»Strafaktion« gegen Migranten_innen in Moskau
Ulrich Heyden, MoskauNach einem Mord an dem 25-jährigen Russen Jegor Stscherbakow in dem am südlichen Stadtrand von Moskau gelegenen Stadtteil Birjuljowa, kam es am 13. Oktober 2013 zu einem Pogrom gegen Migrant_innen. An der »Strafaktion« beteiligten sich mehrere hundert Anwohner_innen und Neonazis, die zuvor an einer Protestkundgebung mit 4.000 Menschen teilgenommen hatten.
Derartige »Strafaktionen«, nach von Kaukasiern ausgeführten Morden an Russen, gab es bereits im karelischen Kondopoga (September 2006), auf dem Moskauer Manege-Platz (Dezember 2010) und im Städtchen Pugatschjowa im Wolga-Gebiet (Juli 2013). In allen Fällen entzündeten sich die Auseinandersetzungen, die schließlich zum Mord führten, an Alltagskonflikten. In Birjuljowa griffen die Demonstrant_innen zunächst einen Gemüsegroßmarkt und dann ein Einkaufszentrum an, in dem viele Kaukasier arbeiten und verwüsteten dieses. Die Polizei verhaftete 380 Teilnehmer_innen der Aktion. Ein wegen Mordes an dem Russen Stscherbakow verhafteter Aserbaidschaner zog sein Geständnis inzwischen wieder zurück. Die Freundin des getöteten Russen, Kseina Popowa, die von dem Aserbaidschaner beleidigt worden sein soll, rief über den Fernsehkanal Moskwa 24 dazu auf, den Tod ihres russischen Freundes nicht zum Anlass für Auseinandersetzungen zwischen den Nationalitäten zu missbrauchen. Der Moskauer Polizeichef Wladimir Kolokolzew ordnete nach dem Pogrom an, die Moskauer Gemüse-Großmärkte verstärkt zu kontrollieren, da sie wegen der vielen nichtlegalen Migrant_innen »Unruheherde« seien. In den folgenden Wochen kam es auf Moskauer Märkten zu Massenfestnahmen von nicht-legalen Migrant_innen. Der Gemüse-Großmarkt im Stadtteil Birjuljowa wurde wegen der Nichteinhaltung der Sanitär-Bestimmungen für drei Monate geschlossen. Wladimir Putin lehnt – trotz der von den Medien aufgeheizten Anti-Migrant_innen-Stimmung die von Nationalist_innen geforderte Einführung der Visa-Pflicht für Usbeken, Tadschiken und Kirgisen ab. Doch die russischen Nationalist_innen sehen sich mit ihrer Strategie, Anwohner_innen-Kundgebungen und Pogrome zu unterstützen, bestätigt, weil die Polizei meist erst nach solchen Aktionen aktiv gegen nicht legale Migrant_innen vorgeht.