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NPD in der Krise

Einleitung

Das fünfzigste Gründungsjahr der NPD startet für die neonazistische Partei alles andere als gut. Kurz vor Weihnachten 2013 trat nach kaum 2jähriger Amtszeit der Parteichef Holger Apfel von all seinen Ämtern zurück und aus der Partei aus. Die Umstände des Rücktritts dürften selbst in der Partei bisher kaum wirklich geklärt sein.

Der Ex-NPD-Vorsitzende Udo Voigt (links) setzte sich bei der Europawahlkandidatur gegen den NPD-Vorsitzenden Udo Pastörs (rechts) durch.

Als Udo Pastörs, Chef der NPD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, am 11. Januar 2014 auf dem Neujahrsempfang der sächsischen NPD-Landtagsfraktion sprach, war Holger Apfel bereits seit fast drei Wochen nicht mehr Mitglied der NPD. Die Führungsspitze der Partei wollte die Gerüchte und Diskussionen im „Schicksalsjahr der NPD“ wohl schnellstmöglich für beendet erklären, zumindest öffentlich. Passend dazu führte Pastörs aus: „Ich erkläre hiermit im Namen der Gesamtpartei der NPD die Affäre um Holger Apfel für nach außen zunächst beendet“. Doch auch diese Erklärung kann kaum darüber hinwegtäuschen, dass die NPD tief verunsichert und am Rande des finanziellen Kollaps in ihr „Schicksalsjahr“ startet.

Rücktritt mit Vorspiel

Bereits im Oktober 2013 gelangte eine E-Mail des stellvertretenden Parteivorsitzenden und bayerischen Landesvorsitzenden Karl Richter an die Öffentlichkeit. Richter attackierte darin Apfel schwer und sprach ihm seine Eignung als Parteivorsitzender ab. So heißt es in der Mail:
„Schon ein Parteivorsitzender mit Sprach­fehler ist an sich ein Unding; man übersieht es aus Höflichkeit, muß aber darüber sprechen, wenn der bedauernswerte Betroffene unversehens um sich schlägt. Ist ein Parteivorsitzender wirklich ein so gutes Aushängeschild für uns, der während  unserer Auftritte bei der Deutschlandfahrt demonstrativ abseits steht und fortwährend mit pummeligen Fingerchen auf seinem Mobiltelefon herumtippt?“

Außerdem griff Richter den Generalsekretär Peter Marx und den stellvertretenden Vorsitzenden Udo Pastörs scharf an, spricht gar von einer „Clique Marx – Apfel – Pas­törs“. Am 19. Dezember 2013, kaum zwei Monate später, erklärte Holger Apfel öffentlich seinen Rücktritt. Er sei am Ende des Jahres 2013 „ausgebrannt“ und die „innerparteilichen Grabenkämpfe“ hätten ihm zu schaffen gemacht. Dass Apfel in der Partei offensichtlich hart angegriffen wurde, machte er ebenfalls deutlich, so ist in der Erklärung von „persönlich nieder­träch­ti­ge[n] Beleidigungen über körperliche bzw. sprachliche Unzulänglichkeiten“ und „zunehmend ehrverletzende Verleumdungen“ die Rede. Apfel scheint hierbei sowohl auf Richters Mail zu reagieren als auch die später auftauchenden Gerüchte bereits vorwegzunehmen. Da den meisten NPD-Mitgliedern und Funktionären offenbar kaum andere Informationen bekannt waren, begannen Gerüchte die Runde zu machen, die auf schwerwiegende innerparteiliche Vorwürfe gegen Apfel hindeuteten. Ein Bundestagskandidat der NPD aus Sachsen-Anhalt legte Apfel bei Facebook gar den Selbstmord nahe. Die Partei schien in den Diskussionen tief verunsichert und zerstritten. Eine wirkliche Unterstützung war für den gebürtigen Hildesheimer öffentlich kaum zu vernehmen. Am 24. Dezember 2013 folgte eine weitere – interne - Erklärung Apfels, in dem dieser auch seinen Parteiaustritt verkündete. Erneut verweist Apfel darin auf seine Erschöpfung, für die vor allem die „politischen Grabenkämpfe und persönlichen Hasskampagnen“ in der Partei und der Szene verantwortlich seien. Erstmals wurde deutlich, welche Vorwürfe gegen Apfel bestehen. So heißt es in der Erklärung: „Neben einem vor vielen Jahren angeblich ähnlich gelagerten Fall soll ich vor vier Monaten einen Ordner bei einem nächtlichen Dorffest ‚unsittlich‘ angefaßt haben. Tatsache ist, daß es nach einem anstrengenden Aktionstag ein geselliger Abend war, an dem viel getrunken wurde; Fakt ist auch, daß ich von Beginn an eingeräumt habe, kein Erinnerungsvermögen an diesen Abend zu haben.“

