„Satansmörder“ als Neonazi-Netzwerker
Jahrelang konnte der Neonazi Hendrik Möbus, Szeneikone des „National Socialist Black Metal“ (NSBM) und bundesweit bekannt geworden als „Satansmörder von Sondershausen“, ungestört von Berlin aus seinen rechten Versand- und Labelaktivitäten nachgehen. Dabei baute er nicht nur ein internationales Netzwerk auf, sondern betätigte sich auch mehrfach als Konzertorganisator in unterschiedlichen europäischen Ländern. Antifaschist_innen wollen jetzt den Druck auf Möbus und sein Berliner Netzwerk erhöhen.
Wie ein roter Faden zieht sich die Personalie Hendrik Möbus durch die Berichterstattung des Antifaschistischen Infoblatts: Den Auftakt bildet der medial vielbeachtete Mord im thüringischen Sondershausen an dem 15-jährigen Schüler Sandro Beyer im Jahr 1993. Er brachte Möbus den Beinamen „Satansmörder“ und zusammen mit seinen Komplizen Sebastian Schauseil und Andreas Kirchner eine mehrjährige Haftstrafe ein. Zudem erlangte ihre gemeinsame Band „Absurd“ in der Black-Metal Szene Kultstatus. (Vgl. AIB 49) Es war die Zeit, in der sich der sogenannte NS Black-Metal als extrem rechter Flügel in der Szene vor allem in Skandinavien herausbildete und europaweit verbreitete. Vordenker war dabei Kristian „Varg“ Vikernes von der Band Burzum, nachdem er 1993 wegen Mordes an seinem ehemaligen Weggefährten und Brandstiftung inhaftiert wurde. Er verwies auf die „jüdischen Wurzeln“ des in der Szene verhassten Christentums, aus der bei einigen Anhängern eine Verehrung von SS, Drittem Reich und dem Holocaust resultierte.
Möbus, der schon in seinem ersten Prozess vom NPD-Anwalt Peter Stöckicht vertreten wurde, sympathisierte ebenfalls mit diesen Ideen und formte während der Haftzeit sein neonazistisches Weltbild aus. Zudem produzierte er mit seinen Mittätern während der Inhaftierung heimlich weitere Aufnahmen von „Absurd“ (unter dem Tarnnamen „In Ketten“). Ein Foto vom Grab des Mordopfers diente als Titelbild der EP. Ungeachtet dessen kam Möbus nach fünf Jahren im September 1998 vorzeitig aus der Haft, versuchte seine Popularität zu vermarkten und stieg sofort ins rechte Musikbusiness ein. Gemeinsam mit seinem Bruder Ronald Möbus hatte er schon 1994 das Label „Darker than Black“ (DTB) samt Versand gegründet, das sich schnell zum wichtigsten NSBM-Vertrieb im bundesdeutschen Raum entwickeln sollte. Unterstützt wurden sie dabei auch vom Gründer der sächsischen Hammerskins und Verfassungsschutzspitzel Mirko Hesse, der DTB kurzzeitig aufkaufte und zum Sublabel seines Unternehmens „Hate Records“ machte.
Parallel dazu schien die skandinavische Szene weiterhin ein Vorbild für Möbus geblieben zu sein. Direkt nach der Haftentlassung gründete er den Verein „Deutsche Heidnische Front“, einen Ableger der auf Vikernes zurückgehenden völkischen Organisation „Allgermanische Heidnische Front“. (Vgl. AIB 49) In diese Zeit fällt auch die Entstehung des bis heute aktiven internationalen NSBM-Netzwerks „Pagan Front“. Es wurde 1998 von Möbus, Rone Rehal (USA), Witek Slusarz (Polen), Illia Babin (Russland) und anderen Neonazis gegründet, um „den NSBM zu einem Teil der White-Power-Szene zu machen“. Bis heute ist diese internationale Vernetzung diverser Bands, Labels und Fanzines für die Organisation von rechten Festivals und Konzerten relevant. Für die Pagan Front schrieb Möbus 2001 auch eine Art Definition des NSBM, in der es heißt: „Diejenigen, die NSBM als ‚Musik-Genre‘ verstehen, wissen nichts davon“, denn der „NSBM ist die Quintessenz des hörbaren wiedergeborenen Nationalsozialismus“ und diene daher nicht der Unterhaltung, sondern ist „das Bemühen, das Publikum dazu zu zwingen, Maßnahmen zu ergreifen.“ Konkret bedeutet das für ihn: „Ein Ruf zu den Waffen“.
