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Eine Brücke zum Faschismus – US-Wahlkampf mit rechten Hasstiraden

Max Böhnel, New York
Einleitung

Seit der New Yorker Immobilienmogul und Multimilliardär Donald Trump in den US-Wahlkampf eingestiegen ist, steigt seine Popularität in den Teilen der amerikanischen Bevölkerung, die sich auf keinen Fall eine Hillary Clinton oder einen Bernie Sanders, sondern unbedingt einen starken Republikaner ins Weiße Haus wünschen.

Foto: Gage Skidmore (CC BY-SA 2.0)

Seit Monaten steht Trump im Rennen der Kandidaten der "Republican Party" um die Nominierung für die Präsidentschaftskandidatur weit vorne. Das hat auch damit zu tun, dass nach dem Stand von Mitte März das Feld hinter ihm reichlich zersplittert ist. Eine „beängstigende Phase für diejenigen von uns, die die bürgerlichen Rechte und Freiheiten und die Demokratie selbst verteidigen“, nannte der bekannte linke Linguist Noam Chomsky den Vorwahlkampf mit Blick auf den „Trumpismus“. Im Juni 2015 sagte Trump bei einer seiner ersten Wahlkampfreden vor Tausenden, Mexiko sei „nicht unser Freund. Sie killen uns an der Grenze, und auch in Bezug auf Arbeitsplätze und Handel. Kämpft!“ Einen Monat später: „Die mexikanische Regierung drängt ihre am meisten unerwünschten Leute in die USA ab. Das sind in vielen Fällen Kriminelle, Drogenhändler, Vergewaltiger etcetera.“ Unangenehmen Fragen einer TV-Reporterin nach seinem Sexismus wich er zunächst aus, um sie dann später als unzurechnungsfähiges Opfer ihrer eigenen Menstruation abzufertigen. Im September bezeichnete er die USA als „Müllhalde für den Rest der Welt“ und schlug die Abschiebung von 11 Millionen undokumentierten Immigrant_innen, einschließlich ihrer Kinder vor, selbst wenn diese die US-Staatsbürgerschaft hätten.

Mit einer Reihe von ebenso polternden wie widersprüchlichen Äußerungen forderte er später die flächendeckende Überwachung von Muslimen und Flüchtlingen. Kurz darauf schlug Trump die Kennzeichnung und Re­gis­trierung von Muslimen in einem Bun­des­register vor — eine Maßnahme, die so sehr an den Nationalsozialismus erinnerte, dass er sie auf einen Aufschrei in der Öffentlichkeit hin zu einer von mehreren „Möglichkeiten“ herunterredete. Auf einer Registrierung von Flüchtlingen aus Syrien blieb er aller­dings bestehen. Die Liste des Trump’schen Nach-Unten-Tretens ging weiter: Auf einer Veranstaltung äffte er den behinderten „New York Times“-Reporter Serge Kovaleski nach. Mehrmals machte er sich über Zwischenrufer und „Störer“ seiner Tiraden lustig. Das ging bis zum Aufruf zur Gewalt: „Zur Hölle raus mit ihm, schmeißt ihn raus“, rief er im frühen Winter seinen Anhängern zu, als ein junger Afroamerikaner ein Protestschild hochhielt. Vor laufenden Kameras umringten ihn daraufhin weiße Männer mittleren Alters, bevor sie ihn zu Boden traten und schlugen. Trump schwieg den Vorfall nicht tot, sondern rechtfertigte ihn vielmehr im rechten Fernsehsender Fox mit den Worten „Vermutlich musste er aufgemischt werden, denn es war abolut ekelhaft, was er tat.“

Egal, welche sexistischen, rassistischen, antiislamischen und Einwanderer feindlichen Tiraden Trump  absondert — seine aus Sicht der fassungslosen Mainstream-Republikaner kontraproduktiven Geschmacklosigkeiten stoßen in wichtigen Wählersegmenten der USA auf Zustimmung. Dabei handelt es sich häufig um Menschen, die sich schon um das Jahr 2010 herum (Obama war zwei Jahre im Amt) als rechte „Tea Party“-Bewegung ihre Wut, ihre Verschwörungstheorien und ihren Rassismus  auf die Straßen trugen. Der langjährige Mitarbeiter des antifaschistischen „Southern Poverty Law Center“ Mark Potok beschrieb in der jüngsten Publikation der Organisation dieses Milieu der „radikalen Rechten“ (von „hate groups“ a la Ku-Klux-Klan über regierungsfeindliche bewaffnete Milizen wie jüngst die „Besetzer“ eines Nationalparks in Oregon bis eben zu Besuchern von Trump-Wahlkampfveranstaltungen) folgendermaßen:

