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„HoGeSa ist Teil einer längeren Entwicklung“

Einleitung

Interview mit Robert Claus

Robert Claus forscht zur Extremen Rechten, Geschlechterverhältnissen und Fußballfanszenen. 2010 veröffentlichte er gemeinsam mit Esther Lehnert und Yves Müller den Sammelband „Was ein rechter Mann ist... Rechtsextremismus und Männlichkeiten“. Mit ihm sprachen wir über das wieder ins öffentliche Bewusstsein getretene gemeinsame Auftauchen von Neonazis und Hooligans.

Foto: Thomas Rassloff

Im letzten Jahr trat das Zusammenwirken von Neonazis und Hooligans mit der großen und von Ausschreitungen begleiteten Demonstration unter Federführung von „Hooligans Gegen Salafisten“ (HoGeSa) in Köln wieder öffentlich in Erscheinung. Kam dieser Auftritt tatsächlich überraschend oder war es Produkt einer länger andauernden und kontinuierlichen Entwicklung?

HoGeSa ist Teil einer längeren Entwicklung. Zuvor hatten extrem rechte Hooligans mehrfach versucht, sich in anderen Netzwerken städteübergreifend zu organisieren, wie z.B. innerhalb der „Gnu Honnters“ —  also „New Hunters“, den „Neuen Jägern“ (siehe AIB Nr. 103). Deren erklärtes Ziel war es, die Antifa aus dem Stadion zu prügeln. Somit waren vor der Demonstration in Köln weder Hooligans verschwunden noch hatten sich ihre Schnittstellen zur extremen Rechten aufgelöst. Allerdings fiel die Anzahl der Teilnehmenden mit knapp 5.000 Personen in Köln unerwartet hoch aus. Einen rechten Aufmarsch dieser Größe hatte es seit den jährlich stattgefunden Neonazidemonstrationen in Dresden nicht mehr gegeben.

Gibt es eine „rechte Repolitisierung“ in- und außerhalb der Stadien? Steckt dahinter gar eine Strategie der extremen Rechten?

Der Versuch organisierter Neonazi-Struktu­ren, stärker in der Hooligan-Szene präsent zu sein, reicht bis in 1980er Jahre zurück. Doch ist sie nicht immer so erfolgreich wie bei der Borussenfront in Dortmund zu jener Zeit: Größere Teile der Hooligans sehen sich als Teil einer fußballaffinen Jugendkultur und stehen auch Parteien wie der NPD eher fern. Sie bilden ein extrem rechtes, rassistisches Milieu, dass sich zu gemeinsamen Gewaltorgien, alkoholisierten Auswärtsfahrten, Konzerten und Kampfsport zusammen findet. Jedoch seltener zu Parteitagen und Kameradschaftstreffen. Mobilisierbar sind sie aber für Demonstrationen — wenn also der Eventcharakter im Vordergrund steht. HoGeSa konnte dieses Milieu, wenn auch nur für kurze Zeit, erfolgreich mobili­sieren. Doch selbst in Köln sind manche Hooligans ob der offen politischen Ausrichtung wieder abgereist und erst gar nicht mehr zur Folgeveranstaltung nach Hannover gekommen. Besonders die rechte Hooligan-Band „Kategorie C“ mit ihren Kontakten ins organisierte Neonazi-Spektrum sowie ihrem Auftreten als jugendkulturell-gewaltaffin spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle als Bindeglied.

Welche Effekte auf die Hooliganszene in Deutschland sind seit dem letzten Jahr zu verzeichnen?

Die Szene tritt wieder mit einem deutlich gestärkten Selbstbewusstsein auf. Denn selbst wenn die HoGeSa-Demonstrationen immer kleiner und teilweise abgesagt wurden, war sie berauscht ob ihres Erfolges. HoGeSa ist zu einer starken Marke geworden und die Szene zehrt von ihrem Kölner Event. Zudem hatten schon vorher Hooligangruppen an einigen Orten die Machtfrage in der Kurve gestellt. In Aachen beispielsweise wurden die „Aachen Ultras“ solange von Rechten — zu denen auch die Hooligans vom „Westwall“ gehörten — bedroht, bis sie 2013 ihren Rückzug aus dem Stadion erklärten. Dies bekam nach Köln weiteren Aufschwung: In Bremen attackieren rechte Hools seit Jahresbeginn wieder verstärkt die Ultraszene.

Gleichzeitig trat eine andere Entwicklung ein. Der Bundesgerichtshof verurteilte Anfang des Jahres die „Hooligans Elbflorenz“ aus Dresden als kriminelle Vereinigung und schuf somit einen Präzedenzfall. In der Folge lösten sich mehrere Hooligangruppen in Erwartung des kommenden Verfolgungsdrucks  auf, u.a. der Aachener „Westwall“. Doch kann dies nur oberflächlich darüber hinwegtäuschen, dass diese Gruppen jenseits der großen Öffentlichkeit weiterhin exis­tieren.

Ist die große Präsenz von Hooligans bei den PEGIDA-Demonstrationen und ihren diversen bundesweiten Ablegern damit zu erklären oder welche Ursachen siehst du in der kontinuierlichen Teilhabe?

