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Wessen Görli?

Einleitung

Verdrängung und Rassismus im öffentlichen Raum

Mediale »Sommerlöcher« werden traditionell mit Bedrohungsszenarien gefüllt, die nach repressiver Ordnungspolitik verlangen. Regelmäßig in den Fokus geraten dabei durch die Polizei als »kriminalitätsbelastet« eingestufte Orte. In diesem Zusammenhang wird immer wieder auch der Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg genannt. In den Jahren 2011 und 2012 wechselten sich Berichte über Roma, die zeitweilig im Park übernachten mussten und Artikel über Drogenverkäufer_innen, die angeblich den Aufenthalt im Grünen verunmöglichten, gegenseitig ab. Einen neuen Höhepunkt erreichte die Debatte um den Park in diesem Sommer. 

Ab Mitte Juli veröffentlichte die Berliner Tageszeitung B.Z. fast täglich Artikel zur Situation im Görlitzer Park. Dieser sei »besonders im Sommer ein großer Drogen-Treffpunkt«, wird ein Polizeisprecher zitiert.1 In gewohnt populistischer Manier beklagte die B.Z. daraufhin die Untätigkeit verantwortlicher Politiker_innen, eine überforderte Polizei und alleingelassene Anwohner_innen. Auch andere lokale Medien sprangen schnell auf den Zug auf, sprachen von »immer dreister«2  werdenden Dealern und »Besuchern in Angst«3 . Die Berliner Morgenpost nahm die Angriffe einer Person in der Nähe des Parks zum Anlass, um sich unter der Überschrift »Im Görlitzer Park in Kreuzberg eskaliert die Gewalt« ausführlich dem »Dauerproblem mit den Drogendealern« zu widmen, obwohl weder der Angreifer, noch die Tat oder der Ort einen solchen Zusammenhang hergab.4 Auch wenn bereits von Januar bis Juni im Schnitt alle 2,8 Tage Polizeirazzien stattfanden, erhielten die polizeilichen Großeinsätze im Juli und August eine ungleich höhere Aufmerksamkeit. Während die Razzien gegen Schwarze Menschen umfassend und wohl auch dem Wahlkampf geschuldet als ineffizient kritisiert wurden, blieben die wenigen Stimmen, die die Kontrollpraxis als rassistisch benannten, umstritten. Wie u.a. auf einer Kundgebung der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt Anfang August deutlich wurde, wiesen einige Anwohner_innen den Vorwurf des polizeilichen Rassismus nicht nur empört zurück, sondern verbuchten Antirassist_innen auch pauschal in die Kategorie »Nicht-Anwohner«. Medial auftretende Einzelpersonen und der konstruierte Gegensatz zwischen »Parknutzern« und »Anwohnern« zeigen: Dieser Modus des bürgerlichen Protests diskreditiert antirassistische Positionen mit dem Verweis auf die eigene Meldeadresse – ganz nach dem Motto »Wohnen Sie überhaupt hier?«5


