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Zwischen NS und urbaner Jugendkultur

Einleitung

Einblicke in die verbotene »Kameradschaft Tor«

Die KS-Tor protestiert im Juli 2004 gegen das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas auf dem Alexanderplatz, v.l.n.r.: Ines W., Nicole St. und Björn W.

Mittlerweile hat sogar das Bundesamt für Verfassungsschutz das Thema »Autonome Nationalisten« entdeckt. In Presseberichten heisst es, dass sich diese »neue rechtsextremistische Gruppierung«  kaum von linken Autonomen unterscheiden würde und ein »ernstzunehmendes Phänomen« sei. Doch so »autonom« und so »neu« wie angenommen sind diese Neonazi-Cliquen nicht. Vielmehr klaffen der äußere Habitus und die innere politische Verfasstheit weit auseinander. Wir wollen dies noch einmal am Beispiel  der Berliner »Kameradschaft Tor« verdeutlichen, welche als bundesweiter Vorreiter in Sachen »autonomer Nationalismus« gilt.

Alter Wein in neuen Schläuchen

Der »autonome Nationalismus« ist bisher nichts anderes als der skurrile Versuch traditionellen Nationalsozialismus mit linksautonomem Habitus und Politikformen, sowie moderner, urbaner Jugendkultur in Verbindung zu bringen. Eine Analyse dieser widersprüchlichen Patchworkidenditäten wurde bereits im AIB 69 dargestellt, doch scheint sie immer wieder unter dem allgemeinen Hype über »neue Trends« im Neonazismus unterzugehen. Vernachlässigt werden in diesem Beitrag auch die Aktionsformen dieses Spektrums, welche im AIB 72 dargestellt wurden.

Entstehung der KS Tor

Die KS Tor wurde im Juli 2000 in Berlin gegründet und ist nach ihrem Gründungsort (Frankfurter Tor) benannt. Sie entstand als klassische Neonazi-Kameradschaft mit eigener Satzung, Kameradschaftsabenden und Mitgliedsbeiträgen. Ihre Aktivitäten bestanden vor allem aus Propagandaaktionen und der inflationären Teilnahme an Demonstrationen. Im Mai 2001 führte die KS Tor in Löwenberg (Brandenburg) ein eigenes Zeltlager mit Schießwettbewerb durch. Ihre chronische Geltungssucht befriedigte die KS Tor seit 2000 über eine eigene Homepage, auf der die meisten ihrer Aktionen dargestellt wurden. Anfangs war die KS Tor eng an die Berliner JN angebunden. So erklärte sie auf ihrer Homepage: »Desweiteren unterstützt ein Grossteil, der Mitglieder und Anwärter der Kameradschaft, die Thesen der JN, obwohl wir selbst autonom bzw. parteiunabhängig arbeiten wollen.« Noch im Jahr 2001 publizierte ein »Björn« für den JN-Stützpunkt Nordost einen Bericht über das »1. Brandenburger Zeltlager der Kameradschaft Thor Berlin« in der JN-Zeitschrift »Jugend wacht«.

Als Gründer der KS Tor gelten Björn W. und Daniel M.. Im Dezember 2000 legte Björn W. den Grundstein für das dauerhafte Interesse des Berliner LKA an seiner Person, indem er seinen Job beim Finanzamt dafür nutzte, die persönlichen Daten eines LKA-Beamten und seiner Frau auszuspionieren und samt einer Drohung im Internet zu veröffentlichen. Er soll insgesamt in 184 Fällen illegal Daten abgerufen haben. Im Januar 2002 sorgte Daniel M. für Schlagzeilen, als er zusammen mit Björn W. und Daniel K. verhaftet wurde, als sie Parolen gegen die Liebknecht-Luxemburg-Gedenkdemonstration sprühten, deren Anmelder ausgerechnet Daniel M.'s Vater war.