Hier muss man genau hinschauen. In Köln fehlten große Teile der ostdeutschen Hooliganszenen. Die hatten ihr HoGeSa in PEGIDA gefunden und stellten dort große Teile des Ordnungsdienstes. Das wiederum überrascht kaum, denn Hooligans trainieren Kampfsport und arbeiten nicht selten in Secu­rity-Firmen. Man darf das ganze Business nicht pauschal verurteilen, jedoch ist es in manchen Regionen schwierig einen Ordnungsdienst zu finden, der keine einschlägigen Personen beschäftigt. Beim DFB-Pokalspiel des Chemnitzer FC im August trug nahezu der komplette Ordnerdienst für den Gästeblock Klamotten von Thor Steinar.

Hinzu kommt natürlich die ideologische Komponente. Viele Hooligangruppen haben sich tatsächlich einmal als Schutzgruppen für die eigene Fanszene vor den Angriffen anderer Fans gegründet. Es galt und gilt, das eigene Stadion, die eigene Stadt, die eigenen Szene zu beschützen und somit eine männliche Ehre zu bewahren. Dieser patriarchale Gedanke von ständiger „Bedrohung und Schutz“ ist sehr anknüpfungsfähig für extrem rechte Ideologien sowie Männerbilder und leicht auf  Volk und Nation erweiterbar. Insofern fällt die rassisti­sche Idee, Deutschland müsse vor Islamismus oder schlichtweg Migration geschützt werden dort auf fruchtbaren Boden.

Profitiert die Neonazi-Szene deiner Meinung nach vom Auftreten rechter Hooligans?

Absolut. Organisierte Neonazis rekrutieren sich oftmals aus einem Milieu, das schlicht­weg gemeinsame Hobbies teilt, so banal es klingt. Diese heißen Fußball gucken, Kampfsport trainieren, rassistische und sexistische Witze machen sowie extrem rechte Musik hören. Männerbündelei, Alkohol und Gewalt durchziehen das gesamte Repertoire und bilden eine Erlebniswelt, in der eine nie­drig­schwellige Politisierung stattfindet. Bei weitem nicht alle Jugendlichen gehen dann auch den Weg in organisierte Partei- oder Kame­radschaftsstrukturen. Jedoch ist der extrem rechte Hooliganismus ein enorm wichtiger Pool zur Rekrutierung.

Welche Konflikte treten innerhalb der Fußball-Fanszene zu Tage und lässt sich eine Zunahme antifaschistischer und antirassistischer Organisierung in- und außerhalb der Stadien durch linke Fans beobachten?

Trotz allem: Die Entwicklung der bundesdeutschen Fanszenen ist insgesamt eine positive. Noch in den 1990er Jahren ge­hörten Reichskriegsflaggen und Affenlaute gegen Schwarze Spieler zum festen Repertoire in vielen Kurven. Das ist heute kaum noch der Fall. Die Verbände haben zum Teil ihre Blicke und Maßnahmen geschärft, viele Fanprojekte leisten gute Arbeit und vor allem die Fanszenen selber haben einen Prozess durchgemacht und Aktivitäten aus sich selber heraus entwickelt. 1993 gründete sich das „Bündnis aktiver Fußballfans“ (BAFF), das Anfang der 2000er Jahre mit der Ausstellung „Tatort Stadion“ gegen die extreme Rechte durch Deutschland tourte. Viele Initiativen folgten, wie z.B. die Kampagne „Fußballfans gegen Homophobie“ vor fünf Jahren. Das war vor der Jahr­tau­send­wende noch völlig undenkbar. Bei aller gebotenen Vorsicht gilt also: Extrem rechte Bedrohungen sind real, die extrem rechten Netzwerke funktionieren. Aber große Teile der Fanszenen wehren sich, in den letz­ten Jahren z.B. in Bremen oder auch Dortmund.

Wie schätzt du die weitere Entwicklung bezüglich des Engagements rechter Hooligans auf der Straße und den Stadien ein?

Wie gesagt: Extrem rechte Hooligans bewegen sich zwischen kollektiven Rauscherfahrungen wie in Köln, gemeinsamen Exzessen durch Gewalt und Konzerte einerseits, dem Verfolgungsdruck als „krimi­nelle Vereinigungen“ und sich wehrenden Fanszenen andererseits.

Es wird zu weiteren Konfrontationen kommen, von denen die allermeisten Stadionbesucher_innen jedoch kaum etwas mitkriegen. Denn insgesamt ist der Fußball sehr sicher. Entscheidend wird sein, die Teile der Fanszenen dauerhaft zu unterstützen, die sich gegen Neonazis und Diskriminierungen engagieren. Denn nur sie kennen ihre Kurven, stehen dort jede Woche und bestimmen die (politische) Atmosphäre.

Robert Claus ist Mitherausgeber des Sammelbandes
„Zurück am Tatort Stadion — Diskriminierung und Antidiskriminierung in Fußball-Fankulturen“
19,90 EUR; 384 Seiten, 13,5 x 21,5 cm,
Paperback, ISBN: 978-3-7307-0131-7