NPD: Seriös in die Bedeutungslosigkeit
Die NPD schlittert von Wahlniederlage zu Wahlniederlage und die Führungsebene ist wieder dringend auf der Suche nach strategischen Alternativen. Vor allem die geringe Personalbasis und die AfD machen der Partei dabei zu schaffen.
Eigentlich hat sich bei der NPD nicht viel verändert: Ihre Funktionäre versuchen, die Partei und die eigene Strategie erfolgreicher zu reden als beides ist, und die Wirklichkeit beweist ihnen das Gegenteil. Noch auf dem Bundesparteitag der NPD in Weinheim im November 2015 verstieg sich der ehemalige Generalsekretär der Partei, Peter Marx, zu der These, die NPD könne bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt sechs Prozent und in Mecklenburg-Vorpommern gar zwölf Prozent erreichen. Im März 2016 sah dann — eine Woche vor der Wahl — auch der Parteivorsitzende Frank Franz bei einer Pressekonferenz gute Chancen für den Einzug in das Landesparlament von Sachsen-Anhalt. So hätten die kurz zuvor teils zweistelligen Ergebnisse der NPD in wenigen Kommunen in Hessen ja gezeigt, dass die Partei nicht bedeutungslos sei. Fast peinlich wirkte dann auch die Vorstellung eines Plakates, auf dem die NPD warb, man möge bei der Landtagswahl der AfD die Erststimme und der NPD die Zweitstimme geben. Die „Partei der Normalität“, wie Franz die NPD nennt, versucht um jeden Preis, mediale Aufmerksamkeit zu generieren. Noch während der Pressekonferenz erhielten Journalisten das Dementi der AfD: die gemeinsame Werbung sei nicht abgesprochen. Die Ergebnisse der Landtagswahl zeigten dann gut die derzeitigen Verhältnisse am rechten Rand des Parteienspektrums: Die NPD sackte von 4,6 Prozent auf 1,9 Prozent ab, und die AfD triumphierte mit 24,3 Prozent und ihrem bisher besten Ergebnis.
Auch das Verbotsverfahren ist bei weitem nicht die Bühne, als die sie die NPD gern genutzt hätte. Mediale Aufmerksamkeit verschaffte es der Partei gewiss, doch auch hier dürfte die NPD nicht gerade positive Auswirkungen erwarten. Vielmehr zeigte sich während des Verfahrens, dass sogar die Gutachter die NPD für teils bedeutungslos halten. Die Richter scheinen außerdem die Hürde für ein Verbot höher anzusetzen als nur bei der Frage, ob der Partei eine Wesensverwandtschaft zum Nationalsozialismus oder demokratiefeindliche Bestrebungen nachzuweisen sind. Damit könnte die NPD von ihrer derzeitigen desolaten Lage profitieren, ganz nach dem Motto: Zu bedeutungslos für ein Verbot.
Im September steht nun mit der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern die nächste und wichtigere Wahl für die NPD 2016 an. Hier verfügt die extrem rechte Partei über ihre letzte Landtagsfraktion und damit über eine wichtige Einnahmequelle und einen Ausbildungsort für ihre Funktionäre. Der Verlust der Fraktion, die aus fünf Abgeordneten besteht, wäre wohl die endgültige Wegmarke für den Sturz der Partei ins Bodenlose. Der NPD blieben schlussendlich noch rund 350 Abgeordnete in den Kommunalparlamenten und mit dem ehemaligen Parteivorsitzenden Udo Voigt noch ein Mandat im Europaparlament.
Von allen Seiten in Bedrängnis
Von den aktuellen Debatten rund um die gestiegene Zahl von Geflüchteten und dem damit wahrnehmbar wiedererstarkten Rassismus in der „Mitte der Gesellschaft“ kann die NPD derzeit nicht wirklich profitieren. Auf dem Bundesparteitag im November 2015 gab Frank Franz an, die Mitgliederzahlen der Partei seien um 8 bis 10 Prozent gestiegen und die Partei habe nun rund 5.200 Mitglieder. Damit hätte sich die Partei auf einem Niveau stabilisiert, über welches sie bereits zu Zeiten von Holger Apfel als Vorsitzendem verfügte. Dies würde aber gleichzeitig bedeuten, dass die NPD zwischenzeitlich deutlich unter 5.000 Mitglieder hatte.
