West-Berlin: "BDI-Treffen wurde nichts…"
BDI-Blockade-Nachbereitungstreffen (Gastbeitrag)Etwa 200 bis 300 AntifaschistInnen verhinderten am 4. März 1987 das monatliche Treffen der neonazistischen „Bürgerinitiative Demokratie und der Identität“ (BDI).
Diese Versammlung, die wie immer im Lokal „Brückenkopf“ am Hohenzollerndamm stattfinden sollte, diente bis dahin als Koordinationstreffen verschiedener Neonazi-Organisationen (z.B. FAP, Wiking-Jugend, Westberliner NSDAP) und als Anlaufpunkt für neue Leute, die fest in das Neonazilager eingebunden werden sollen. Erfolg dieser Aktion war unter anderem, dass die monatlichen BDI-Treffen für neue Leute nicht mehr so einfach zugänglich sind, da die BDI anscheinend Angst vor weiteren Aktionen hat und ihre Treffen nicht mehr öffentlich abhalten kann. Es folgt ein Bericht über die Blockadeaktion, der auf einem Nachbereitungstreffen der Beteiligten zusammengetragen worden ist.
Nachbereitung
Es beteiligten sich Antifa-Jugendgruppen, Schülervertretungen, Die Falken, Volksfront, Gruppen aus der Türkei, VVN , SJV , AL und zahlreiche Autonome mit dem Ziel die Anwerbe-Treffen der BDI nicht mehr ungestört stattfinden zu lassen, indem wir den Treffpunkt bekannt machen. Zweites Ziel war es die BDI als Neonazi-Organisation zu entlarven und im besten Fall dieses Treffen der BDI zu verhindern. Wichtig war es uns eine gemeinsame Aktion der verschiedenen Gruppen durchzuführen mit einem geschlossenen Vorgehen und mit vielen Menschen zum gegenwärtigen Schutz vor Neonazi-Schlägern.
Die Polizei hatte den Auftrag, das BDI-Treffen zu schützen. Die BDI hat es dann von sich aus um circa 19.15 Uhr abgesagt, da sie eine Eskalation befürchteten. Wir haben unsere Blockade bis 20.15 Uhr aufrechterhalten und haben uns dann geschlossen zum Fehrbelliner Platz zurückgezogen. Für die Anwohner wurde der Flugblatt-Text während der Aktion über Megaphon verlesen. Die Flugblätter wurden am nächsten Tag in der Umgebung verteilt. Die Reaktionen der Menschen auf unsere Aktion dort waren überwiegend freundlich. Während der Aktion gab es eine Live-Berichterstattung über S-F-Beat (SFB), Pressevertreter von „Wahrheit“, „Volksblatt“, „TAZ“ und „Radio 100“ waren informiert und anwesend.
Als negative Punkte fielen einigen von uns auf: In dem Flugblatt war zu wenig politische Argumentation gegen Flüchtlings- und Ausländerhetze enthalten und der Begriff „Deutschland“ statt „BRD“ und „Westberlin“ wurde benutzt. An der Aktion wurde auch der weite Anmarschweg kritisiert, der jedoch technisch bedingt war. Die Menschenketten um das Lokal standen nicht durchgängig und am Hinterausgang standen oft relativ wenig Leute. Zu Beginn der Blockade standen die Ketten in zu großer Entfernung von den Polizeireihen direkt vor der Kneipe. Dadurch hatte die Polizei die Möglichkeit Anlauf zu nehmen und ihre Knüppel zu ziehen. Das (eine) Megaphon war nicht überall zu hören, daher kam leichtes Informations-Chaos in den Ketten auf.
Die positive Punkte waren: Trotz der großen Unterschiedlichkeit unter den TeilnehmerInnen war es möglich, die Aktion von vorne bis hinten geschlossen durchzuführen. Es ist uns einerseits gelungen, den Aktionen der Polizei Widerstand entgegenzusetzen und andererseits die Auseinandersetzung mit der Polizei nicht eskalieren zu lassen. Nach der Aktion waren wir bester Laune, es war eine geile Aktion, weil wir das durchgezogen haben, was wir wollten, statt nur kurzfristig auf Aktionen der Neonazis zu reagieren. Somit entstand auch Vertrauen untereinander und die Aktion war ein guter gemeinsamer Auftakt gegen BDI, DJI (Deutsche Jugendinitiative Berlin), FAP (Freiheitlich Deutsche Arbeiterpartei), NF (Nationalistische Front) und andere.
Einige Gedanken zur Perspektive
Gleichzeitig mit der Öffentlichkeitsarbeit gegen Ausländerfeindlichkeit, Flüchtlingshetze und der politischen Isolierung der BDI und anderer rechter Gruppen, ist es uns wichtig, die aktiven Neonazis von den MitläuferInnen zu trennen.
Darüber hinaus wollen wir auch das Interesse der Herrschenden und der bürgerlichen Parteien, Rassismus als Spaltungsinstrument und Krisenmanagement gegen den Widerstand der unteren Klasse thematisieren. Wichtig ist uns dezentraler Widerstand gegen (Neo)Faschismus und Rassismus in den Stadtteilen, Schulen und Betrieben. Bei allen Unterschieden unter uns wollen wir uns auch weiter gemeinsam wehren.
Die Aktion war gut vorbereitet, die meistens TeilnehmerInnen wussten über das Konzept und die Bestimmung bescheid. Zu der Aktion wurde ab Montag mehr oder weniger offen aufgerufen (d.h. auch über Telefon, aber nicht über die Presse), um die BDI frühstens zwei Tage vorher durch die Polizei davon Wind bekommen zu lassen, aber so das wir selber mobilisieren konnten. Dass die Polizei bei einer großen Mobilisierung etwas mitbekommen, lässt sich nicht ausschließen. Das Treffen im „Brückenkopf“ ließ sich nicht kurzfristig von der BDI verlegen, da zu diesem Treffen neue Mitglieder und InteressentInnen eingeladen werden zu denen wenig organisatorischer Draht besteht. Der Treffpunkt von uns lag etwa eine Viertelstunde zu Fuß vom „Brückenkopf“ entfernt (Kino). Alle TeilnehmerInnen waren zwischen 18.00 Uhr und 18.15 Uhr da, so daß gleich klar war, dass wir genug Leute waren. Ab 17.30 Uhr standen zwei "Polizei-Wannen" vor der Kneipe. Dort angekommen, bildeten wir Menschen-Ketten vom Vorder- bis zum Hintereingang. Wir ließen uns von den aufgestellten Polizisten nicht beeindrucken. Zu diesem Zeitpunkt war bloß ein BDI-Mitglied in der Kneipe. Da unsere Ketten am Anfang zu weit weg von den Eingängen und den Polizisten standen, gelang es zwei BDI‘lern durch den Vordereingang reinzukommen. Später ist ein weiterer unter Polizeischutz durch den Hintereingang reingekommen. Alle anderen Versuche von BDI'lern sind gescheitert. Nach dreimaligem Polizeieinsatz gelang es den nur mit Hemd bekleideten, bei zwei Grad minus frierendem Wirt wieder in seine Kneipe zu kommen. Dabei wurden von der Polizei die Schlagstöcke eingesetzt und es kam zu leichten Verletzungen bei Leuten von uns. Für kurze Zeit wurden die Gruppen einmal getrennt, Festnahmen und Personalienfeststellungen gab es keine. Es gab auch keine offizielle Anmeldung der Aktion, Verhandlungen sind von uns aus nur kurz über Megaphon geführt worden.