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Die Anti-Abtreibungs-Bewegung und ihre Überschneidungen mit der völkischen Rechten

emanzipatorischen Antifa Münster (Gastbeitrag)
Einleitung

Die Ideologie der „Lebensschutzbewegung“ ist sehr heterogen. Sie reicht von Ersteller_innen Shoa-relativierender Internetseiten bis in die selbsternannte bürgerliche Mitte, zu Personen, die weder strenggläubige Christ_innen sind, noch extrem rechten Ideolog_innen nahe stehen. Also Personen, die schlicht ethische Bedenken an Abtreibung und Sterbehilfe äußern. Trotzdem existieren argumentative, ideologische sowie teils auch personelle Überschneidungen zwischen den Spektren. Antifeminismus und die heraufbeschworene Bedrohung durch Gender-Mainstreaming fungieren als Scharnier zwischen den Spektren der christlichen Fundamentalist_innen, der Neuen Rechten und der extremen Rechten. Zumindest in Teilen des christlichen Spektrums lässt sich auch eine bewusste Öffnung hin zu rechten Akteur_innen erkennen.

"Für Gott, Volk und Embryos"

Münster, 19. März 2016: Vielleicht 150 Menschen haben sich an diesem regnerischen Frühlingstag an einer Kirche in der Innenstadt versammelt — eine Kirche, in der auch schon mal Messen auf Latein gelesen werden. Sie stimmen einen Gebetsgesang an. Zwei tragen ein menschenhohes Marienbildnis, einer sogar eine ganze Marienstatue. Manche zeigen kleine Föten aus Plastik oder Bilder von Embryos im Fruchtwasser. Ungefähr hundert schlicht weiße Holzkreuze werden nach und nach hochgehalten. Und dann zieht er los, der diesjährige „1000 Kreuze — Marsch für das Leben“, umrahmt von Konfetti, Luftballons und geworfenen Kondomen.

Konfetti? — Kondome? All das kommt natürlich nicht aus dem Sammelsurium verschiedenster christlich-fundamentalistischer Gruppierungen, welches zu diesem Gebetsmarsch aufgerufen hat: Organisationen, die sich beispielsweise „EuroProLife“ oder „Christdemokraten für das Leben“ nennen und als selbsternannte „Lebensschützer“ jedes — wirklich jedes — Recht auf Schwangerschaftsabbruch kategorisch ablehnen. Auch wenn das bedeutet, den Tod von schwangeren Menschen zu riskieren.

Die 1.000 Kreuze sollen symbolisch für 1.000 Schwangerschaftsabbrüche stehen, die angeblich täglich in Deutschland vorgenommen werden. Aber mit Zahlen hat man es in diesen Kreisen offensichtlich nicht so: Denn es sind einerseits nur ungefähr 100 Kreuze vor Ort und andererseits sind es keine 365.000, sondern derzeit an die 100.000 Abbrüche im Jahr.

Der Münsteraner Gegenprotest zählt in diesem Jahr ca. 300 Menschen. Mit Tröten und Trillerpfeifen, Sprechchören, homosexuellen Kiss-Ins, Konfetti, Luftballons und Kondomen wehrt sich die bunte Menge gegen den frauenfeindlichen Charakter, den sexualfeindlichen Tenor der Veranstaltung. Die erzkatholischen, freikirchlichen sowie evangelikalen Gruppierungen und Organisationen verdammen Verhütungsmittel grundsätzlich, verteufeln Sexualaufklärung in Schulen und predigen zudem eine diskriminierende Ablehnung von Homo- und Bisexualität, Transidentität und Intersexualität.

