Skip to main content

Völkische Mode im Hundertwasserhaus

Einleitung

»Die Grüne Zitadelle von Magdeburg – das ist der Name, den Friedensreich Hundertwasser seinem architektonischen Werk gab«, so liest es sich auf der  Homepage des Hundertwasserhauses Magdeburg, das am »Tag der deutschen Einheit« 2005 eröffnet wurde. Neben 55 Wohnungen bietet es auch Raum für Ladengeschäfte. Lange Zeit standen diese aufgrund der hohen Mieten leer. Als die Verwaltung des Hauses, die Gero AG, die Mietpreise nach und nach auf ein übliches Innenstadtniveau senkte, wurde die Ladenfläche schließlich auch für die Mediatex GmbH von Uwe Meusel und Axel Kopelke interessant.

Uwe Meusel (hinten 3 von links) und Axel Kopelke (hinten rechts) posieren bei einem Besuch in Norwegen.

Am 27. Juli dieses Jahres eröffnete im erklärten Touristenmagneten der Stadt das Ladengeschäft »Narvik«.  Eine Tochterfirma der Gero AG, die zum katholischen Bistum Magdeburg gehört, hatte den Vertrag mit dem Laden abgeschlossen. Schon Tage vor der Eröffnung waren Teile der zukünftigen Auslage durch die Schaufensterscheibe für Passanten sichtbar zur Schau gestellt. Inzwischen verkauft der Laden in bester Lage die Modemarke »Thor Steinar«. Diese sorgt immer wieder für Schlagzeilen. Das alte Logo der Marke wurde wegen seiner Ähnlichkeit zu nationalsozialistischer Symbolik zeitweilig strafrechtlich verfolgt. Axel Kopelke aus Königs Wusterhausen, der Thor Steinar 2002 registrieren ließ und Geschäftsführer1 der »Mediatex GmbH« ist, die für die Marke seit 2003 offiziell auftritt, soll Berichten zufolge früher Kontakte in die Brandenburger rechte Szene gehabt haben.2 .

So soll Kopelke den Aussagen lokalen Antifaschisten zufolge unter anderem an völkischen Sonnenwendfeiern und einem Liederabend mit dem Neonazi-Barden Frank Rennicke teilgenommen haben. Udo Siegmund aus Niederlehme besuchte am 30. Juli 2005 ein Konzert der Neonaziorganisation Nationalsocialistisk Front (NSF) im schwedischen Tråvad. Siegmund hatte die Internetadressen des Unternehmens www.thorsteinar.de und www.thorsteinar.com angemeldet. Auch wenn das Unternehmen in Deutschland nicht müde wird, Verbindungen in die Neonaziszene zu dementieren, sprechen die immer neuen Skandale eine andere Sprache. Es ist kaum zu übersehen, dass sich »Thor Steinar« mit seiner nordisch-germanischen Runensymbolik zur beliebten Modemarke der rechten Szene entwickelt hat und so mittlerweile das Bild auf etlichen Neonaziaufmärschen prägt.

Im AIB 75 haben wir auf die Aktivitäten des »Thor Steinar«-Unternehmens in Skandinavien verwiesen. »Thor Steinar« ist hier eng mit der extremen Rechten verbunden. In Dänemark teilte sich der dortige »Thor Steinar«-Ableger ein Postfach mit der CD Firma »Nordvind Records«, wobei Nordwind von Neonazis geführt wird, welche bereits für »Blood & Honour« verantwortlich waren. Dass der Laden in der Grünen Zitadelle den Namen »Narvik« mit einer norwegischen Stadt gemein hat, die im zweiten Weltkrieg von einem Anhänger der faschistischen Quisling-Bewegung3 kampflos an die deutschen Streitkräfte übergeben wurde, erscheint eigentlich kaum noch als Zufall oder Versehen. Im Frühjahr 1940 wurde Narvik bei Kämpfen zwischen Nazi-Deutschland und England von deutschen Bombern vollständig zerstört. In der Zeit bis 1945 erschienen diverse Propagandabücher über »Die Helden von Narvik«.

Medial schlug die Eröffnung des Ladens hohe Wellen und über Tage waren regionale und überregionale Medien gefüllt mit Berichten über das »Narvik« und die Marke »Thor Steinar«. Thema der öffentlichen Empörung war jedoch hauptsächlich, dass ein solcher Laden ausgerechnet im Hundertwasserhaus eröffnet. Berichte und Hinweise von AntifaschistInnen, dass die Marke »Thor Steinar« auch im nur 200 Meter vom Hundertwasserhaus entfernten »Piranha« in der Bärstraße seit Jahren zu kaufen ist und dort auch das aktuelle Sortiment aushängt, wurden hingegen ignoriert.