Die weiße Arbeiterklasse in Amerika steht immer mehr unter Druck. Die Reallöhne sinken seit Jahren, die Selbstmordrate und die Zahl der Drogentoten steigen dagegen weiter an. Für Lohnabhängige mit einem niedrigen Bildungsstand ist es schwierig geworden, sich einen Lebensunterhalt zu erarbeiten. Die Einkommensungleichheit befindet sich auf einem historischen Hoch. Natürlich gilt dies für nicht-weiße Minderheiten in einem noch schärferen Ausmaß. Aber der Druck auf Weiße, die historisch gesehen im Vergleich zu Minderheiten privilegiert waren, erzeugt eine echte Wut“.

Die Medien lassen Trump, je mehr Vorwahlerfolge er mit seiner Sündenbock-Rhetorik einheimst, inzwischen als „Teil des demokratischen Wahlprozesses“ gewähren und konfrontieren ihn nur noch gelegentlich mit bohrenden Nachfragen. Da Trump im Gegensatz etwa zu Silvio Berlusconi in Italien die Medien nicht kontrolliert, wäre es ein Leichtes für sie, gegen ihn eine koordinierte Kampagne nach dem Motto „Widerstand der Anständigen“ zu organisieren. Aber das wird nicht einmal diskutiert.

Das Phänomen Trump steht jedoch nicht alleine. Auch andere namhafte Republikaner heizen die rechte Stimmung immer wieder an. Laut Mark Potok „speisen Trump und andere Kandidaten immer mehr rechte Hass-Tiraden in den Wahlkampf ein, je weiter die Establishment-Republikaner ihre Kritik zurückhalten“. Andere springen auf den Trump-Zug auf. So äußerte etwa Ben Carson, er halte den Begriff „Waffenkontrolle“ für „weitaus verstörender“ als eine von Kugeln durchsiebte Leiche. Ted Cruz behauptete, bei dem rechten Mörder von drei Angestellten einer Abtreibungsklinik handele es sich um „einen linken Transgender-Aktivisten“. Das Wahlkampfbüro in Alabama von Marco Rubio wird von einem Mann geleitet, der der Meinung ist, Obamas Vater sei ein „kommunistischer Kinderschänder“.

Egal, ob die Rhetorik von Frontrunner Trump und Konsorten faschistisch oder rechtspopulistisch genannt wird, egal ob und wie die Grenzen des bürgerlichen Geschmacks immer wieder überschritten werden — mit seinen Auftritten vor Anhängern und Neugierigen verschafft sich Donald Trump mit Ausfällen gegen „die Eliten“, „die Politiker“ und „das korrupte System“ am meisten Applaus. 

Cas Mude, ein Sozialwissenschaftler von der University of Georgia, der sich auf internationale rechte Bewegungen spezialisiert hat, beschrieb den Trumpismus in der „Washington Post“ als eine typische Form von Rechtspopulismus amerikanischer Aus­prägung. Seine Ideologie und Rhetorik sei mit der niederländischen „Partei für die  Freiheit“ von Geert Wilders, Le Pens „Front National“ und der „Dänischen Volkspartei“ zu vergleichen. Sie würden alle mit extrem rechten Themen flirten, seien aber trotz ihrer Rhetorik, die das „Andere“ ausschließt, trotz ihres Nationalismus und ihrer „nativistischen“ Slogans (eine angeblich glorreiche Vergangenheit, die von der Regierung, den Muslimen, den Mexikanern und einer homosexuellen Kulturhegemonie zersetzt und bedroht werde) keine ausgeprägten neofaschistischen Bewegungen. Cas weiter: „Die Schlüsselelemente der rechtsextremen populistischen Ideologie — Nativismus, Autoritätsfixiertheit und Populismus — entstammen der Mainstream-Ideologie und einem massenhaft verankerten Bewusstsein.“ Am Besten beschreibt man sie wohl als Radikalisierung von Werten des bürgerlichen Mainstreams und eine Brücke zum Faschismus.