Der queere, feministische und antifaschistische Gegenprotest richtet sich nicht „gegen das Leben“, sondern demonstriert für das sexuelle Selbstbestimmungsrecht, für lebensbejahende Sexualität in all ihren Facetten. Er plädiert nicht „für Abtreibung“, sondern für das Recht, sich ohne strafrechtlichen Druck für oder gegen eine Schwangerschaft entscheiden zu können. „Pro Choice“ nennt man diesen Standpunkt in den USA, wo christlicher Fundamentalismus stark verbreitet ist und u. a. deshalb seit Jahrzehnten ein wahrer Kulturkampf in dieser Frage tobt. Ein Kampf, in dem einige Abtreibungsgegner_innen auch vor massiven Gewalttaten nicht zurückschrecken: Immer wieder kommt es unter anderem zu Bombenanschlägen und Brandstiftungen gegen Kliniken und Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Immer wieder werden vor allem Ärzt_innen, die bereit sind, Abtreibungen durchzuführen, Opfer von Bedrohungen und Körperverletzungen, sogar von Mordversuchen und Morden — „Pro Life“? Der Widerspruch zwischen dem vermeintlichen Anliegen, Leben zu schützen und der Bedrohung und der Gewalt gegenüber Menschen scheint ihnen nicht klar.

Nicht überall sind solche „1000 Kreuze“ bzw. Pseudo-„Lebensmärsche“ so überschaubar wie im katholisch geprägten Münster. In Berlin beispielsweise beteiligten sich 2016 nach Angaben von Pro-Choice-Aktivist_innen über 6.000 Menschen an der jährlich vom „Bundesverband Lebensrecht“ — einem Zusammenschluss von 14 Organisationen aus dem fundamentalistisch-christilichen Spektrum — organisierten Schweigedemonstration. Immer wieder unterstützen z. T. auch sehr bekannte und bedeutende Politiker_innen aus den Reihen der CDU/CSU, aber auch von der „Alternative für Deutschland“ (AfD) diese Märsche – sei es durch ihre persönliche Teilnahme oder durch ein Grußwort: 2014 beispielsweise der damalige Vorsitzende der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion Volker Kauder. Aber auch Papst Franziskus und Reinhard Marx, Kardinal, Erzbischof und derzeit Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, sendeten schon Grüße an die Kreuzzügler_innen. Beatrix von Storch, die stellvertretende Bundesvorsitzende und Berliner Landesvorsitzende der "Alternative für Deutschland" (AfD), setzt sich auch schon mal an die Spitze des Berliner Marsches. Auch in anderen deutschen und europäischen Städten finden solche Märsche statt: Beispielsweise in Straßburg („300 kleine Europäer jede Stunde“), in München, der Homezone des Anmelders der von „Euro Pro Life“ organisierten Aufmärsche Wolfgang Hering, oder Annaberg-Buchholz. Sie sind das beste Beispiel dafür, dass sich Teile der „Lebensschutzbewegung“ weg von der CDU, hin zur AfD orientieren.

Fundamentalistische Christ_innen meets rechte Kulturkritik meets reaktionäre Geschlechterpolitik

Oft, wenn emanzipatorische Forderungen in den (partei-)politischen Diskurs aufgenommen werden, formiert sich reaktionärer Protest. Das ließ sich in den vergangenen Jahren gut am Beispiel der „Demo für Alle“ sehen, die sich gegen eine fortschrittliche Überarbeitung des Lehrplans zur Sexualkundeaufklärung richtete. Zuletzt in Wiesbaden versammelten sich bei der von Hedwig von Beverfoerde angemeldeten Veranstaltung unter diesem Label regressive Kräfte jeder Couleur. Das Spektrum reichte von konservativen Elterninitiativen, oder „Lebensschutzorganisationen“ wie den "Christdemokraten für das Leben", über die AfD bis zu völkischen Nationalist_innen von NPD, der Neonazi-Partei "Der III. Weg" und der "Identitären Bewegung" (IB).

Auch die sogenannte „Lebensschutzbewegung“ in der BRD entstand Anfang der 1970er Jahre im Zuge der Liberalisierung des §218, der unter bestimmten Voraussetzungen eine Straffreiheit für Schwangerschaftsabbrüche regelt. In den folgenden zwanzig Jahren organisierten und radikalisierten sich die einzelnen „Lebensschutzgruppen“ und finden vielleicht gerade heute ihren Höhepunkt vor dem Hintergrund weiterer anti-emanzipatorischer Debatten.

