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»Fussball ist nie unpolitisch«. Interview mit Gerd Dembowski

Einleitung

Gerd Dembowski, Aktivist im Netzwerk der Faninitiativen BAFF (»Bündnis aktiver Fußballfans«) und einer der Kuratoren der Ausstellung »Tatort Station – Rassismus und Diskriminierung im Fußball« über Rassismus im Station, die Lippenbekenntnisse mancher Vereinsfunktionäre und antirassistische Fanprojekte.

Bild: attenzione-photo.com

AIB: Kannst Du zunächst kurz skizzieren was der Inhalt der Arbeit von BAFF ist?

BAFF ist ein loses Netzwerk von ca. 40 Faninitiativen, die jedoch alle unter ihrem eigenen Namen agieren. Die hier assoziierten Gruppen beschäftigen sich nicht nur mit Rassismus und Rechtsextremismus im Fußball, sondern vertreten auch darüber hinaus die Interessen von Fans, wenn es z.B. um die restlose Kommerzialisierung der Fußball- und Stadionkultur geht. BAFF veranstaltet als Netzwerk im Jahr zwei Treffen für Faninitiativen, auf denen Kampagnen geplant und Probleme ausgetauscht werden.

Welche Ziele verfolgt Eure Arbeit?

Also Ziel ist ganz klar das Zurückdrängen von Rassismus und Rechtsextremismus in den Stadien. Das bedeutet sowohl Öffentlichkeitsarbeit, als auch die direkte Präsenz in den Stadien und den Kontakt zu Fans und Vereinen. So geben BAFF – Faninitiativen eigene Fanzines heraus, wo sich neben originären Fußballthemen auch antirassistische Inhalte wiederfinden. Viele Aktivitäten spielen sich aber inzwischen auch im Internet ab.

Seit mehr als 20 Jahren sind Fußballstadien in Europa Aktionsraum für rechte Fans und Rekrutierungsfeld für Neonazis, was die Ausstellung ja auch an Beispielen wie der »Borussenfront« zeigt. Wie würdest Du die Situation in den Stadien im Moment einschätzen?

Dazu eine allgemeine Aussage zu treffen ist schwer. Anfang der 1990er gab es einen enormen Aufschwung rechter und rassistischer Tendenzen im Fußball. Entgegen eines weitverbreiteten Eindrucks war dies nicht nur in Ostdeutschland der Fall. Inzwischen ist die Situation insoweit eine andere, als dass es nun schon seit Jahren eine Reihe von Fans und auch Initiativen gibt, die dem rechten Mob etwas entgegensetzen. Zudem treten rechtsextreme Fans nicht mehr ganz so offen wie früher auf. Die Vereine reagieren sensibler auf rechte Tendenzen. Auch wenn  manche Fanprojekte im Osten zugleich auf eine modifizierte Form der akzeptierenden Jugendarbeit setzen.

Wie ist die Rolle der Vereine im Umgang mit Rechtsextremismus zu bewerten?

Nach meinem Eindruck verhalten sich einige Vereinsfunktionäre ambivalent. Für viele Vereine ist Rassismus im Stadion ein Imageproblem. Die Sponsoren treten an die Vereine heran, weil es für das Produkt Fußball schädlich ist, ein schlechtes Image zu haben. Vieles geschieht aus Opportunismus, was egal wäre, wenn dahinter ein langfristiges antirassistisches Konzept stünde, was fast nie der Fall ist. Zu oft bleibt es bei Aktionen á la »Dem Rassismus die rote Karte zeigen!« für die Fotografen. Leider verstehen sich viele Fanprojekte nur als sozialpädagogische Begleitung von Fans. Dahinter tritt die notwendige Auseinandersetzung um rechte politische Inhalte zu oft zurück. Das hindert den DFB jedoch nicht daran, Fanprojekte in der Öffentlichkeit generell als antirassistische Maßnahme darzustellen– aus Imagegründen. Dennoch gibt es auch Vereine, die an einer kontinuierlichen antirassistischen Fanarbeit interessiert sind. Nur fehlt hier oftmals das Geld, obwohl es dafür Töpfe bei der UEFA gibt. Wird das Thema von Vereinen aufgegriffen, dann fast immer unter dem Motto Toleranz, Integration etc. Damit ist ziemlich unverhohlen Anpassung gemeint. Englische Fußballinis sind da weiter. Dort heißen entsprechende Projekt eindeutig: against rassism!

Welche Reaktion kamen auf die Ausstellung?

Viele Fans haben sehr positiv reagiert. Natürlich gab es auch viele Diskussionen mit Hooligans und Ultras, die immer betonten, wie unpolitisch sie seien. Denen war schwer zu vermitteln, dass es unpolitischen Fußball, unpolitisches Verhalten im Stadion in Bezug auf Rassismus nicht gibt. Für viele Fans ist die Ausstellung auch ein erstmaliger Anstoß, sich mal mit den Zuständen in ihrem Stadion zu befassen. Für die Ausstellung können wir uns vor Anfragen nicht retten, überlegen aber, manche Tafeln noch zu überarbeiten und zu erweitern.

Warum ist Fußball eigentlich ein so attraktiver Tummelplatz für rechte Hooligans und Neonazis?

Auch wenn es abgedroschen klingt: Fußball ist ein Spiegel der Gesellschaft, wo sich Woche für Woche Manager und Looser, Bürger und Chaoten, Arbeiter und Yuppies treffen. Also gibt es hier auch Neonazis. Zudem agieren sie im Stadion anonym, sie tauchen in der Masse unter und sind dennoch präsent. In gewisser Weise ist Fußball auch ein autoritäres Spiel. Er ist eine Art Kapitalismustraining. Was zählt ist Befehl, Gehorsam und der Sieg.

Welche Rolle spielt dabei, dass Fußball ein männlich dominierter Sport ist?

Klar, Fußball ist eine der letzten Männerdomänen, in der Männerbündelei, Härteideale und Schwulenfeindlichkeit unterschwellig immer abrufbar sind. Patriachiale männliche Identitäten werden im Fußball immer noch reproduziert, was auch daran zu erkennen ist, wie schwer es weibliche Fans oder der Frauenfußball haben.

Wie findest Du die Gründung von alternativen Fußballclubs wie z.B. den verschiedenen »Roter Stern« Vereinen, die es inzwischen gibt? Das ist ja auch der Versuch, der extremen Rechten eine Lebenswelt streitig zu machen. Ist es sinnvoll und machbar, über Fußball emanzipatorische Identitäten an Jugendliche zu vermitteln?

Ich finde es sehr wichtig, Jugendlichen auch im Bereich Fußball ein Identitätsangebot zu unterbreiten, das eine Alternative zur einer rechten Gruppensozialisation sein kann. Die Idee, sich aus der Leistungsideologie der Ligen auszuklingen, eine eigene sportliche Lebenswelt aufzubauen, ist ja nicht neu. Das fand sich schon in der Arbeitersportbewegung und in der jüdischen Sportbewegung der Weimarer Republik. Diese Entwicklung darf nur nicht zur Abschottung führen, sondern muss sich offen bleiben für die Ideen und Praxis junger Leute oder auch MigrantInnen.

Danke für dieses Gespräch und viel Erfolg für Eure Arbeit!