Die NPD: Sinkendes Schiff ohne Kurs?!
Im Dezember 2014 prangte ein Bild des frisch gewählten Parteivorsitzenden Frank Franz auf der Titelseite der NPD-Parteizeitung. „Der Neue“ war in großen Lettern direkt daneben geschrieben. Im 50. Jahr ihres Bestehens hätte die NPD nun einen „ausgesprochen jungen Vorsitzenden bekommen“, so der Tenor des Artikels. Franz übernahm die NPD in einer katastrophalen Lage. Die Enthüllungen rund um den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) und zahlreiche innere Zerwürfnisse hatten die Partei vor allem auf einem Politikfeld gestärkt: Der Selbstzerfleischung. Als dann auch noch Holger Apfel wegen angeblicher Übergriffe auf einen jüngeren Neonazi aus dem Amt und schlussendlich auch der Partei gejagt worden war, hatte die NPD ihren Tiefpunkt erreicht.
Zunächst sollte dann der Fraktionsvorsitzende der NPD-Landtagsfraktion, Udo Pastörs, für Ruhe auf dem sinkenden Schiff sorgen. Eine „harte Hand“ kündigte der für seine Hetzreden bekannte Pastörs an. Doch viel passierte nicht. Dass diese Geschehnisse die Partei nach wie vor beschäftigen, zeigt auch ein Statement zum „Fall Apfel“ des ehemaligen stellvertretenden Bundesvorsitzenden der NPD, Karl Richter, im Juni diesen Jahres auf Facebook: „Die Parteispitze unter dem Übergangsvorsitzenden Udo ‚starke Hand‘ Pastörs deckelte den Fall seinerzeit nach Kräften, aufgeklärt wurde nie etwas, und Apfels Seilschaften blieben unangetastet.“ Richter ist mittlerweile Mitarbeiter des Europaabgeordneten und ehemaligen Parteivorsitzenden der NPD, Udo Voigt. Für Voigt muss der Einzug in das Europaparlament eine echte Genugtuung gewesen sein. Von Apfel aus dem Amt gejagt und von Pastörs um die Kandidatur herausgefordert, gelang ihm am Ende der Einzug und damit der Aufstieg zu einem erneuten Machtpol innerhalb der Neonazipartei. Apfel vergibt mittlerweile „Sauf-Diplome“ für seine trinkfreudige Kundschaft in seiner Kneipe auf Mallorca und Pastörs ist nach seinem Rückzug vom Bundesvorsitz offensichtlich soweit in sein Privatleben zurückgekehrt, dass auch von der noch bestehenden Landtagsfraktion der NPD in Mecklenburg-Vorpommern kaum noch eine Außenwirkung zu erkennen ist. Damit haben sich die Machtzentren neu geordnet. Dass im Juli 2015 auch noch Holger Szymanski, Landesvorsitzender in Sachsen und Bundesgeschäftsführer der NPD, von allen seinen Ämtern zurücktrat, schwächte die Partei weiter. Hinzu kommt, dass zahlreiche Landesverbände wie Bayern, Sachsen-Anhalt oder Niedersachsen faktisch keine öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten mehr entfalten.
Verschwundene Nachwuchskader
Die innerparteilichen Auseinandersetzungen und Machtkämpfe haben jedoch auch andere Spuren hinterlassen. So verschwand eine ganze Reihe von NPD-Nachwuchskadern anscheinend aus der Partei. Noch vor einigen Jahren gehörten Michael Schäfer, Julian Monaco oder Andy Knape zum hoffnungsvollen NPD-Nachwuchs und hatten auch auf Bundesebene der Partei Funktionen inne. Schäfer war immerhin von 2007 bis 2012 Vorsitzender der Jungen Nationaldemokraten (JN) und wirkte noch 2014 im Wahlkampf in Sachsen mit. So gehörte Schäfer auch zum Mitarbeiterstab der Landtagsfraktion. Anfang 2015 tauchte dann eine Strafanzeige Schäfers auf, in der er angab, kein Mitglied einer politischen Partei mehr zu sein. Eine öffentliche Erklärung oder derartiges findet sich hingegen nicht. Sein Name scheint wie ausradiert auf Parteiseiten. Ähnlich gestaltet sich auch der Verbleib von Andy Knape. Knape beerbte nicht nur Schäfer 2012 als Vorsitzender der JN sondern war auch Leiter des NPD Ordnerdienstes und damit Mitglied des Bundesvorstandes der Partei. Auch er arbeitete für die sächsische Landtagsfraktion der NPD. Im Herbst 2014 war Knapes Name plötzlich von der Homepage der NPD verschwunden, auf seine Mitgliedschaft im NPD-Bundesvorstand und den Vorsitz der JN deutete nichts mehr hin. Doch Knape ist nicht ganz aus der Öffentlichkeit verschwunden. Er betreibt mittlerweile eine eigene Homepage (andy-knape.de), die eine Art Berufsprofil darstellt. Ohne Hinweise auf seine politische Laufbahn heißt es dort: „Andy Knape — ein engagierter und zielstrebiger junger Mann, der sich ein umfangreiches Wissen im Bereich der Betriebswirtschaftslehre, der Personalführung und Motivation, sowie im Bereich des Verkaufstrainings angeeignet hat.“
Im Impressum der Website ist die Adresse des Landtages in Sachsen angegeben. Auch Julian Monaco war noch an der „Wahlkampffront“ der NPD in Sachsen 2014 zugegen. Als Bundesvize der "Jungen Nationaldemokraten" (JN) gehörte auch er zum Parteinachwuchs. Doch wie auch Schäfer und Knape ist Monaco völlig aus der Öffentlichkeit verschwunden. Eine Erklärung ist nicht bekannt.