Im Gegenzug sprangen jedoch der sachsen-anhaltische Innenminister Holger Hövelmann und die Justizministerin Angela Kolb auf den öffentlichen Protestzug auf und nahmen an einer medienwirksamen Kundgebung teil. Doch als die Mitteldeutsche Zeitung knapp 14 Tage nach der Eröffnung des Laden berichtete, dass diesem nun gekündigt sei und die Gero AG als Vermieter eine Räumungsklage erwäge, verstummte das öffentliche Interesse schlagartig. Als Grund gab die Gero AG an nicht gewusst zu haben wer sich hinter der Mediatex GmbH verbirgt und über das Warensortiment getäuscht worden zu sein. Als die Mediatex GmbH einer Kündigung ihres 3-Jahres Vertrages jedoch nicht zustimmte, reichte die Gero AG am 13. September Räumungsklage beim Landgericht ein.

Neonazi-Support

Die extreme Rechte zeigte von Anfang an Sympathien für den Laden. Zu den Eröffnungsgästen gehörte neben einschlägig bekannten JN-Mitgliedern und Neonazis der Stadt auch Matthias Gärtner, Koordinator des »Nationalen Bildungskreises (NBK)«, einem Netzwerk studentischer Neonazis, das den »Kampf der Köpfe« intellektuell unterstützen will. Außerdem wurde das »Narvik« in den Wochen nach der Eröffnung von stadtbekannten und organisierten Neonazis »bewacht«. So hielten sich während der Öffnungszeiten dauerhaft mindestens zwei Personen der rechten Szene vor dem Geschäft auf. Einige von ihnen waren Mitglieder der ehemaligen Kameradschaft »Nationale Sozialisten Magdeburg« und organisieren sich jetzt in der NPD.

Die meiste Zeit standen die beiden bekannten Magdeburger Neonazis Tino Steg und Christoph Wobbe als »Türsteher« vor dem Laden. Beide sind Vorstandsmitglieder des »Sport- und Freizeittreff e.V.«, jenes Vereins, der den Neonazitreffpunkt »Standarte 26« in Magdeburg Nord anmietet. Darüber hinaus sind einige der »Aufpasser« überregional für den »SelbstSchutz Sachsen-Anhalt (SS/SA)« aktiv, welcher landesweit in vier Standorte unterteilt ist. Der »SelbstSchutz Sachsen-Anhalt« ist Teil des »SelbstSchutz Deutschland«, der über weitere Standorte in Hannover und Delitzsch verfügt. Gegründet wurde der »SelbstSchutz«, der sich aus Mitgliedern verschiedener Kameradschaften zusammensetzt, 1997 von dem aus Salzwedel stammenden Neonazi Mirko Appelt. Zu den Aufgabengebieten gehören nach eigenen Angaben »Sicherheitstätigkeiten bei Konzerten, Demonstrationen und Saalveranstaltungen«, aber auch »Personenschutz (...), sowie (...) Objekt- und Geländeschutze(s).«4 Konkret heißt das: die Absicherung von NPD-(Wahlkampf-)Veranstaltungen, Neonazi-Großaufmärschen wie z.B. in Dresden und Halbe, sowie Konzerten und kleineren Demonstrationen bundesweit, aber auch Veranstaltungen neonazistischer Parteien und Musikevents europaweit.5 In Sachsen-Anhalt übernahm die neonazistische Organisation zum Beispiel die Sicherung der Wahlkampfveranstaltungen der NPD in Wernigerode und Burg im April 2007.

Auch die wöchentlichen Proteste, organisiert von lokalen AntifaschistInnen, Studierenden und der Grünen Hochschulgruppe sind den Neonazis ein Dorn im Auge. So beschwerte sich die extrem rechte Zeitschrift »Nation & Europa« darüber, dass »linksradikale Kräfte (...) über die Medien Druck auf die Vermieter« ausüben würden6 . Auch die Betreiber des Ladens beschwerten sich mehrfach bei der Polizei darüber, dass die Infostände und Kundgebungen vor dem Laden geschäftsschädigend seien. Öffentlich behaupten sie jedoch von der kostenlosen Werbung zu profitieren. Ein weiterer Dorn im Auge dürfte auch die mittlerweile im Hundertwasserhaus eingerichtete Ausstellung mit dem Titel »hingucken ... denken ... einmischen ...« sein, die über Symbole und Kennzeichen der extremen Rechten aufklären will und von engagierten ChristInnen initiiert worden ist. Quasi symbolisch hat das katholische Bistum die Schirmherrschaft übernommen.

In der jetzigen Situation ist das letzte Wort auf jeden Fall noch nicht gesprochen: Am Geschäft wurden erst kürzlich demolierte Scheiben ausgetauscht, die Betreiber haben erklärt, bleiben zu wollen, AntifaschistInnen wollen an ihrem Engagement festhalten, der lokale Fußballclub FCM hat »Thor Steinar« im Stadion verboten und die Gero AG dürfte den Rechtsstreit bald eröffnen.