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Singen und Marschieren für Horst Wessel.

Einleitung

Eine »private Geburtstagsfeier« am 70. Todestag von dem SA-Mann Horst Wessel Ende Januar entpuppte sich als Nazi-Konzert mit 800 Zuhörerinnen in dem Dorf Klein Gladebrügge bei Bad Segeberg. Dort trat auch erstmals die relativ neue Blood & Honour Division Nordmark in Zusammenarbeit mit dem Hamburger Sturm offensiv an die Öffentlichkeit. Ursprünglich sollte das Konzert in Wesel in der Nordheide stattfinden. Nachdem Antifas vor Ort für den notwendigen öffentlichen Druck sorgten, wurden das Konzert und sämtliche Ersatzveranstaltungen in Niedersachsen verboten. Doch in Schleswig-Holstein ist die Landesregierung offensichtlich auf Schmusekurs mit Blood & Honour und dem Hamburger Sturm: Obwohl die Anmeldung für Bad Segeberg den Behörden wochenlang vorher bekannt war, beschränkten sich Polizeibeamte dort auf Fahrzeugkontrollen. 

Torben Klebe (mitte mit Sonnenbrille) gilt als ein Hintermann des "Hamburger Sturm".

Dass der Hamburger Sturm, Zeitung und Nachfolgestruktur der 1995 verbotenen Nationalen Liste, mehr Ambitionen hat, als nur ein Neonazi-Fanzine zu sein, zeigte sich in den letzten Monaten in Norddeutschland.1 Im Sommer letzten Jahres schaffte es die Zeitung erstmals, überregional in die Schlagzeilen zu gelangen (siehe AIB # 48). Sie veröffentlichte ein Interview mit einer »national-revolutionären« Zelle – vermutlich Redaktionsmitglieder  –, in dem offen zu neonazistischem Terror in Anlehnung an die britische Terrorgruppe Combat 18 aufgerufen wurde. Jetzt gehen die Strukturen des Hamburger Sturm nicht mehr nur verbal in die Offensive. Der Hamburger Sturm begreift sich nicht mehr nur als »Summe der nationalen Jugend«, sondern trat im letzten Jahr bereits mehrfach als eigenständige Gruppe auf Demonstrationen auf, beispielsweise am 23. November 1999 in Hamburg-Barmbek, wo über 130 Neonazis unter dem Banner des Sturms gegen eine Bauwagensiedlung marschierten. Aufgeteilt in Kameradschaften wie Sturm 15 Lohbrügge, Sturm Schleswig oder Kameradschaft Pinneberg sind sie fest in den Strukturen der Freien Nationalisten um das Nationale und Soziale Aktionsbündnis Norddeutschland der langjährigen GdNF-Kader Christian Worch und Thomas Wulff verankert. Der Hamburger Sturm umwirbt vor allem Skins aus der Neonazimusik/Hooligan-Szene, die mit ihrer neonazistischen Ideologie »die Macht auf der Straße« erobern wollen.

Elmshom – eine Stadt wehrt sich

Dieses Konzept versuchten Kader des Hamburger Sturms in den letzten Monaten in Hamburg und Süd-Schleswig-Holstein durchzusetzen, wie z.B. in Elmshom: Im April 1999 marschierten erstmals Neonazis durch die Stadt Elmshom, die sich noch heute rühmt, sich 1945 selbst befreit zu haben. Anlass für den Neonazi-Aufmarsch mit lediglich 30 Teilnehmerinnen war ein Rock gegen Rechtskonzert der örtlichen IG Metall-Jugend. Als sich in Reaktion auf diesen Aufmarsch das »Elmshorner Bündnis gegen Rechts« gründete und im Herbst mit einer Plakataktion gegen Neonazismus und Rassismus an die Öffentlichkeit trat, eskalierte die Situation in der Stadt.