Doch die Aktivitäten von Möbus wurden schnell ausgebremst: Da er bei einem Absurd-Konzert 1998 auf der Bühne den Hitlergruß zeigte, sein Mordopfer öffentlich als „Volksschädling“ bezeichnete und bei einer Razzia in seinem DTB-Label 1999 diverse NS-Propaganda sichergestellt wurde, folgten nicht nur ein Bewährungswiderruf, sondern auch weitere Verurteilungen. Möbus floh daraufhin in die USA und tauchte beim Gründer der National Alliance William Pierce unter. Allerdings wurde er im August 2000 festgenommen und wenige Monate später zum Absitzen seiner Strafe nach Deutschland abgeschoben. (Vgl. AIB 51) Erst Im Frühjahr 2007 sollte er wieder aus der Haft entlassen werden.
Zusammen mit dem Thüringer Neonazi Christian Sch. aus Jena, der gemeinsam mit Möbus inhaftiert war, zog er daraufhin nach Berlin-Plänterwald, um von dort das DTB-Label fortzuführen und einen dazugehörigen Internetversand namens „Merchant of Death“ zu etablieren. Zudem betätigen sich beide bis heute unter dem Namen „Totentanz Konzerte“ als Neonazi-Eventmanager. Organisierten sie ihre Konzerte anfänglich noch in verschiedenen ostdeutschen Städten (vor allem in Thüringen und Sachsen), zogen sie nach mehreren polizeilich untersagten Veranstaltungen das nähere europäische Ausland vor.
Mehrfach fanden im kleinen tschechischen Grenzort Zatec sowie im italienischen Mailand, in Kooperation mit den örtlichen Hammerskins, NSBM-Konzerte sowie eine Veranstaltungsreihe in Finnland statt. Das letzte Konzert war Anfang November das mittlerweile dritte alljährliche „Hot Shower Fest“ in Mailand mit Szenegrößen wie Goatpenis (Brasilien), Goatmoon (Finnland), Frangar (Italien) und anderen. Zurückgreifen können die beiden für ihre Events auf Verbindungen, die sie über ihr DTB-Label — mit diversen internationalen NSBM-Bands unter Vertrag und einer Dependance in Brasilien — haben, sowie durch Netzwerke wie der Pagan Front.
Auch auf lokaler Ebene blieben beide nicht untätig, Möbus und sein Kumpane Christian Sch. sind auch mit der regionalen Berliner Neonaziszene vernetzt. Dabei unterstützten sie in der Vergangenheit Neonazi-Gruppen wie die Berliner NPD oder das militante Netzwerk "Nationaler Widerstand Berlin" (NW-Berlin) durch die Herstellung von Textilien in ihrer Siebdruckwerkstatt. Auch für den mittlerweile geschlossenen Szeneladen „Hexogen“ des Berliner NPD-Chefs Sebastian Schmidtke in Schöneweide hatten sie Kleidung bedruckt. Schmidtke, Möbus und Christian Sch. verbindet nicht nur eine geschäftliche, sondern auch eine freundschaftliche Beziehung, die sich unter anderem in gemeinsamen Konzertbesuchen zeigt. Ähnlich verhält es sich mit der Berliner "Ring Nationaler Frauen" (RNF) -Vorsitzenden Maria Fank, die ebenfalls mit beiden befreundet ist.
