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Neonazis beim Fußball

Jan Tölva
Einleitung

Am Beispiel Braunschweig

Dass es in deutschen Fankurven Neonazis gibt, ist eigentlich keine neue Erkenntnis. Die Tatsache jedoch, dass sie heute in den Stadien deutlich weniger präsent sind als noch in den 1990ern, hat zwischenzeitlich bei nicht wenigen zu der irrigen Annahme geführt, es gäbe hierzulande überhaupt kein nennenswertes Problem mehr mit Neonazis im Fußball. In den letzten Monaten seit Ende der Sommerpause allerdings haben sich die Vorfälle mit eindeutig rechtem bis extrem rechtem Hintergrund derart gehäuft, dass selbst die »Sport Bild« von »Nazi-Angst im deutschen Fussball« spricht.
 

Anders als in der Vergangenheit geriet dabei nicht so sehr der Osten, sondern viel mehr der Westen der Republik ins Blickfeld. Dabei lag mit Aachen, Dortmund und Duisburg der Schwerpunkt vor allem auf Nordrhein-Westfalen – nicht ganz zufällig auch einer der Organisationsschwerpunkte der »Autonomen Nationalisten«, doch Berichte über ein Erstarken extrem rechter Gruppen in den Fankurven kamen auch aus Karlsruhe und von 1860 München. Besonders in den Fokus geriet jedoch die Eintracht aus Braunschweig, nach­dem dort Anfang Oktober die Ini­ti­a­tive gegen rechte (Hooligan-)Strukturen eine Broschüre na­mens »kurvenlage« veröffentlicht und in dieser zahl­reiche personelle Verflechtungen zwischen Teilen der Braunschweiger Fanszene und regionalen Neonazistrukturen angeprangert hatte.

Für Kenner_innen der Szene ist das jedoch keineswegs überraschend. Rechte Hooliganstrukturen mit personellen Überschneidungen zur organisierten Neonaziszene sind bei der Eintracht seit über 30 Jahren fester Bestandteil der Fanszene, und das östliche Niedersachsen als Ganzes hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten zu einer Region mit auffallend hoher Präsenz von rechten Kameradschaftsstrukturen entwickelt. Selbst ein Sprecher der Polizei sprach in einem Interview mit dem NDR davon, dass fast alles, was in der Broschüre zu lesen war, der Be­hörde seit langem bekannt sei, ebenso wie die Tatsache, dass es in der Braunschweiger Fan­szene etwa 20 bis 30 Angehörige der rechten Szene gäbe. Interessanterweise sprach Eintracht-Geschäftsführer Soeren Oliver Voigt ebenfalls gegenüber dem NDR von lediglich »maximal fünf, sechs, sieben Personen«. Der Verdacht liegt nahe, dass der Verein das Problem entweder unterschätzt oder aber kleinreden will.

Dass es ein Problem gibt, daran kann nach Lektüre der »kurvenlage«-Broschüre kein Zweifel bestehen. Über ein halbes Dutzend Fangruppierungen werden darin genannt und mehr als 20 Personen werden Verbindungen zur Neonaziszene nachgewiesen. Darüber hinaus werden für den Zeitraum seit 2007 mehr als 40 Vorfälle vom Rufen von Neonaziparolen über Einschüchterungsversuche bis hin zu körperlichen Angriffen auf Migrant_innen und Andersdenkende aufgelistet. Die Gruppennamen, die dabei fallen, sind immer wieder dieselben. Wo in der Braunschweiger Kurve das Problem zu suchen ist, lässt sich also eigentlich relativ genau lokalisieren.

Einer der zentralen Akteure ist die Hooligangruppierung »Alte Kameraden«, die bereits seit 1981 existiert. Oft fällt dabei der Name Martin Kiese, der in der Vergangenheit nicht nur als Eintracht-Hooligan, sondern auch als Ortsgruppenführer der neonazistischen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) aufgefallen war. Zum Umfeld der Gruppe soll auch Oliver Malina gehören, der dem Neonazinetzwerk »Honour & Pride« zugerechnet wird. Malina war es nach Angaben der Initiative auch, der am 23. Mai 2009 als Veranstalter eines Rechtsrockkonzertes in Schmedenstedt im Landkreis Peine in Erscheinung trat. Bei dem Konzert, auf dem unter anderem »Section 88« aus England auftraten, wurden auch mehrere Mitglieder der »Alten Kameraden« gesichtet.

