“ in der Polizeiausbildung geführt. Der Kriminaldirektor Ulf C. war immerhin laut Medienberichten auch an den Vorbereitungen für den G8-Gipfel 2007 beteiligt gewesen.

Januar 2016, Leipzig, Sachsen:

Bei einer Polizeikontrolle eines Fahrzeugs vermeintlicher linker Aktivist*innen ziehen die Beamten zur Gefahrenabwehr u.a. Pfefferspray und Funkgeräte ein. Ein Foto von den vor Ort aufgereihten Gegenständen sowie ein Foto eines Computerbildschirms, der den polizeilichen Vorgangsbericht zeigt, wurde später vom Twitter Account der NPD Leipzig sowie dem Leipziger PEGIDA-Ableger LEGIDA veröffentlicht. Die Staatsanwaltschaft Leipzig führte daraufhin ein Ermittlungsverfahren gegen zwei Polizeibeamte wegen des Vorwurfs des „Verletzens von Dienstgeheimnissen“. Das Foto des Vorgangs wurde offenbar von einem Dienstcomputer abfotografiert und enthielt auch Namen und Geburtsdaten einiger kontrollierter Personen. Trotz der Bemühungen der Staatsanwaltschaft, Durchsuchungsbeschlüsse gegen die beiden Beamten zu erlangen, lehnte das Gericht derlei Maßnahmen ab, sodass das Ver­fahren im September 2017 wegen mangelnden Tatverdachts eingestellt wurde.

Oktober 2015, Brandenburg:

Der Brandenburger Polizist Norman Wollenzien (zeitweilig stellvertretender Vorsitzenden des AfD-Kreisverbandes Havelland) läuft beim Brandenburger PEGIDA-Ableger BRAMM mit Rechten und Neonazis mit, auf seinem selbstgemalten Plakat steht: „Antirassismus, weltoffen, bunt, Vielfalt sind Kennwörter für weißen Genozid“ und „Europa den Europäern“. Auf seinem Auto waren Aufkleber von der „Identitären Bewegung“ und von der „Euro­päischen Aktion“ befestigt. (Vgl. AIB 109)

September 2015, Uckermark, Brandenburg:

Die internen Untersuchungen zu „rechtsextremen Tendenzen bei der brandenburgischen Polizei“ haben Konsequenzen für die Karrieren leitender Beamter. Der Chef der Polizeiinspektion Uckermark darf seine Dienstzeit nicht verlängern und muss in den Ruhestand gehen. Zwei weitere Spitzenbeamte sind vorübergehend in andere Bereiche versetzt worden. Zwangsbeurlaubt wurde eine 37-jährige Polizistin mit engen Verstrickungen in die Neonazi-Szene.

November 2015, Radebeul, Sachsen:

Die frühere PEGIDA-Aktivistin Kathrin Oertel hat im November 2015 in Radebeul mit ihrem Ex-Mann Frank O. vor einer Flüchtlingsunterkunft gegen den Einzug von Flüchtlingen protestiert. Dieser arbeitet beim Landeskriminalamt Sachsen in der Spezialabteilung für „extremistischen Islamismus“. (Vgl. AIB Nr. 109)

November 2015, Gotha, Thüringen:

Die „Antifaschistische Gruppe Südthüringen“ (AGST) veröffentlichte Ende November 2015 das Foto eines eingesetzten Bereitschaftspolizisten bei einer Neonazidemonstration am 28. November 2015 in Gotha, zu der das „Bündnis Zukunft Landkreis Gotha“ aufgerufen hatte. Auf dessen Schlagstock waren die Reste eines regional bekannten rassistischen Aufklebers mit den Worten: „Bitte flüchten Sie weiter! Hier gibt es nichts zu wohnen! Refugees not welcome!“ zu erkennen. Dieser Aufkleber kommt den Recherchen der Antifa-Gruppe nach aus dem Sortiment von „Druck 18“, einem vom Neonazi-Funktionär Tommy Frenck betriebenen Onlineversand.

Februar 2015, Dresden, Sachsen:

PEGIDA-Gründer Lutz Bachmann veröffentlicht 2015 auf Facebook mehrere Screenshots, die Dokumente zu aktuellen Ermittlungsfällen in Dresden zeigen. Bachmann behauptet, er erhalte regelmäßig Akten der Polizei.

September 2015, Potsdam, Brandenburg:

Das Bundesverwaltungsgericht weist die Klage eines brandenburgischen LKA-Beam­ten ab. Am 18. November 2006 hatten Zivilbeamte den Kriminalkommissar als Teilnehmer eines Neonaziaufmarsches in Seelow erkannt, später wurde auch seine Teilnahme am „Heldengedenken“ in Halbe 2005 sowie bei ähnlichen Veranstaltungen bekannt. 2007 endete das Disziplinarverfahren mit einem „Verweis“. Zur Begründung hieß es: Die Teilnahme an den Veranstaltungen sei in besonderem Maße geeignet, die Achtung und das Vertrauen in einer für das Ansehen des Berufsbeamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Denn damit entstehe der Eindruck, Polizeibeamte suchten eine Nähe zur rechtsextremen Szene oder sympathisierten mit ihr. Hiergegen klagte der Beamte in erster Instanz vor dem VG Potsdam 2011 mit Erfolg, in zweiter vor dem OVG Brandenburg und dritter Instanz vor dem BVerwG 2015 erfolglos. (vgl. AIB Nr. 75 und Nr. 109)

Mai 2014, Fürth, Bayern:

Die bayerische Bereitschaftspolizei hat ein internes Ermittlungsverfahren gegen eine Gruppe von Polizisten eingeleitet, nachdem beim Relegationsspiel zwischen Fürth und dem HSV auf einer Polizeikiste Aufkleber mit extrem rechten Botschaften entdeckt worden waren. Zu lesen ist etwa der Spruch „Anti-Antifa organisieren. Den Feind erkennen. Den Feind benennen“. Ins Visier der internen Ermittler ist eine Gruppe der Würzburger Bereitschaftspolizei geraten, dem Vernehmen nach handelt es sich um bis zu zehn Polizisten. Schließlich bekennt sich ein 25- jähriger Beamter des USK dazu, die Aufkleber geklebt zu haben. Konsequenz: Er wird nicht mehr in Einsatzeinheiten etwa bei Fußballspielen oder Demonstrationen eingesetzt.