Eingeholt von der Zeit: Konkurrenz und veränderte Bedingungen
Gleichzeitig mit den personellen Querelen der Partei sind mit „Die Rechte“ und dem „Der III. Weg“ Konkurrenzparteien entstanden, die sich — wie vor allem der „III. Weg“ — auch ganz dezidiert von der NPD abgrenzen. Vor allem beim „Kampf um die Straße“ scheinen die Neugründungen der NPD derzeit deutlich voraus. Zu sehen war dies am 1. Mai 2015 beispielsweise in Thüringen. Seit Jahren ist das Bundesland Stammland der NPD. Als die Partei am 1. Mai in die Landeshauptstadt zur Demonstration mobilisierte, kamen keine 150 Menschen zusammen, um die Partei zu unterstützen. Gleichzeitig konnte der „III. Weg“ als teilweise Nachfolgestruktur des verbotenen „Freien Netzes Süd“ rund 700 Neonazis zur Teilnahme einer Demonstration im thüringischen Saalfeld mobilisieren. Das aktionsorientierte extrem rechte Spektrum ist durch die jahrelange versuchte seriöse Aufstellung der NPD und die Priorisierung des „Kampfes um die Parlamente“ der NPD schlicht davon gelaufen. Dies ist für die Partei vor allem jetzt ein großer Nachteil, da der „Kampf um die Parlamente“ gescheitert scheint. Im kommenden Jahr ist Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern und es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die NPD dann auch ihre letzte Fraktion verliert. Ob sie diese etwa in Sachsen-Anhalt ersetzen kann, ist eher unwahrscheinlich. Der massiv aufflammende Rassismus in Deutschland bereitet zunehmend wieder den Boden für eine Mobilisierung extrem rechter Gruppierungen auf der Straße. Damit müsste sich aber die NPD erneut verstärkt dem „Kampf um die Straße“ zuwenden, der dem vermeintlich seriösen Image entgegenstehen würde. Ob dies am Ende allerdings Wahlerfolge nach sich ziehen würde, bleibt offen. Eine Mobilisierung gelingt ihr nur noch in wenigen Regionen. Die Partei steht damit insgesamt wieder vor dem seit Jahren bekannten Dilemma: Seriöses Image oder aktionistisches, radikales Auftreten auf der Straße. Einen einheitlichen Kurs scheint es dabei nicht zu geben.
Partei ohne Kurs?
Einerseits versucht die Partei ihr seriöses Image weiter zu pflegen. Seit Ende März gibt es dazu ein eigenes YouTube-Format namens „DS-TV“ (Deutsche Stimme-TV), welches als mediale Ergänzung zur eigenen Partei-Zeitung „Deutsche Stimme“ dienen soll. Außerdem werden zahlreiche Videos von Reden des NPD-Europaabgeordneten Udo Voigt über YouTube auf der Homepage der Partei verlinkt. Passend zu diesen medialen Präsentationen postet der stets gut gekleidete Parteivorsitzende Frank Franz gern Bilder von seinen zahlreichen Dienstreisen im Namen der Partei. Besonders oft wird er dabei vom stellvertretenden Parteivorsitzenden Ronny Zasowk und dem Bundesorganisationsleiter Sebastian Schmidtke begleitet. Der „Selfie-König“ Franz vermittelt so zumindest digital den Eindruck von Präsenz. Aber auch in der Parteizeitung sind seine kurzen Texte eher weniger Ausdruck einer starken Position innerhalb der NPD. Sein Einfluss auf die Partei scheint sich nicht über das gesamte Bundesgebiet zu erstrecken. Besonders in Thüringen pflegt die Führungsspitze der NPD ein Auftreten, was wenig mit dem „aufgeklärten Nationalismus“ des Frank Franz zu tun haben dürfte. Nachdem der ehemalige Vorsitzende Patrick Wieschke aufgrund von veröffentlichten Ermittlungsakten zurücktreten musste, führt nun faktisch der Neonazi David Köckert nach außen die Geschicke des Landesverbandes. Er gehört auch zum Führungskreis des Neonazi-PEGIDA-Ablegers „Thügida“. Bei den Veranstaltungen der „Thügida“ sind Neonazis aller Parteien zugegen und auch Sebastian Schmidtke redete schon. Gern wird hier von Rednern schwadroniert, man wolle die „Europäer“ durch eine „asiatisch-negride-Mischrasse“ austauschen und weitere antisemitische und rassistische Theorien werden verbreitet. Doch Köckert und Franz eint zumindest ihre Liebe zu Bildern von sich selbst.