Ebenfalls dem rechten Hooliganspektrum zuzurechnen ist die 2007 gegründete Gruppe »Kategorie Braunschweig«. Bei einem Fanmarsch nach dem Aufstieg in die 2. Bundesliga am 15. April 2011 waren es unter anderem Mitglieder dieser Gruppe, die rechte Parolen wie »Hier marschiert der Nationale Widerstand« anstimmten. Ein besonders auffälliges Mitglied der Gruppe ist Fabian Z., dem mehrere Angriffe auf antifaschistische Fußballfans und alternative Jugendliche zur Last gelegt werden. Im Juli 2011 war er zudem im Urlaub auf Mallorca an einem Angriff auf einen aus Nigeria stammenden Kellner im Lokal »Bierkönig« beteiligt, bei dem dieser schwer verletzt wurde. Doch auch andere Mitglieder der Gruppe fallen immer wieder auf – sei es durch das Zeigen des »Hitlergrußes«, Teilnahme an extrem rechten Demonstrationen oder Angriffen auf nicht-rechte Jugendliche.

Bei anderen Gruppen, wie den »Hornburger Jungs« (HJ) oder den »Nord Power Dogs« (NPD), die mittlerweile im Stadion als »Dogs BS« auftreten, ist die Nähe zur extremen Rechten ebenfalls offensichtlich. So saß etwa Thomas Kupferschmidt von den »Hornburger Jungs« zeitweilig für die NPD im Wolfenbütteler Kreistag und beim letzten Heimspiel gegen den FC St. Pauli trugen Mitglieder der »Dogs BS« – wie sie selbst auf ihrem Blog dokumentieren – eindeutig der rechten Szene zuzuordnende Kleidung. Ein Mensch auf dem Foto trägt eine »Thor Steinar«-Mütze, ein anderer einen »Deutschland gegen St. Pauli«-Schal.

Auch anderswo in der Fankurve wur­den an diesem Tag Kleidungsstücke mit rechten Symbolen wie zum Beispiel ein Schal mit »Reichskriegsflagge« gesich­tet. Wie es dazu kommen konnte, kann sich Karsten König vom »Fanprojekt Braunschweig« allerdings nicht erklären. Eigentlich ist so etwas auch im Braunschweiger Stadion verboten, erklärt er. Um solchen Vorkommnissen in Zukunft besser begegnen zu können, wurde aber bereits im Sommer beschlossen, die Ordner_i­n­nen besser zu schulen und auch die Stadionordnung zu überarbeiten. Ob dabei – wie mittlerweile in vielen Stadien üblich – auch die Marke »Thor Steinar« verboten werden soll, ist noch nicht raus. Alles in allem sieht König den Verein jedoch auf einem guten Weg: »Wir haben hier echt fiese Zeiten gehabt, aber spätestens seit der Einrichtung des Fanprojekts 2007 und der Installierung eines hauptamtlichen Fanbeauftragten hat sich einiges getan.«

In der Tat hat sich in Braunschweig Vieles verändert. Es muss dabei aber auch im Blick behalten werden, dass Braunschweig in der Vergangenheit eine der rechtesten und gewaltbereitesten Szenen des Landes hatte. Im Vergleich dazu sind 20 oder 30 Neonazis wirklich verhältnismäßig wenig. Die Frage, die bleibt, ist jedoch, wieso der Verein, dem sehr wohl bewusst ist, dass es hier um eine enorme Gefahr für sein Image geht, diese offenbar nicht in den Griff bekommt. Am fehlenden Willen scheint es nicht zu liegen, an der Bereitschaft eine klare Linie zu ziehen und auch dazu zu stehen schon eher. Wahrscheinlich hat Vorsänger Thilo Götz es im Interview mit dem Fußballmagazin »11 Freun­de« unfreiwillig treffend auf den Punkt gebracht: »Wir stören uns nicht daran, solange diese Leute uns nichts tun.« Es ist halt immer leichter Gewalt zu ignorieren, wenn sie sich gegen andere und nicht gegen eine_n selbst richtet.

Initiative gegen rechte (Hooligan-) Strukturen aus Braunschweig: Hintergrundinfos, Aktionen und Online-Version der Broschüre »kurvenlage« unter http://nonazisbs.blogsport.de/

Bestellungen der Print-Broschüre an: nonazisbs(a)riseup.de