Der gemeinsame Hauptbezugspunkt aller Akteur_innen ist das traditionelle Vater-Mutter-Kind(er) Familienbild. Christliche Fundamentalist_innen sehen darin einen Ausdruck ihrer eigenen Interpretation christlicher Werte, die die Protagonist_innen aus einer sehr wörtlichen Lesart der Bibel ableiten. Diese beinhalten statische Ethik- und Moralvorstellungen, die von Gott gegeben sein sollen und daher auf keinen Fall in Frage gestellt werden können.

Der Bundesverband für das Lebensrecht e.V., der Verein, der den „Marsch für das Leben“ in Berlin organisiert, erklärt in seiner Satzung für „die Menschenrechte und die elementaren Grundrechte der Verfassung, in denen das biblisch-christliche Menschenbild seinen Ausdruck findet“ einzustehen. Häufig wird sich auf die im Grundgesetz verankerte Unantastbarkeit der Würde des Menschen und das Recht auf körperliche Unversehrtheit bezogen — als Rechte des Embryos wohlgemerkt, nicht der schwangeren Person. Ziel ist es, Einfluss auf die politischen Debatten zu nehmen und den Staat in einen christlichen Gottesstaat zu verwandeln.

„Lebensschutz“-Aktivismus

Obwohl die Gebetsmärsche fundamentalistischer Christ_innen im Bewusstsein vieler Menschen angekommen sind, erschließt sich vielen noch nicht, warum es sich lohnt, die wahlweise betende oder schweigende Masse in ihrem Handeln zu stören und aufzuhalten. Ihr Wirken geht aber weit über die öffentlichkeitswirksamen Auftritte hinaus und beeinflusst auch unser alltägliches Leben.

Neben den Märschen liegt das Hauptarbeitsfeld der selbsternannten Lebensschützer vor allem in der sogenannten „Gehsteigberatung“ vor Kliniken und Praxen, die Abbrüche vornehmen und ihrer z.T. menschenverachtenden „Aufklärungsarbeit“ im Internet.

Bei der „Gehsteigberatung“ wird selbstverständlich nicht beraten. Die Fundamentalist_innen versuchen ihr reaktionäres Weltbild durch psychischen Druck und Einschüchterung der schwangeren Personen durchzusetzen. Bilder von abgetriebenen Föten werden hochgehalten und Personen auf dem Weg in die Klinik oder Praxis direkt angesprochen. Personen, die sich gegen eine Schwangerschaft entscheiden, werden als das behandelt, was sie in den Augen der Fundamentalist_innen sind: wahlweise unmündig (du hast dich einfach falsch entschieden) oder als Mörder_innen. Sucht man im Internet nach Orten, an denen Abbrüche möglich sind, findet man sich schnell auf Seiten wieder, auf denen die ausgewählte Praxis als Ort des Todes aufgeführt wird.

Diese Übergriffe, bei denen auch die behandelnden Ärzt_innen angegriffen werden, haben in einigen Regionen Deutschlands bereits dazu geführt, dass es Menschen fast unmöglich gemacht wird, eine Schwangerschaft zu beenden. Im Sauerland z.B. gibt es keine_n einzige_n Gynäkolog_in mehr, die dazu bereit ist.

Auf einer Seite im Netz, die Betroffenen helfen soll, findet sich folgender Text: „Leider stehen hier seit dem 13./14. Januar 2008 fünf Links weniger als zuvor. Dieser Umstand verdankt sich der Initiative Babycaust.de, die die betreffenden Ärzte aufgefordert hat, ihre Links von meiner Seite entfernen zu lassen. Sie berufen sich auf StGB § 219a, der es verbietet, für die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen zu werben. Es tut mir leid, wenn sich dadurch wieder mehr Frauen durch unzählige Arztpraxen telefonieren müssen.“ 1