Apfel selbst konnte also die Vorwürfe gegen sich kaum entkräften. Vielmehr ließ Apfels Austrittserklärung erahnen, welcher Druck innerparteilich aufgebaut wurde. So heißt es weiter in dem internen Schreiben: „Da selbst das [Rücktritt von allen Ämtern] meine Gegner nicht ruhen läßt, erkläre ich nach 24-jähriger Mitgliedschaft meinen Austritt aus der NPD.“ Gleichzeitig greift Apfel das Präsidium der Partei scharf an, da man über ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn beraten habe, ohne ihn anzuhören. Und auch die angeblich existierenden eidesstattlichen Erklärungen des Betroffenen seien ihm nicht vorgelegt worden, so Apfel. Öffentlich äußerste sich lediglich Matthias Faust, ehemaliger DVU-Chef und heute NPD-Funktionär, zu den Vorwürfen. Faust war selbst zugegen und sagte, er habe von einem Übergriff nichts bemerkt und dies auch dem Parteipräsidium detailliert mitgeteilt.  Beachtet wurde diese Aussage offensichtlich kaum, denn Anfang Januar schienen bereits alle Messen gelesen und Apfel war aus Amt und Würden vertrieben.

Neues Jahr, neue Machtkämpfe

Trotz Pastörs’ Bekundungen, die Affäre sei beendet, scheint die Partei weiterhin tief verunsichert. Zahlreiche Beiträge von Parteimitgliedern und Funktionären in den sozialen Netzwerken zeigen dies deutlich. Die derzeitigen Vorbereitungen auf ein Wahljahr mit zahlreichen Kommunalwahlen, drei Landtagswahlen und der Europawahl, bringen die Mitglieder dazu, nach außen hin etwas gezwungen wirkend, Ruhe auszustrahlen. Für die Neonazis geht es 2014 um viel: finanzielle Probleme, zahlreiche Wahlen und ein Verbotsverfahren. Doch mit Apfels Ausscheiden eröffneten sich gleich­zeitig neue Machtkämpfe. Pünktlich zum beginnenden Jahr steht der Alt-Vorsitzende Udo Voigt wieder als Führungsfigur bereit und sorgte bereits mit seiner Kandidatur als Spitzenkandidat zur Europawahl für eine erste Niederlage Pastörs. Bereits im Vorfeld hatten beide ihre Bereitschaft geäußert, als Spitzenkandidaten die NPD in die Europawahl führen zu wollen. Am 18. Januar 2014 führte die NPD ihren Europaparteitag im thüringischen Kirchheim durch und die Delegierten bestimmten Udo Voigt zum Spitzenkandidaten für die Wahl. Auf den zweiten Listenplatz wurde der Historiker Olaf Rose gewählt, der aktuell im sächsischen Landtag für die Partei tätig ist. Pastörs zog seine Kandidatur zurück, als erkennbar war, dass er keinen aussichtsreichen Platz erlangen würde. Trotz aller nach außen demonstrierter Geschlossenheit zeigt sich so deutlich, dass Pastörs keineswegs den Rückhalt der gesamten Partei genießt. Geradezu absurd erscheinen daher seine öffentlichen Verlautbarungen zum Zustand der Partei. Bereits vor dem Europaparteitag schrieb Pastörs in der NPD-Zeitung Deutschen Stimme: „Mit beeindruckender Geschlossenheit wird unser Parteitag seine Kandidatenliste für den Europawahlkampf bestimmen, soviel kann ich schon jetzt [...] sagen.“ Pastörs scheint der Partei so mehr eine „Geschlossenheit“ zu verordnen, als dass diese tatsächlich vorhanden ist. Inwieweit eine orakelte Radikalisierung der Partei eintreten wird, ist bisher kaum zu sagen. Außer der Ankündigung, man wolle wieder enger mit den „Freien Kräften“ zusammenarbeiten, hat Pastörs bisher, entgegen der Erwartungen, kaum öffentlich eine Neuausrichtung erkennen lassen. Der fragile Zustand der Partei könnte sich – wenn nicht bereits zuvor – spätestens nach den zu erwartenden Wahlniederlagen in diesem Jahr zeigen, wenn die Machtkämpfe an der Spitze erneut beginnen werden.