Struktur

Björn W. galt als Kopf der KS Tor. Er betrieb die Internet-Seite der Kameradschaft und organisierte Busse, um auf Neonazimärsche zu fahren. Neben ihm zählte Daniel M. zum harten Kern. Die Hauptaktivisten der KS Tor sollen nach zuverlässigen Insiderinformationen ab 2004 weiterhin Oliver Oe., Steffen K., Bengt B., Daniel K., Thomas G. und Marcus G. gewesen sein. Aufgrund der kontinuierlichen Teilnahme an entsprechenden Aktivitäten wird dieser Personenkreis auch durch antifaschistische Szenekenner und Sicherheitskreise dem unmittelbaren Umfeld der KS Tor zugeordnet. Sie trafen sich an jedem zweiten Wochenende in Hinterzimmern von Kneipen oder in Privatwohnungen, um ihre Aktivitäten zu planen. Außer einem Druckkontingent bei einer Druckerei und einer eigenen Lautsprecheranlage verfügte sie über keine nennenswerte Infrastruktur.

In die Berliner Neonazi-Szene war die KS Tor durch die Teilnahme am sogenannten »KO-Treffen« eingebunden. Dieses Koordinations-Treffen fand alle zwei Wochen in Gaststättenhinterzimmern oder in NPD-Räumen statt. Hier trafen sich je ein bis zwei VertreterInnen der Berliner Kameradschaften, der NPD und einige Einzelpersonen, um die wenigen politischen Aktivitäten innerhalb von Berlin zu koordinieren. Um das Umfeld zu Demonstrationen und Aktionen zu mobilisieren hatte der damalige Neonazi Gabriel L. einen SMS-Verteiler eingerichtet. Mittlerweile wird ein solcher von dem Berliner Neonazi René Bethage betrieben.

Die »alten Kader« aus Zeiten der GdNF, FAP und NF hatten keinerlei Einfluss auf die KS Tor und wurden von diesen nicht sonderlich ernst genommen. Auch Kontakte zur Rechtsrock-Szene waren kaum vorhanden, da diese nahezu getrennt von der Kameradschaftsstruktur in Berlin agiert. Ein gutes Verhältnis bestand lediglich zur NPD und JN, da zu einflussreichen Aktivisten wie Jörg Hähnel und Markus Loszczynski gute Kontakte bestanden. Überregionale Kontakte existierten zu Einzelpersonen aus NRW, Sachsen, Magdeburg und Mecklenburg-Vorpommern und deren Gruppierungen. Strukturell gab es zeitweilig Anbindung an das Nationale und Soziale Aktionsbündnis Mitteldeutschland (NSAM).

Die Mädelgruppe der KS Tor

Ab 2004 trat die Mädelgruppe der KS Tor mit eigenen Transparenten und einer Homepage in Erscheinung. Nach eigenen Angaben waren sie »selbständig denkende und handelnde Frauen aus dem Umfeld der Kameradschaft Tor (...)«. Die Neonazi-Aussteigerin Hendrikje H., welche in der Mädelgruppe der Kameradschaft Tor aktiv war, berichtete Berliner Antifaschisten, dass die Gründung der anfangs fiktiven Gruppe auf Madlen H. und Kristina G. zurückzuführen war. Durch den Beitritt von Nicole St., Simone L. und ihr wurde die Gruppe auch real aktiv.

Hinter dem Projekt steckte zu keinem Zeitpunkt eine Tendenz zur stärkeren Emanzipation von Frauen innerhalb der Neonaziszene. Feminismus wurde als übertrieben und verfehlt angesehen. So wurde auf dem einzigen Aufkleber der KS Tor Mädelgruppe klar gestellt: »Auch ohne Emanzipation stark«. Die »Emily Strange«-Comicfigur samt Zwille sollte den rückschrittlichen Inhalt offenbar moderner erscheinen lassen. Auf der Homepage wurde diese Aussage unterfüttert. Frauen müssten sich zu Gunsten ihrer »ureigensten Art« von den »liberalistischen Fesseln der Gleichberechtigung, Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung, die eine vermeintliche Freiheit versprechen, doch letztendlich nur Trugbild sind« befreien. Zur Rolle der Frau innerhalb der Szene wurde dargelegt: »Wie schon die Germanin ihre Männer auf das Schlachtfeld zurücktrieb, weil für sie ein Aufgeben nicht in Frage kam, so sollen auch deutsche Frauen heute Männer vorantreiben im Kampf um Deutschland (...)« Der Widerspruch zwischen völkischem Frauenbild und aktionistischen Aktionsformen lag auch an den unterschiedlichen Interessen der Mitglieder. Während Madlen H. und Kristina G. eher völkisch nach innen wirken wollten, waren Nicole St. und Hendrikje H. an öffentlichkeitswirksamen Aktionen interessiert. Trotzdem war die KS Tor Mädelgruppe eine eigene Struktur für junge Frauen, welche unabhängig von der KS Tor Treffen, Schulungen und Sonnenwendfeiern abhielt.