Mit der „seriösen Radikalität“ eines Holger Apfel, die unter Frank Franz zum „aufgeklärten Nationalismus“ wurde, und dem Auftreten der AfD hat die NPD ihren Platz am rechten Rand des Parteiensystems verloren. Auf der einen Seite zieht ihr die AfD große Teile des WählerInnenklientels ab und auf der anderen Seite können besonders die radikalen neonazistischen Kräfte mit der NPD nicht mehr viel anfangen. Zusätzlich haben sich mit den Parteien „Die Rechte“ und „Der III. Weg“ radikalere Alternativen gebildet, welche das aktionsorientierte Potential der Szene eher ansprechen. Dies zeigt sich in den letzten Jahren nicht zuletzt auch an den bundesweiten Demonstrationen am 1. Mai. Das aktionsorientierte Spektrum und darunter auch zahlreiche NPD-Funktionäre zieht es eher zum „Der III. Weg“ als zur eigenen Partei. Damit ist die NPD zwischen den neonazistischen Kleinstparteien und der AfD gefangen und hat ihren angestammten Platz als Integrationspunkt der extremen Rechten verloren.
Auch die Verlagerung der Parteipropaganda in die digitale Welt ändert daran nichts. Das neue YouTube-Format "Deutsche Stimme TV" („DS-TV“) der NPD, eine Art verfilmte Parteizeitung, kommt bei den meisten Beiträgen nicht über 10.000 Klicks hinaus und verharrt bei vielen sogar unter 5.000. Bedenkt man, dass die Videos auch über Facebook verbreitet werden, wo allein der Bundesverband über 160.000 Likes hat, eine eher schlechte Bilanz.
Neue Strategie-Diskussion
Im Mai 2016 fand sich dann eine erste öffentliche Reaktion des Parteivorsitzenden auf die schlechten Wahlergebnisse und den Zustand der NPD in der Parteizeitung "Deutsche Stimme". Unter dem Titel „Wie weiter?“ skizzierte Franz die Probleme der Partei aus seiner Sicht und deutete erste Maßnahmen an. Bereits mit der Überschrift knüpft Franz an einen seiner Strategietexte aus dem April 2011 an. Für Franz sind aktuell mehrere Faktoren für den Misserfolg der NPD verantwortlich. Innerparteilich seien es vor allem die „Mehrfachbelastungen“ des Personals, was auf die weiterhin dünne Personaldecke der NPD vor allem im Bereich der Führungskräfte verweist und die Strukturschwäche der Partei. Daneben habe die „anhaltende Verbotsdebatte“ die Partei „selbstverständlich geschwächt“, wie Franz einräumt. Hatte Franz im März noch behauptet, es gäbe genug Platz für zwei „patriotische Parteien“, also NPD und AfD, so macht er kaum zwei Monate später die AfD mitverantwortlich für das schlechte Abschneiden der eigenen Partei bei den zurückliegenden Wahlen. Fast etwas resigniert klingt dann auch sein Fazit in Bezug auf AfD und Verbotsverfahren: „Wir können an diesen beiden Punkten nahezu nichts ändern.“
Vielmehr will er weiter an einer „seriösen Strategie“ der NPD festhalten und den Weg zum „Normalbürger“ finden. Dazu gehöre auch eine bessere Wähleransprache und ein geringerer Fokus auf die „Abstammungsfrage“, da diese „in keiner Weise wahlentscheidend“ sei. Daneben will Franz nicht mehr jede Wahl mit Mitteln bezuschussen, sondern Schwerpunkte setzen. Jenseits der Bundestagswahl 2017 soll also jeweils entschieden werden, wo die NPD mit allen zur Verfügung stehenden Ressourcen in den Wahlkampf zieht. Neben dem Strukturausbau soll außerdem weiter auf eine Verankerung vor Ort gesetzt werden. In diesem Zuge kündigt Franz eine Mitgliederkampagne für das Jahr 2016 an.
Mit voller Kraft bergab
Seit rund eineinhalb Jahren ist Franz nun Vorsitzender der NPD. Wie auch der Parteitag in Weinheim zeigte, ist er nach den langandauernden innerparteilichen Querelen mehr eine Notlösung als die lang erwartete Führungsfigur. Franz scheint die NPD mit seinem überschaubaren Team weiter als seriöse Partei inszenieren und „keine Randgruppenbelustigung betreiben“ zu wollen, wie er selbst schreibt. Damit wird die NPD weiter an Integrationskraft verlieren, was vor allem offen auftretende neonazistische Strukturen begünstigen könnte. Gleichzeitig sind Wahlerfolge vor allem wegen der AfD nicht zu erwarten. Jenseits der Entscheidung bezüglich eines NPD-Verbotes wird sich für Franz die Frage stellen, wie lange die Partei ihm Niederlagen verzeiht, und ob es nach all zu zahlreichen Wahldesastern doch noch einen aussichtsreichen Gegenkandidaten geben wird, der Franz ablösen will.