Die Initiative des Bündnisses aus GewerkschaftlerInnen, SchülerInnen, antifaschistischen Gruppierungen - mitsamt Unterstützung durch die SPD-Bürgermeisterin – wurde aufgrund der Parole ihrer Kampagne »Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen« zur Zielscheibe neonazistischer Gewalt: Von den 500 aufgehängten Plakaten des Bündnisses waren die meisten nach kurzer Zeit wieder abgerissen oder mit »Juden raus« beschmiert. Beim örtlichen IG Metallbüro wurden die Scheiben eingeschmissen und bei einem Mitglied des Bündnisses scharfdurch das Küchenfenster geschossen – was die Festnahme von sieben Neonazis aus Pinneberg und Neumünster nach sich zog. Einzelne Aktivistinnen des «Bündnis gegen Rechts« wurden persönlich bedroht, Veranstaltungen des Bündnisses von Neonazis fotografiert. Verantwortlich für diese neonazistischen Aktivitäten erklärte sich der Nationale Widerstand Elmshorn, hinter dem sich der Hamburger Sturm verbirgt. Die Neonaziaktivitäten in Elmshorn eskalierten, als 30 Neonazis aus Hamburg und Schleswig-Holstein versuchten, eine städtische Veranstaltung zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar 2000 zu stürmen.

Wenige Tage später, am 5. Februar, organisierten die Neonazis dann unter der Parole »Gegen das Bündnis gegen Rechts« erneut einen Aufmarsch durch Elmshom. Rund 120 Neonazis marschierten unter Leitung von Christian Worch und führenden Kadern des Hamburger Sturm durch Elmshom, von der Polizei vor den 600 Gegendemonstrantinnen geschützt. Anmelder des Aufmarsches war Klemens Otto, Leiter der Pinneberger Kameradschaft des Hamburger Sturms, Blood & Honour-Aktivist und wegen eines brutalen Überfalls auf einen Afrikaner vorbestraft. Doch das »Elmshorner Bündnis gegen Rechts« läßt sich durch die neonazistische Gewalt nicht einschüchtern, wie der örtliche IG Metallvorsitzende erklärt: »Wir wollen hier nicht Verhältnisse wie in Schweden bekommen, wo engagierte Gewerkschafter von terroristischen Neonazis ermordet werden«. Dass die Verbindung nach Schweden nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigen die vielfältigen Verbindungen nach Dänemark und Schweden, vor allem durch das neuste Aktionsfeld des Hamburger Sturms: Blood & Honour.

Die Blood & Honour Division Nordmark

Seit Sommer 1999 existiert eine offizielle B&H Division Nordmark mit Adresse in Tostedt und der Internetseite Skinline. Dahinter verbirgt sich Sascha Bothe, der über beste Kontakte zum Hamburger Sturm verfügt. Stefan Silar aus Tostedt trat später als Leiter der B&H Sektion Nordmark in Erscheinung. Gab es vorher schon einzelne Berichte über B&H-Konzerte im Hamburger Sturm, so wurden auf der Internetseite nur noch B&H CD's besprochen und zum Kauf angeboten. Einer der Hamburger Sturm-Gründer und wichtigster Kader der Gruppe, Torben Klebe, saß 1998 zwei Monate in Untersuchungshaft, weil er an der Verteilung einer indizierten CD der B&H-Band Landser beteiligt war. Torben Klebe ist einer der Kontaktleute des Hamburger Sturms nach Skandinavien. Mit den Strukturen um den Hamburger Sturm besitzt B&H nun auch in Norddeutschland die Möglichkeiten, Konzerte zu veranstalten: So konnte die B&H-Division Nordmark den Todestag des SA-Idols Horst Wessel entsprechend feiern. Obwohl der ursprüngliche  Konzertort von der Polizei verboten wurde, gelang es den Neonazis um Torben Klebe und Sascha Bothe das Konzert in einem Vorort von Bad Segeberg durchzurühren, wohin sie noch über 800 Neonazi-Skins mobilisieren konnten. Dort spielten die B&H-Bands Landser und Stahlgewitter ungestört von der sich völlig überrascht gebenden Polizei. Trotz bundesweiter Verbote von Neonazi-Aktivitäten anläßlich des Wessel-Todestages konnten neben dem Konzert im schleswig-holsteinischen Halstenbek ca. 50 Neonazis aus dem Umfeld des Hamburger Sturm einen kurzen Aufmarsch durchführen. Ob die Offensive der norddeutschen Neonazi-Strukturen der letzten Monate weiter anhalten wird, hängt nicht zuletzt davon ab, ob der Hamburger Sturm sein Ziel, »die Straße vom roten Pöbel zurückzuerobern« weiterverfolgen kann oder durch weitere Aktivitäten antifaschistischer Bündnisse und Gruppen gestoppt wird.

  • 1Norddeutsche Neonazis um Torben Kay Klebe und weitere frühere Angehörige des „Bramfelder Sturm" gelten als die Herausgeber der Neonazi-Publikation „Hamburger Sturm" (vormals „Bramfelder Sturm").