Nationalsozialismus pur

Aus ihrer nationalsozialistischen Gesinnung haben die Aktivisten der KS Tor nie einen Hehl gemacht. Regelmäßig tauchte in ihren Publikationen ein positiver Bezug auf den »nationalen Sozialismus« auf. Dass hiermit eine positive Bezugnahme zum Nationalsozialismus in Deutschland gemeint ist, machten die Kameradschaftsaktivisten durch regelmäßige Aktionen zur Glorifizierung von NS-Funktionären deutlich. Im November 2003 wurde anlässlich des Jahrestages des gescheiterten Hitler-Putsches ein Transparent mit der Aufschrift »9.11. 1923 – Damals wie heute, dem Willen folgt die Tat – KS Tor« gezeigt. Zum Jahrestag der Machtübertragung trat die KS Tor mit einem Plakat »...tler was right ’33 ’04« an die Öffentlichkeit. Die Mädelgruppe gab auf ihrer Homepage der Leserschaft zu bedenken, dass Adolf Hitler ohne seine weibliche Gefolgschaft nie an die Macht gekommen wäre.

Fast jährlich traten die KS-Tor-Aktiven und ihr Umfeld mit Propaganda-Kampagnen zu Ehren von Hitlers Stellvertreter Rudolf Hess und des Berliner SA-Führers Horst Wessel in Erscheinung. Nach einer KS-Tor-»Kulturfahrt« zur ehemaligen SS-Kultstätte in der Wewelsburg im Juli 2004 berichtete eine teilnehmende Person im Internet: »Stelle man sich jedoch vor, dass in der Mitte eine Feuerschale stehen würde, ...welche das Hakenkreuz an der Decke hell erleuchtet, (...) müsste man dort etwas länger verweilen, als wir es getan hatten.« Einige KS-Tor-Aktivisten beließen es nicht bei der reinen Vorstellung, sondern posierten an einem anderen Ort mit Fackeln und Hakenkreuzfahne. Führerbilder, Hakenkreuzfahnen und regelrechte NS-Altäre gehörten zum festen Inventar der Wohnungen einiger KS-Tor-Aktivisten. Mit der regionalen Neonazi-Skinheadgruppe »Kameradschaft Spreewacht« geriet die KS Tor gar in einen ernsthaften Streit über die Frage, ob auf Adolf Hitler oder Ian Stuart angestoßen werden müsse.

Antisemitismus

Auch Antisemitismus musste man bei der KS Tor nicht mit der Lupe suchen. Auf ihrer Homepage verkündete sie unbekümmert: »We are at war with Z.O.G.« Illustriert war diese Feststellung mit einer vermummten Person, welche offenbar versuchte mit einem Molotow-Cocktail das »Zionist Occupied Government« (Z.O.G.) zu besiegen. Auch in diesem Themenfeld wurde mittels Aktionismus versucht, in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. So versuchten Mitglieder der KS Tor im Juli 2004 zusammen mit anderen Neonazis erfolglos das Richtfest für das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin Mitte zu stören. Als dies an der eingreifenden Polizei scheiterte hielten sie an anderem Ort mit einem Transparent »Hol den Vorschlaghammer, sie haben ›uns‹ ein Denkmal gebaut... KS Tor« eine Kundgebung ab.