Im Rahmen der Tonträgerproduktion arbeiteten Möbus und Christian Sch. mehrfach mit dem Friedrichshainer Nikolas B. zusammen, der im Ortsteil Lichtenberg das sogenannte „Abgrund Tonstudio“ betreibt und hier mehrere Bands des DTB-Labels betreute. Darunter die vergleichsweise neue Band unter dem DTB-Label „Satanachist“, ein deutsch-griechisches NSBM-Projekt um den Χρυσή Αυγή / Chrysi Avgi-Aktivisten Nick Giohalas („Jarl von Hagall“).
Zum Berliner Kreis um Möbus und Christian Sch. gehören auch der IT-Techniker Dennis W. sowie Manuel M. Während Dennis W. in den letzten Wochen vor allem durch die regelmäßige Teilnahme an Aufmärschen gegen geplante Asylunterkünfte auffällt, hält sich Manuel M. im Hintergrund seitdem ein Dossier des Verfassungsschutz öffentlich wurde. Darin zählt ihn die Polizei zu einer Zelle von Berlin/Brandenburger Neonazis, die militante Anschläge auf türkische und jüdische Einrichtungen plante. Die Ermittlungen waren 2001 gescheitert, weil Neonazis die Observation bemerkt hatten. Bei einer daraufhin durchgeführten Razzia fanden die Beamten bei dem ehemaligen Betreiber der Schöneweider Neonazi-Kneipe „Zum Henker“, Paul Stuart Barrington dennoch diverse Bombenbauanleitungen und eine fünfseitige Adressliste jüdischer Einrichtungen. (Vgl. AIB Nr. 96) Manuel M. kam mit einer Gefährderansprache davon.
Christian Sch. verkehrte schon während seiner Zeit in Jena in militanten Neonazikreisen. Am 10. Oktober 1998 beteiligte er sich mit 43 anderen Thüringer Neonazis an einer unangemeldeten konspirativ geplanten Kundgebung vor der Wohnung des in rechten Kreisen verhassten Jugendpfarrers Lothar König. Die Polizei nahm damals alle Teilnehmer in Gewahrsam, unter ihnen auch Neonazis die zum NSU-Unterstützerkreis gezählt werden, wie André Kapke (Thüringer Heimatschutz und KS Jena) und der V-Mann Tino Brandt (THS). Am 1. Mai 2000 geriet Christian Sch. im Zusammenhang mit einer verbotenen Demonstration in Jena mit den NSU-Unterstützern Ralf Wohlleben, Tino Brandt, André Kapke und Carsten Schultze in eine Fahrzeugkontrolle auf der Autobahn und landete in Unterbindungsgewahrsam. Im Münchener NSU-Prozess wurde auch die Verbindung von Sch. zu Stephan A., dem Cousin Beate Zschäpes thematisiert, der zur Clique um das spätere Terrortrio zählte.
Genau diese Verbindungen nahmen Berliner Antifaschist_innen zum Anlass für eine Kundgebung am diesjährigen Jahrestag der NSU-Selbstenttarnung, um vor den Wohnungen der beiden in Plänterwald zu protestieren. Christian Sch. versuchte eine Gegenkundgebung zu organisieren, die von Maria Fank angemeldet wurde. Allerdings fiel diese mangels Beteiligung und weil die NPD-Technik zum kurzfristig angesetzten Bundesparteitag gebraucht wurde, ins Wasser. Stattdessen verschanzten sich Möbus und Sch. mit Dennis W. und einem weiteren Neonazi in ihrer Wohnung.
Die Kundgebung ist nur ein Teil einer antifaschistischen Kampagne gegen den Neonaziversand und das Berliner NSBM-Netzwerk. Möbus selbst beklagt sich in einem internen NSBM-Forum über die Aktivitäten gegen ihn: „Innerhalb von einem halben Jahr wurde mir zwei Autos abgebrannt, ich erhalte Todesdrohungen per Graffiti an meine Hauswand gesprüht; mein Foto plus Anschrift plus aberwitziger Behauptungen schickt man nicht nur durch den Äther, sondern plakatiert damit sogar die Nachbarschaft. Von dem Rattenschwanz […] ganz zu schweigen.“