Rechtsweg nicht ausgeschlossen
Szene-Anwälte in Mecklenburg-Vorpommern
Als selbst ernannter »Anwalt der kleinen Leute« hatte sich der 1949 in Baden-Baden geborene Michael Andrejewski im Frühjahr diesen Jahres viel vorgenommen. Während der seit 2003 in Anklam lebende Jurist vor allem als Kommunalpolitiker, Hartz-IV-Berater und innenpolitischer Sprecher der NPD in Mecklenburg-Vorpommern von sich Reden machte, wagte er sich im Januar 2010 auf die Bühne des Rostocker Landgerichtes, um dort den NPD-Funktionär Michael Grewe im »Pölchow-Prozess« anwaltlich zu vertreten (AIB 86).
Gemeinsam mit dem Rostocker Rechtsanwalt Sven Rathjens und einem weiteren Anwalt aus Wismar bildete er zunächst die Verteidigung der drei Angeklagten. Rathjens, u.a. »Alter Herr« der rechts einzuordnenden Burschenschaft Redaria Allemannia in Rostock, betreibt seit 1996 die Anwaltskanzlei »Rathjens & Kollegen« mit Büroräumen in Schwerin, Wismar und Rostock, in der insgesamt fünf RechtsanwältInnen und Burschenschaftsbrüder beschäftigt sind.
Während Rathjens bei der Verteidigung des Neonazis Dennis F. nichts unversucht ließ und sogar von einem Szeneaustritt seines Mandanten schwadronierte, zeigte sich Andrejewski, ein Propagandist der rassistischen Pogrome in Rostock-Lichtenhagen 1992, sichtlich ungeübt. 1 So verwunderte es nicht, dass er am dritten Prozesstag Unterstützung durch den nicht ganz unbekannten Thomas Penneke erhielt.
Szeneanwalt mit Aktivistenvergangenheit
Der 34-jährige Anwalt und Doktorand an der Universität Rostock und Greifswald ist einer der Kollegen der »Rostocker-Anwälte«. Auch Penneke ist u.a. Bundesbruder der zum Dachverband der Deutschen Burschenschaft zugehörigen Redaria Allemannia. Der ehemalige Neuruppiner war in den 1990er Jahren in der örtlichen Neonaziszene aktiv und als einer der führenden Kader bekannt. Er engagierte sich gemeinsam mit Frank Schwerdt, heutiger Bundesgeschäftsführer der NPD, in dem NPD-nahen Verein »Jugendhilfe e.V.«, der sich für einen Neonazitreffpunkt in Neuruppin einsetzte. Penneke half mit bei örtlichen Verteilaktionen, hielt in der Öffentlichkeit neonazistische Reden und trat 1999 mehrfach als Ordner bei NPD-Demonstrationen auf.
Zu Beginn seines Studiums in Rostock 2000 wurde es zunächst ruhig um ihn. Bis auf einen geschichtsrevisionistischen Vortrag »Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg«, den er als Jurastudent 2003 in seiner Burschenschaft darbot, hielt Penneke weitgehend aus der Öffentlichkeit fern. Mit dem Erlangen seiner Approbation trat er als Fachanwalt für Strafrecht, Familienrecht, Verkehrsrecht und bei Ordnungswidrigkeiten in Neonazikreisen wieder in Erscheinung. Seither vertritt der in der Hansestadt lebende Anwalt das Who-is-Who der Neonaziszene aus Mecklenburg-Vorpommern. 2008 etwa setzte er sich für den Rostocker Neonazi Martin Krause (AIB 83) ein, der wegen Beleidigung eines Passanten vor dem ehemaligen Neonazi-Laden, zuletzt bekannt unter dem Namen »Dickkoepp«, verurteilt wurde.
Bei einer Vielzahl seiner MandantInnen handelt es sich sowohl um Mitglieder der neonazistischen Subkultur und der NPD als auch um Vertreter völkisch-neonazistischer Organisationen. So vertrat Penneke den Aktivisten der mittlerweile verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) Friedrich T. aus Satow bei Rostock. Seine MandantInnen stammen aus dem gesamten Bundesland. Den der Durchführung einer illegalen Demonstration für den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß im Jahre 2008 angeklagten örtlichen NPD-Kreisvorsitzenden Marco Zimmermann etwa verteidigte Penneke 2009 in Neustrelitz. Das Gerichtsurteil ist bisher nicht rechtskräftig.
Vor Gericht versucht Penneke politisch neutral aufzutreten, indem er vorgibt, auch Linke und MigrantInnen zu verteidigen. Tatsächlich findet der Anwalt der Neonazis neben seiner Klientel aus der Szene auch ein weiteres wichtiges Betätigungsfeld: Für die seit 2009 bestehende »Biker-Kanzlei« von Sven Rathjens tritt er unterstützend als Rechtsanwalt von Mitgliedern des regionalen Hells Angels-Charter und der Supporter-Clubs auf.
Das Vorgehen der »Rostocker-Anwälte«
Im »Pölchow-Prozess« im Frühjahr 2010 wurde eine Scharnierfunktion des stellvertretenden NPD-Landesvorsitzenden David Petereit zwischen der Kanzlei und der Neonazi-Szene offensichtlich. So arrangierte der am Verfahren unbeteiligte Petereit ein Treffen zwischen Neonazi-Zeugen und dem Verteidiger Sven Rathjens. Des weiteren gewährte der Multifunktionär den vorgeladenen Rechten vorab Einblick in Teile der Ermittlungsakten.
In dem Prozess im Herbst/Winter 2010/2011 gegen fünf Neonazis, die bei der Auflösung eines illegalen Neonazi-Konzertes in Rostock-Gehlsdorf 2008 festgenommen worden waren, warf die Staatsanwaltschaft den Verteidigern der Neonazis eine Verschleppungstaktik vor. Mit Befangenheitsanträgen gegen die Kammer und den Richter dehnten Penneke & Co. den Prozess über Monate aus. Sie erhoben Vorwürfe von Willkür und einem unfairen Verfahren gegen das Gericht und versuchten mit einer Flut von Beweisanträgen Nebenschauplätze zu eröffnen. Außer, dass Penneke und seine drei Kollegen aus der Anwaltskanzlei die Kosten ihrer MandantInnen auf diese Weise nach oben trieben, änderte es jedoch nichts an dem Prozessausgang. So wurde ihr langjähriger Mandant, der Liedermacher Martin Krause, bisher nicht rechtskräftig, zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt.
Fazit
Das juristische Engagement des NPD-Politikers Michael Andrejewski beschränkt sich hauptsächlich auf verwaltungsrechtliche Tätigkeiten. So tritt er als Rechtsanwalt auf Grund seiner Nichtzulassung zur Landrats- bzw. Bürgermeisterwahl in seinem Wahlkreis in Erscheinung, jedoch seltener als Strafverteidiger seiner KameradInnen. Im Gegensatz dazu verschafft Thomas Pennekes Ruf als Verteidiger ihm einen regen Zulauf aus der Neonaziszene. Während er in den 1990er Jahren offen als Neonazikader regional in Erscheinung trat, engagiert er sich derzeit in den Gerichtssälen als Rechtsanwalt von Neonazis, insbesondere aus Mecklenburg-Vorpommern. Von eigenem politischen Engagement in der Öffentlichkeit scheint sich Thomas Penneke somit verabschiedet zu haben, um dafür nun das neonazistische Auftreten seiner Klientel abzusichern.
- 1Andrejewski war Unterzeichner eines Flugblatts der Aktion »Rostock bleibt deutsch«, das vor den Pogromen in Rostock verteilt wurde.