Im September 2004 wurde bei KS Tor-Mitgliedern ein Transparent beschlagnahmt, auf dem eine vermummte Person abgebildet war, welche in Richtung eines Davidsternes, eines Dollarzeichens und eines türkischen Halbmondes trat. Erklärend war der Slogan »Fremdkulturen entgegentreten« hinzugefügt. Gegen die KS Tor-Aktivisten Nicole St. und Oliver Oe. war polizeilich ermittelt worden, da sie ihre Anstellung bei dem Briefzusteller PIN AG dazu genutzt haben sollen, um einen Brief des Berliner LKA an die Jüdischen Gemeinde zu Berlin abzufangen, der Daten über eine Sicherheitsüberprüfung ihrer Mitarbeiter enthielt. Das Originalschreiben war Anfang 2005 bei Steffen K. gefunden worden.

Erfolgloses Verbot...

Bereits im Vorfeld des Verbotes kam es wegen dem oben genannten Transparent zu Hausdurchsuchungen bei Aktivisten der KS Tor und ihrem Umfeld. Überlegungen, sicherheitshalber die KS Tor und die Mädelgruppe der KS Tor aufzulösen, wurden jedoch verworfen. Lediglich Madlen H. flog im Zuge des Repressionsdruckes aus der KS Tor Mädelgruppe, da sie nicht bereit war, ihr Mandantschaftsverhältnis zu einem Berliner Anwalt aufzulösen, damit dieser Björn W. in dem selben Ermittlungsverfahren vertreten konnte. Mit Verfügung vom 7. März 2005 wurde die Kameradschaft Tor Berlin und deren Mädelgruppe durch die Senatsverwaltung für Inneres Berlin gemäß dem Vereinsgesetz verboten. Björn W., Daniel M., Nicole St. und Madlen H. wurde per Verbotsverfügung mitgeteilt, dass sich ihre Gruppierungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung richteten und daher ab sofort verboten sind. Neben der Auflösung der alten Strukturen wurde auch das Verbot Ersatzorganisationen zu bilden bzw. fortzuführen auf diesem Weg bekannt gegeben.

Doch hier stieß das Verbot bereits an seine Grenzen, denn weder löste sich die Neonaziclique um die Betroffenen auf, noch beendeten sie ihre Aktivitäten. Hierfür waren die sozialen Bindungen zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern in Form von Wohngemeinschaften und partnerschaftlichen Beziehungen viel zu eng. Einige KS Tor Aktivisten bezeichneten die Gruppe gar als »Familie«. Gegen das Verbot selbst wurde eine Klage beim Oberverwaltungsgericht Berlin eingereicht. Björn W. fuhr nach Sachsen, um sich bei Aktivisten der verbotenen SSS  in Sachen Vereinsverbot beraten zu lassen. Nach einer kurzen Phase des Stillhaltens traf sich das Dutzend Aktivisten der KS Tor wieder, fuhr zu Demonstrationen und trat unter den Namen Arbeitsgemeinschaft Lichtenberg (AGL) und Freie Kräfte Berlin (FKB) mit Propaganda in die Öffentlichkeit. Als Einzelpersonen nahmen KS-Tor-Leute weiter am KO-Treffen teil. Björn W. mietete für den 1. Mai 2005 zwei Busse nach Leipzig. Man versuchte in Polen neue Aufkleber für Rudolf Hess drucken zu lassen, führte wieder Treffen durch und veranstaltete gemeinsam eine »Julfeier«.

Neue Ermittlungen

Seit Juli 2005 wird in Berlin gegen Björn W., Daniel M. und zehn weitere Personen wegen Fortführung der verbotenen Kameradschaft Tor Berlin und der Mädelgruppe Tor bzw. deren Ersatzorganisationen ermittelt. Parallel dazu gerieten mehrere KS Tor Aktivisten wegen diverser Angriffe auf linke Jugendliche unter zunehmenden juristischen Druck. Oliver Oe. wurde gar wegen versuchten Mordes an einem Antifaschisten angeklagt.