Unser Dorf soll sicher sein

»Allein traue ich mich da nicht mehr hinein« sei vermehrt von Anwoh­ner_innen des Parks zu hören, einige fordern gar die komplette oder wahlweise nächtliche Schließung. Mindestens aber mehr Polizeipräsenz. Mit eigenen Vorstellungen über die Lage im Park trat dann vermehrt auch das Projekt »Unser Görli« in Erscheinung.  Um die subjektiven Bedrohungsgefühle greifbarer zu machen, sind Mütter mit Kind ein gern gedrucktes Bildmotiv und Quelle für O-Töne. Nachdem sie sich zur »Problematik« geäußert habe, werde sie nun »als Rassistin beschimpft«, so die Betreiberin des »Cafe Edelweiss«. Dieses Cafe liegt nicht nur mitten im Park, es fiel bereits im letzten Jahr auf, weil sich auch zu diesem Zeitpunkt Angestellte und Betreiber »nur mal« äußerten. In diesen Äußerungen ging es um obdachlos gewordene Roma, die zeitweilig im und am Park unterkommen mussten. Antiziganistische Stereotype bedienend wurde auf die Anhäufung von Müll, den Gebrauch von Toiletten und das Erfragen von Kleingeld verwiesen. Nur zu den im Sommer ebenfalls anfallenden Überresten von täglich im Park grillenden Menschenmassen, den lautstark umherziehenden Feiernden oder dem Blockieren der Gehwege bis spät in den Abend vor einem der angesagten Restaurants nahe des Parks durch finanziell abgesicherte Konsument_innen wurde sich bisher nicht geäußert. Warum sich diese selektive Wahrnehmung auch zukünftig nicht ändern wird, zeigt ein Blick auf die Funktionsweise von Sicherheitsdiskursen und die von ihnen bestimmten Ein- bzw. Ausschlusskriterien. Wer diese Diskurse dominiert, kann festlegen, was als »feindlich« gilt und umgekehrt, wer zu den »Bedrohten« zählt. Eine Sicherheitsbedrohung wird in der hier beschriebenen Debatte um den Görlitzer Park in zwei Arten konstruiert. Trotz der bekannten Unterscheidung von Deliktbereichen (Alltags-, Gewalt- und Rausch­giftkriminalität, organisierte Kriminalität) wird ganz allgemein auf »hohe Kriminalität« verwiesen. Gera­de bei der Festlegung »kriminalitätsbelasteter Orte«, an denen polizeiliche Kontrollen »verdachtsunabhängig« und im Effekt überwiegend auf Basis rassistischer Kriterien stattfinden können, wird durch die Berliner Polizei unter Verschluss gehalten, welche Kriminalität in welchem Umfang der Einordnung zu Grunde liegt. Auf der einen Seite kann die Bedrohung also durch ihre Unbestimmtheit umso größer erscheinen, auf der anderen Seite wirken im Fall einer Ausdifferenzierung in unterschiedliche Kriminalitätsfelder rassistische Bilder: Plötzlich sind alle Schwarzen Menschen Dealer, alle Weißen »bedroht« vom Drogenverkauf. Um wessen Sicherheit es geht, zeigt sich schon daran, dass rassistische Polizeigewalt als gerechtfertigte »Maßnahme« statt als Sicherheitsrisiko für die Betroffenen erscheint.

Ein Park für Alle?

Auch wenn sich das bereits erwähnte Projekt »Unser Görli« vordergründig durch eine naive Unterschätzung der eigenen Rolle in der medialen Berichterstattung über die Geschehnisse aus­zeichnet, ist sein Beitrag, das Interesse von Anwohner_innen an einem Parkmanagement, das zwangsläufig auf eine Verdrängung marginalisierter Gruppen aus dem öffentlichen Raum hinausläuft, zu einem allgemeinen Interesse zu erklären – oft versteckt hinter Floskeln wie dem Ziel einer »Stärkung der Vielfalt und der Qualitäten des Görlitzer Parks«. Insofern sind die Akteur_innen dieses Bürgerbeteiligungsprojekts keinesfalls eine »Projektionsfläche für gesellschaftliche Konflikte und Veränderungsprozesse«6 , sondern mit ihren Problemdefinitionen (»die Dauerbrenner ›Hunde im Park‹ und ›Müll‹«, »das Thema Drogen«7 ) und Aktionen aktiv an Aufwertung und Verdrängung beteiligt. Gleichzeitig ist auch »Unser Görli« daran gelegen zu betonen, dass Akzeptanz und Konsens der Beteiligten Grundvoraussetzungen sind. Hierbei wird lediglich Akzeptanz für eine Umsetzung geschaffen, allerdings kein Konsens darüber erzeugt, was verhandelt werden soll. Denn die Einsicht, dass Rassismus zu den Begleiterscheinungen von Aufwertung gehört, und es Menschen gibt, die den Abbau von Unterdrückungsverhältnissen über den Zustand eines »Naherholungsraums« stellen, kann schon deshalb keinen Platz in solchen Projekten finden, weil das Konzept der partizipativen Stadtpolitik genau diese gesellschaftlichen Bedingungen leugnet. Die Rede von »Synergieeffekten« und »engagierten Bürgern« kann nicht verdecken, dass Sozial- und Ordnungspolitik sich beim Erreichen des gemeinsamen Ziels, Armut, Verelendung und nicht-konformes Verhalten aus dem öffentlichen Raum zu drängen, ergänzen.