Doch nicht erst bei der Suche nach Ärzt_innen, sondern schon einen Schritt vorher wird oft das Internet zu Rate gezogen: Wie entscheiden, wenn man unsicher ist? Hier setzt die „Lebensschutzbewegung“ mit einer Vielzahl von Internetseiten an, die scheinbar neutral mit Domain-Namen wie schwangerschaftsabbruch.de auftreten. Tatsächlich werden dort aber in der Regel nicht themenbezogene, wissenschaftlich-objektive Fakten aufbereitet: Hier trifft eher der moralisierende Appell auf tendenziöse Falschinformation.2  Neben Beten und Schweigen bedient sich die Lebensschutz-Lobby also auch der Verbreitung von pseudo-sachlichen Informationen via Internet und Druckerzeugnissen. Insbesondere bei Schwangeren sollen so Ängste und Gewissensbisse geschürt werden. Diese Seiten werden beispielsweise auch aus dem Spektrum der Juristen-Vereinigung "Lebensrecht e.V." und "Ärzte für das Leben e.V." betrieben. Offensive christlich-fundamentalistische Öffentlichkeitsarbeit findet vor allem auf Internetportalen wie "kath.net", bzw. durch die evangelikale Nachrichtenagentur "idea.de" statt.

NS-Relativierung & Antisemitismus

Antisemitismus, wie z.B. shoa-relativierende Inhalte, finden sich in Teilen des christlichen-fundamentalistischen Spektrums wieder. Zu nennen sei da insbesondere Klaus Günter Annen, der unter anderem in Münster schon auf einem 1000-Kreuze-Marsch willkommen geheißen wurde. Der Betreiber stellt auf seiner Internetseite "babycaust.de" in Zahlen die Opfer der Shoa Schwangerschaftsabbrüchen gegenüber. Letztere hätten den Massenmord an den europäischen Jüd_innen mittlerweile weit übertroffen und seien das größere Verbrechen. Die Shoa hingegen sei zudem eine Opfergabe an Gott gewesen. Auch Ärzt_innen, die Beratung zum Thema Sterbehilfe anbieten, wird „Euthanasie“ unterstellt und so ein Vergleich zu den im nationalsozialistischen Deutschland systematisch begangenen Verbrechen an und Ermordungen von Menschen mit Behinderung gezogen. Richterliche Beschlüsse, die sich auf Annens Anzeigen beziehen, werden be- oder untertitelt mit „Willkommen im 4. Reich!“

Völkische Perspektiven auf „Lebensschutz“

Aus der Perspektive der völkischen Rechten geht es bei Schwangerschaftsabbrüchen nicht mehr um die religiöse oder moralische Frage des „Tötens“, sondern um rassistische Angstvorstellungen vor dem „Aussterben des deutschen bzw. europäischen Volkes“. Für die völkische Rechte bedeutet das überholte, christliche Familienbild den Fortbestand des „deutschen Volkes“. Aufgrund der Interessensüberschneidung laufen Akteur_innen der völkischen Rechten auf Gebets- und/oder Schweigemärschen der fundamentlistischen Chris­t_innen mit, unterstützen diese aber selten offen, weil sie mit den christlichen Wertvorstellungen nicht konform gehen. So mobilisierten beispielsweise die rechten Vereinigungen "PRO NRW" und "PI-News" 2012 zum 1000 Kreuze Marsch nach Münster, nachdem in den Jahren davor bereits Funktionäre der örtlichen NPD-Parteijugend ("Junge Nationaldemokraten") mitgelaufen sind.       
 
Selbst wer über keinen christlichen Bezug zum ungeborenen Leben verfügt, sollte sich daher von diesem Thema angesprochen fühlen und eine Teilnahme an dem Schweigemarsch in Erwägung ziehen. Dass die Krankenversicherten und Bürger für unseren demographischen Selbstmord finanziell aufkommen, ist ein zusätzlicher Skandal“, schreibt beispielsweise der rechte Internet-Blog "PI-News".

In einem völkischen Kontext thematisiert auch die "Identitäre Bewegung" (IB) das Thema. Im März 2015 formulierten sie unter dem Titel „Lebensschutz ist Heimatschutz!“: „Der Liberalismus war und ist Wegbereiter einer Vielzahl von Ideologien, die mit pseudowissenschaftlichen Erklärungsversuchen die Gesellschaft dekonstruieren und ein neues Menschenbild schaffen wollen. Zwei dieser Ideologien kann man mit Fug und Recht als intellektuellen Wohlstandsmüll deklarieren und dennoch greifen sie immer dominanter in unser Leben ein. Die Rede ist vom radikalen Feminismus und der Gender-Mainstream Ideologie.“ „Oft stehen finanzielle Beweggründe im Vordergrund, eine fehlende Betreuungssituation, aber Egoismen spielen eine große Rolle. Man will seinen „Lifestyle“ nicht gefährden und das Leben als Dauerparty soll nie zu Ende gehen. Kinder stören da nur und wären zudem ökonomisches Hemmnis.

