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Groß-Events der rechten Musikszene in Italien

Einleitung

Seit Jahren gilt Italien als Mekka der extrem rechten Musikszene Europas. 2015 konnten rund 130 Konzerte registriert werden, für 2016 wurden bis jetzt — einschließlich der bereits durchgeführten —  fast 60 beworben. Selten stoßen diese auf wirksamen Widerstand seitens antifaschistischer Initiativen und auch staatliche Behörden versuchen wenig, um sie zu unterbinden. Dazu kommt, dass viele Club-BetreiberInnen keine Berührungsängste mit der rechten Szene zu haben scheinen, wodurch den VeranstalterInnen auch größere Räume zur Verfügung stehen. Die folgenden, kürzlich stattgefundenen Groß-Events stehen beispielhaft für das Netzwerk, welches sich besonders in Norditalien etablieren konnte.

Konzert Tickets für das "Hot Shower" Festival 2016.

20 Jahre „Italian Hammerskins“

Versuchen wir den Großteil der Konzerte geografisch zu lokalisieren, landen wir unausweichlich in der Lombardei. Eines der Prestige-Objekte der Szene, das „Skinhouse Milano“, wird dort seit Jahren von der italienischen Sektion der „Hammerskins“, kurz HS1 , betrieben. Auch nach dem Umzug ins Mailänder Viertel Bollate bietet das „Skinhouse“ Platz für Partys und Konzerte mit europaweiter Bedeutung. Da das für den 29. November 2015 angekündigte „Hammerfest“, zum 20-jährigen Bestehen der „Italian Hammerskins“ (IHS), weit über 1.000 Personen anlocken würde, griffen die Veranstalter auf die Disko „Galimiba’s Space“ im Bezirk Rogoredo zurück. Diese war schon 2013 und 2014 Austragungsort des „Hammerfestes“.
Beispiellos wurde jedoch das Spektakel in 2015 beworben. Die Mobilisierung als „Facebook-Event“ ließ zahlreiche Einblicke zu, u.a. dass sich Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet auf den Weg machen würden, um die deutschen RechtsRock-Urgesteine „Division Germania“ und „Frontalkraft“ — nebst fünf italienischen Bands und „Whitelaw“ aus England — spielen zu sehen.
Aus Thüringen warb die Neonazi-Liedermacherin Sandra Knieling aus Schmalkalden für eine Busreise. Der ehemals in Berlin aktive Neonazi Sebastian Dahl war in der Reisegruppe ebenso zugegen, wie der thüringische Neonazi Tommy Frenck.
Rund 35 Personen, darunter die Musiker von „Frontalkraft“ aus Cottbus, die Berliner „Hammerskin“-Sektion (ehemals Bruderschaft „Wolfs Hook“ 2 und diverse Neonazis aus Sachsen und Brandenburg — unter anderen der Potsdamer Daniel Hintze, Schlagzeuger der Band „Preussenstolz“ — zogen es vor, bereits am Freitag von Berlin-Schönefeld nach Mailand zu fliegen.
Der Rest der rund 150 Konzertbesucher aus Deutschland reiste mit dem Auto an. Für zehn Autos wurde das laut eigenen Aussagen zum Nachteil, denn Antifa­schist_innen hatten deren Parkplatz entdeckt und für Glasbruch gesorgt. Kaum verwunderlich, denn das angrenzende „Hotel Europa“ wird seit Jahren von lokalen Neonazis genutzt, um ausländische Konzertbesucher unterzubringen.
Das „Hammerfest“ selbst war mit 1.500 Personen überdurchschnittlich gut besucht. Neben den deutschen HS-Sektionen Berlin, Bayern, Sachsen und Franken — letztere vertreten durch Frank Zu. — fanden sich größere Delegationen der Bruderschaft aus der Schweiz und Portugal ein. Nicht zuletzt standen auch Mitglieder der „Hammerskins“ auf der Bühne, etwa Andreas Koroschetz, Sänger der Band „Division Germania“. Teil dieser bundesweit zusammen gewürfelten Band war dieses Mal auch der bei Chemnitz lebende Mirko Szydlowski, alias Liedermacher „Barny“ und der im „AB-Mittelhein“-Verfahren (vgl. AIB Nr. 94) angeklagte Philipp Neumann, alias Liedermacher „Flak“. Erwähnenswert ist auch die Teilnahme des NPD-Kreisvorsitzenden Dominik Stürmer aus der Ostalb, der auf einem Foto aus Mailand zu sehen ist, wie er den rechten Arm hebt. Events wie dieses bieten den „Hammerskins“ reichlich Erträge, dienen dem Austausch und stärken die Identität. Und, durch die Stilisierung zum Event und durch das Aufbrechen der Konspirativität erlangen solche Veranstaltungen einen Charakter, der zum einen die Gefährlichkeit des Netzwerkes verwischt, zum anderen aber dessen Status als ernstzunehmende Konstante im RechtsRock-Geschäft untermauert — in Konkurrenz zu den verbliebenen „Blood & Honour“-Strukturen. Eine ähnliche Konstante lässt sich auch bei folgendem Event erkennen.