Fazit

Da die KS Tor und ihr Berliner Umfeld ein wichtiger Impulsgeber für die Strömung der »Autonomen Nationalisten« in Deutschland ist, kann an ihrem Beispiel deutlich gemacht werden, wo die Grenze zwischen Habitus und Realität verläuft. Ein geschlossenes Konzept oder eine niedergeschriebene Strategie gab es weder in der KS Tor noch in der gesamten Berliner Kameradschafts-Szene. Eher prägen große Differenzen und dauernde Streitereien den Alltag in der Berliner Szene. Inhaltlich passierte kaum etwas, da nur wenige Einzelpersonen in der Lage waren, Texte zu verfassen. Entschlüsse zu Aktionen folgten selten einem Diskussionsprozess zwischen Gruppen, sondern waren in der Regel spontane Ideen Einzelner. Aus diesem Blickwinkel ist auch die Übernahme linksautonomer Aktionsformen und Außendarstellung durch KS Tor-Aktivisten zu betrachten. Anfangs als  »Black Block«-Kult in kleinem Rahmen von Einzelnen praktiziert, wurde der Style durch immer mehr Aktivisten der KS Tor nach und nach massiv vorangetrieben, bis er irgendwann zu einem Selbstläufer wurde. Ein bestimmtes strategisches Moment oder eine längerfristige Strategie wurden dabei jedoch nicht verfolgt.

Trotz des »undogmatischen«, autonomen Auftretens vertritt die Berliner Kameradschafts-Szene weiterhin unhinterfragt einen dogmatischen, nationalsozialistischen Führerkult. Ideologisch gab es zu keinem Zeitpunkt einen Wandel durch die Selbstbezeichnung als »Autonomen Nationalisten«. Der Wandel war ein optischer und einer in Teilen der Lebenswelt und Freizeitgestaltung der KS-Tor-Aktivisten. Ständige Widersprüche zwischen gelebter Autoritätshörigkeit und äußerem Undogmatismus beziehungsweise zwischen nationalsozialistischem Anspruch und urbaner Jugendkultur an vielen Punkten waren nach Aussagen der Aussteigerin Hendrikje Herder charakteristisch für die Berliner Kameradschaften. Strukturell blieb der klassische Rahmen einer Kameradschaft mit regelmäßigen Treffen, einer Repressionskostenkasse und Mitgliedschaften erhalten. Jedoch bildeten die KS Tor und ihr Umfeld darüber hinaus ein soziales Netzwerk, welches durch Wohngemeinschaften, gemeinsame Jobs und partnerschaftliche Beziehungen innerhalb der Strukturen geprägt ist. Im Endeffekt also eine klassische Neonazikameradschaft, deren Mitglieder sich an linksautonomen und urbanen Jugendkulturen orientieren.

Wie bereits im AIB dargelegt, ermöglichte es diese Öffnung gegenüber urbanen Jugendkulturen, die niedrigschwelligen Formen unverbindlicher Arbeitsweise und die geringen inhaltlichen Ansprüche das jugendliche Umfeld der KS Tor zu vergrößern. Durch ein soziales Netzwerk und Schaffung eines erlebnisorientierten Angebotes verfügt der Personenkreis um die KS Tor über eine gewisse Attraktivität für Jugendliche. Im Resultat ist dieses Umfeld zwar äußerst dynamisch, aber in der politischen Arbeit eben nur für Aktionismus und Gewalt zu mobilisieren. Wie weit sich einige jugendliche Kameradschaftsaktivisten im Zuge der ständigen Konfrontation mit AntifaschistInnen in eine regelrechte Paranoia verrannt haben erläutert der Berliner Polizeidirektor Oliver Tölle: »Wenn man morgens aufsteht, putzt man sich nicht bei Licht die Zähne, sondern im Dunkeln und verlässt auf unregelmäßigen Wegen das Haus, um dann schnell im Gewühl unterzutauchen.«1

Eine längerfristige ideologische Festigung und die nachhaltige Herausbildung von Kadern welche über Jahre hinweg politisch arbeiten bleibt bei einer derartigen politischen Sozialisation aus. Somit ist die KS Tor und ihr Umfeld zwar eine akute Bedrohung für alternative Jugendliche und MigrantInnen, aber keine Bedrohung im Sinne der Erlangung politischen Einflusses auf gesellschaftliche Prozesse. 

  • 1Politikorange / extrem*, Frühjahr 2007.