Auch in der rechten Wochenzeitung „Jungen Freiheit“ (JF) findet das Thema Schwangerschaftsabbruch und „Lebensschutz“ eine Plattform. Hier findet keine kritisch-argumentative Auseinandersetzung mit dem Thema statt, dafür wird aber über sämtliche Ereignisse berichtet. Neben Interviews mit „Abtreibungsgegner_innen“ wie Matthias von Gersdorff oder dem Übernehmen von Artikeln von "idea.de" oder "kath.net" schreiben auch Autor_innen wie Felicitas Küble oder Martin Lohmann, der auch der Organisator des Schweigemarsches in Annaberg-Buchholz ist, sowohl für die "Junge Freiheit" als auch für christlich-fundamentalistische Medien.

Die Relevanz der AfD

Das Thema „Lebensschutz“ und antifeministische Positionen finden auch im Grundsatzprogramm der AfD aus dem Jahr 2016 Platz. Die Partei sieht die „Familie als gesellschaftliche Grundeinheit“ durch Krippen und Ganztagsschulen sowie die Betonung der Individualität in der Erziehung gefährdet. Das Familienbild und diese Sorgen teilt sie dabei sowohl mit christlichen Fundamentalist_innen als auch mit völkischen Rechten.

Es wäre zu viel zu sagen, dass Abtreibungsgegner_innen in der AfD eine politische Heimat gefunden haben, denn es gibt sie in fast allen Parteien und politischen Strömungen. Dennoch gibt es mit der AfD aktuell eine Partei, die in der Lage ist, mit Forderungen nach einer reaktionären Geschlechter- und Familienpolitik das politische Klima zu beeinflussen: Inszeniert als Tabubruch gegen einen wahlweise linken oder feministischen Mainstream oder eine halluzinierte „Homo-Lobby”.

Bisher konnte innerhalb der Partei keine Forderung nach einem kompletten Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen durchgesetzt werden, was möglicherweise vor allem an ihrer Stärke in Ostdeutschland und der dortigen Geschichte der Legalität von Schwangerschaftsabbrüchen liegt. Dennoch heißt es in ihrem aktuellen Parteiprogramm, die AfD wolle eine „Willkommenskultur für Neugeborene“ fördern und sie wehre sich „gegen alle Versuche, Abtreibungen zu bagatellisieren, staatlicherseits zu fördern oder sie gar zu einem Menschenrecht zu erklären“. Das Grundsatzprogramm lässt beim Thema „Lebensschutz“ einiges offen. Der letztlich verabschiedete Wortlaut ist ein Kompromiss: Die explizite Forderung nach einem Abtreibungsverbot, wie sie aus Teilen der sächsischen AfD gefordert wurde, scheiterte und schaffte es nicht ins Parteiprogramm.

Dennoch ist im Grundsatzprogramm das „vorrangige Ziel der Beratung der Schutz des ungeborenen Lebens“ formuliert. Praktisch würde dies bedeuten, dass nicht mehr nach dem Wohl und den Wünschen der schwangeren Person beraten wird. Eine Beratung kann nicht mehr ergebnisoffen durchgeführt werden. Ebenso besteht die Gefahr, dass zukünftig Krankenkassen die Kosten eines Abbruchs nicht mehr übernehmen.

Reaktionäre Bewegungen und Proteste erleben aktuell wieder einen Höhepunkt. Sie mobilisieren viele Menschen auf die Straße, nutzen sehr aktiv soziale Netzwerke und setzen so Themen und bestimmen teils politische Debatten. Einige Akteur_innen haben in der AfD eine parteipolitische Heimat gefunden, wo die verschiedensten Akteure gerade versuchen, zusammenzufinden. In der Debatte um Asyl haben sie es geschafft, deutungsmächtig zu werden, in der Auseinandersetzung mit Geschlechterpolitik bemühen sie sich um ähnliche Erfolge.