„Hot Shower Fest“ — ein fester Termin im NS-Black Metal

Ein Totenkopf der Waffen-SS mit einem illus­trierten Schnurrbart teilt dem Ticketbesitzer mit, dass er ein Freigetränk erhält, sollte er „einen Schnurrbart wie ein richtiger Mann und nicht wie ein Hipster“ auf dem Konzert tragen. Ein Bild jenseits des satanischen, misanthropischen Images des Black Metal, welches schon fast selbst-ironisch für das „Hot Shower 5“ wirbt.
Zumindest für Außenstehende, denn hinter den Vorhängen ist das größte NSBM-Konzert Europas kaum an Anti-Humanismus und NS-Verherrlichung zu überbieten.
Knapp 900 NS-Black Metaller aus ganz Europa bekamen die „Elite“ des NSBMs im „Elyon Club“ im Mailänder Vorort Rozzano Anfang April geboten. Der Saal soll sogar vergrößert worden sein, dass Platz für „6 Millionen mehr“ ist. Eine Anspielung eines der Veranstalter auf die 6 Millionen Juden und Jüdinnen, die durch das NS-Regime vernichtet wurden. Der Club ist bereits durch andere rechte Konzerte bekannt: 2013 ging hier das bisher letzte Konzert der deutschen NSBM-Größe „Absurd“ über die Bühne, wie auch das „Hot Shower 3 1/3“ in 2014.
„Il Colonello“, Sänger der italienischen Band „Frangar“ ist Hauptorganisator des Events, wobei er, wie bereits bei den vorangegangenen Konzerten, Hilfe vom dem in Berlin lebenden Neonazi Hendrik Möbus bekam3 . Über den von ihm und Christian Sch. betriebenen Versand „Merchant of Death“ lief auch der Verkauf der Tickets, stolze 35 Euro pro Stück. Möbus Kontakte sorgen auch dafür, dass das Urgestein des polnischen NSBM, Robert Fudali alias „Rob Darken“, seinen ersten Auftritt mit seiner seit 1991 als Solo-Projekt bekannten Band „Graveland“ auf dem „Hot Shower“ spielte.
Ebenso stand „Leichenzug“ auf der Bühne. Mit Liedern gegen Pädophilie und die „judeo-christliche Weltordung“ ist das Projekt um den Zwickauer Paul Morgenstern ein regelmäßiger Gast auf NSBM-Konzerten. Und auch wenn Morgenstern — der auch als Schlagzeuger bei der NS-Hardcore Band „Brainwash“ mitwirkt — diesmal keinen „Absurd“-Song coverte, flogen in Mailand die Arme zum Hitler-Gruß. Ein Ritual, welches Hendrik Möbus — der unter dem Pseudonym „JFN“ im Black Metal Forum „New Black Order“ schreibt — folgend zu erläutern weiß: „Endlich wieder Winke-Winke machen und altbekannte Beschwörungsformeln aus vollen Lungen brüllen. Das Hot Shower ist immer so etwas wir ein Befreiungsritual, wo jeder die deutsche Sau ordentlich rauslassen kann (...).“            
In diesen Tenor stimmte auch die finnische Band „Goatmoon“ ein, deren Sänger Jaakko Lähde mit einem auf sein Gesicht gemalten Hakenkreuz die Bühne betrat. Das Publikum huldigte ihm mit Hitler-Grüßen. Ein ähnliches Bild bot sich bei den Bands „Baise Ma Hache“, „Frangar“ und „White Death“. Den Sicherheitsdienst übernahmen die „Hammerskins“, wie schon bei den zurückliegenden Konzerten. Dieser Kontakt kommt nicht von ungefähr, denn bereits 2013 wurden die Räumlichkeiten des „Skinhouse Milano“ für das zweite „Hot Shower Fest“ genutzt.
Für 2017 wird bereits das „Hot Shower 6“ beworben,  u.a. mit „Naer Mataron“, deren Bassist Giorgos Germenis für die griechische Neonazi-Partei „Golden Dawn“ im Parlament saß.

Schlechte Aussichten

Die RechtsRock-Szene bereitet sich indes auf das viertägige „Ritorno a Camelot 2016“ im September vor, auf dem auch die deutschen Bands „Kraft durch Froide“ (Berlin) und „Sachsonia“ spielen sollen.
Der Norden Italiens bleibt so ein stabiler Garant für extrem rechte Konzerte, sollten antifaschistische Gruppen dem Treiben auch weiterhin (fast) tatenlos zusehen. Besonders für deutsche Neonazis erschließt sich durch die geringe räumliche Distanz eine Erlebniswelt, wie sie hierzulande — selbst bei Besucherzahlen von über 3.000, wie beim „Rock für Identität“ im Mai diesen Jahres — unvorstellbar ist. Zu streng ist das Reglement der deutschen Behörden, sei es beim Ausschank alkoholischer Getränke oder in Bezug auf indizierte Musik, verbotene Symbole oder Gesten. In Italien, jenseits der Alpen, ist „Winke Winke“ machen und exzessive Volksverhetzung nur „Business as usual“. Bisher.