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Blood & Honour Sachsen

Einleitung

Fast alle sächsischen (späteren) NSU-Unterstützer standen dem verbotenen Neonazi-Musik-Netzwerk Blood & Honour (B&H) nahe. Viele Details hat das Antifaschistische Infoblatt (AIB) hierzu schon berichtet. Mindestens ein Drittel der 1998 etwa 18-köpfigen B&H Sektion Sachsen hatte mehr oder weniger Kontakt zu den untergetauchten (späteren) NSU-Terroristen. Ein Blick zurück auf B&H Sachsen:

Chemnitzer Neonazis waren in der Blood & Honour Szene stark präsent. Hier mit einem Transparent an der Bühne (links).

Standort Chemnitz

Die Sektion Sachsen galt als eine der wichtigsten B&H-Filialen. Nach Berlin hatte sie, jedenfalls 1998, den größten Mitgliederstamm. Sachsen, insbesondere Chemnitz, war neben Berlin und Hildesheim einer der Motoren des deutschen B&H-Netzwerkes. Der Anhang der Sektion war stark genug für die Sicherstellung eines kontinuierlichen Konzertbetriebs, die Produktion einer Reihe von neonazistischen Fanzines, den Betrieb mehrerer neonazistischer Versände und Ladengeschäfte und die Spezialisierung von Labels - inklusive einer „Professionalisierung“ hin zu konspirativen Strukturen. Movement Records (MR) aus Chemnitz beerbte ab 1997 den unter Repressionsdruck geratenen Nibelungen Versand (Emsland) als führendes deutsches B&H Label. Der personell stabile Kreis um Jan Werner und die Firma Movement Records verließ im Herbst 1998 fast geschlossen die Division und es entstand mehr als ein Jahr später eine neue, von den bisher Aktiven unabhängige Sektion. Auch sie war hinreichend stabil aufgestellt, um wie die Ex-Sektion nach dem Verbot noch Aktivitäten zu entfalten. In der Gesamtschau muss sogar von der zeitweise überschneidenden Existenz von drei Sektionen ausgegangen werden, weil auch nach dem Verbot noch Mitglieder gewonnen werden konnten.

Entwicklung ab den frühen 1990ern

Bereits um 1994 war vor allem in Westsachsen mit Schwerpunkt in Chemnitz eine Szene entstanden, die starke Bezüge zu B&H offenbarte. Zwischen 1995 und 1998 fällt ein äußerst dynamischer Konzertbetrieb im Bundesland auf. Beinahe alle zwei Wochen lässt sich ein Konzert nachvollziehen, vielfach waren die B&H-Bezüge unverkennbar. Insbesondere der Raum Chemnitz war ein bundesweit bedeutender Neonazi-Erlebnispark, die dortige Struktur gewann an Reputation und war schnell eine Säule des deutschen B&H. 1997 gab es den ersten Streit mit anderen Blood & Honour Sektionen. Chemnitz stellte zunehmend die Machtfrage im bundesweiten Netzwerk. Die B&H-Sektion Sachsen verselbstständigte sich und machte deutlich, dass sie eine Berliner Führung und ein bundesweites Netzwerk nicht mehr benötigte. Schließlich wurden 1998 der sächsische Sektionsleiter Jan Werner (Betreiber Movement Records) und der spätere Polizeispitzel Thomas Starke aus Chemnitz ausgeschlossen. Die B&H Sektion Sachsen beschloss, aus Gründen der „Solidarität“ mit ihrer Führungsspitze, aus der B&H Division Deutschland auszutreten und auch die B&H-Leute im thüringischen Weimar solidarisierten sich mit den Sachsen und traten aus. Die Ex-Sektion beschloss, ohne Name, aber „wie bisher“ weiterzuarbeiten und sich an Kameradschafts-Strukturen zu orientieren. Der „Ausschluss“ war eigentlich ein "Austritt". Er umfasste auch die Herauslösung von Jan Werners Movement Records (MR) aus dem B&H- Netzwerk. Dem Label war von der Berliner Führung vorgeworfen worden, die Gewinne nicht zu teilen. Ein Anfang 1999 veröffentlichter B&H-Divisions-Newsletter berichtet, dass MR sich nicht mehr als „Label dieser Bewegung [...] bezeichnen“ dürfe, denn „Der BH-Bewegung (ist größer als die Sektion Sachsen) sind noch keine Beträge aus dem Geschäft der Firma MR zugegangen.“ Von nun an arbeiteten die Sachsen vollends auf eigene Rechnung bzw. für die eigene Sektionskasse, aus der offenbar auch Geld zur Unterstützung des untergetauchten Jenaer Trios floß. Übereinstimmend kommentierte Werner im Jahr 2006, der „Ausschluss“ sei vollzogen worden „wegen Geldern aber auch wegen Verweigerung von Brauchtumspflege also Appelle usw.“ Damit wurde ein zusätzlicher, politischer Streitpunkt benannt. Innerhalb von B&H war das Verhältnis von Subkultur und Politik durchaus umstritten. Die Sektion Sachsen erklärte schon vorher, den Divisionschef Stephan Lange „Pinocchio“, der auch der Berlin-Sektion vorstand, nicht mehr anzuerkennen. Lange trat für eine eher subkulturelle Orientierung ein, während die Aktiven in Chemnitz radikale politische Positionen in den Vordergrund rückten. Die Trennung muss als Folge interner Machtkämpfe aber auch gegensätzlicher Positionen als Folge der Radikalisierung in der sächsischen Struktur verstanden werden.