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Rechte beraten trans Jugendliche? WTF!

"What the fuck?!-Bündnis Berlin" (Gastbeitrag)
Einleitung

Als queer-feministisches und antifaschistisches Bündnis beschäftigen wir1 uns seit vielen Jahren mit der selbsternannten Lebensschutzbewegung, ihrer Ideologie, ihren Netzwerken und Strategien, sowie mit Antifeminismus und Queerfeindlichkeit als Bezugspunkte rechter Mobilisierungen. Anfang des Jahres sind wir auf das transfeindliche Onlineportal „keinmaedchen“ gestoßen.2

kein mädchen screenshot
(Bild: Screenshot der Website „keinmaedchen.de“)

Screenshot der Website „keinmaedchen.de“

Transfeindlichkeit und rechte Mobilisierung

In den letzten Jahren ist transfeindliche Hetze zum gemeinsamen Bezugsrahmen von rechten und konservativen Kräften geworden. Oft sind es die gleichen antifeministischen AkteurInnen, die schon Mitte der 2010er gegen die „Ehe für Alle“, sexuelle Bildung an Schulen und Gender Mainstreaming mobil machten.

Mit einer zunehmenden Verschiebung hin zu transfeindlichen Parolen erhalten sie aber nun Unterstützung von selbsternannten Feministinnen wie Alice Schwarzer. Der vermeintliche Schutz von Kindern wird zum gemeinsamen Banner, unter dem sich Konservative, Rechte und rechte Feministinnen versammeln: es gelte, Kinder vor der „Transideologie“ zu schützen, vor Eltern und Therapeut*innen, die angeblich vorschnell eine Hormonersatztherapie zulassen oder vor geschlechtsangleichenden Operationen. Unwissenschaftliche und ideologisch geprägte Beiträge schaffen es inzwischen bis in renommierte medizinische Fachmagazine wie Dr. med Mabuse und beeinflussen so auch potenzielle Behandler*innen.

Der Backlash, den wir in der Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz erleben, ist auch Resultat dieser Allianzen und ihrer medialen Strategien. In Ländern wie Großbritannien ist es gelungen, den Diskurs so weit zu kapern, dass die medizinische Versorgung von trans Jugendlichen ganz real eingeschränkt wurde. In Deutschland orientieren sich transfeindliche AkteurInnen an den dortigen Strategien aus: Internetseiten von „betroffenen“ Eltern, das prominente Hervorheben von Detrans-Geschichten1 , das Warnen vor einer angeblichen Gefährdung von Kindern.

keinmaedchen.de

Besonders diese vermeintliche Gefährdung von Kindern kombiniert mit Verschwörungserzählungen sind zentrale Strategien des Onlineportals keinmaedchen, das sich gezielt an trans Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern richtet und den Anschein einer Aufklärungsseite erweckt. Tatsächlich verbirgt sich dahinter transfeindliche Ideologie und der strategische Einsatz von Desinformationen. Die MacherInnen nutzen Unsicherheit und Hilfebedarfe junger Menschen und ihrer Angehörigen aus.

Die gestalterischen Parallelen zu echten Jugendportalen sind frappierend. Fragen dominieren den Internetauftritt, das suggeriert den Besucher*innen eine offene Haltung und gibt ihnen das Gefühl, dort auch mit ihren Zweifeln gut aufgehoben zu sein. Gleichzeitig sind die Fragen so gewählt, dass sie möglichen Suchanfragen entsprechen und sorgen somit für eine Platzierung weit oben in den Ergebnissen – weit vor vielen seriösen Beratungsangeboten. Wirkliche Antworten auf die Fragen „Bin ich trans?“, „Kann ich mein Geschlecht im Ausweis ändern lassen?“ oder „Was heißt Geschlechtsdysphorie?“ werden die jungen Menschen jedoch nicht finden.

Will man auf der Startseite noch einladend wirken und niemanden verschrecken, wechselt die Strategie später zu Panikmache durch Fehlinformationen. Mal mehr, mal weniger versteckt finden sich bei „keinmaedchen“ bekannte Botschaften transfeindlicher Ideologie.2

Zunächst scheint „keinmaedchen“ die Gefühle und Fragen der Jugendlichen ernst zu nehmen, die eigentliche Botschaft ist aber: „Du bist nicht trans, trans gibt es gar nicht.“ Das zeigt sich in Aussagen wie „Wenn Du ganz ehrlich zu Dir bist, hat Dir Dein Gefühl nie gesagt: Ich bin ein Junge, ich bin schon immer ein Junge gewesen.“.

Im April 2023 haben wir uns als 15-jährige Kai über das Kontaktformular an „keinmaedchen“ gewandt. Geantwortet hat uns ein Mann namens Martin, mit dem es bis August mehrere Mailwechsel gab. Daraus sind zwei Telefonate hervorgegangen. Die Inhalte der „Beratung“ sind verheerend.

Besonders problematisch sind die Ausführungen zu Pubertätsblockern. Trotz der relativ guten Datenlage stellt Martin, diese als experimentell dar: diese seien „wie ein Riesentest, wie ne Riesentestreihe an Kindern, die einfach mal so gemacht wird“. Zudem behauptet Martin, Pubertätsblocker würden „in Amerika“ zur „Kastration“ von pädosexuellen Sexualstraftätern angewandt, um „ihren Sexualtrieb zu hemmen“. So wirr diese Äußerung erscheint, wenn man sich eingehender mit dem Thema beschäftigt hat – auf einen jungen Menschen muss dies beängstigend wirken. Gleichzeitig rückt Martin trans Menschen damit zumindest implizit in die Nähe von Pädosexualität, eine gängige Diskursstrategie queerfeindlicher AkteurInnen. Diese Mischung aus verständnisvoller Ansprache, Desinformation, Panikmache und Diffarmierung ist gefährlich: die Seite adressiert gezielt Jugendliche, die verunsichert, vielleicht sogar verängstigt sind.

„Demo für alle“

Im Impressum des vermeintlichen Beratungsportals steht der Trägerverein „Ehe Leben Familie e.V.“ mit Sitz in Magdeburg, der unter anderem auch hinter der queerfeindlichen Initiative „Demo für Alle“ steht.3 Der Verein betreibt darüber hinaus weitere Onlineauftritte und mobilisiert dort gegen Eheöffnung, sexuelle Bildung und Transrechte. Vorstand des Vereins „Ehe Leben Familie e.V.“ ist unter anderem Hedwig von Beverfoerde, die namentlich auch im Impressum von „keinmaedchen“ benannt wird. Von Beverfoerde hat nicht nur die „Demo für Alle“ mit initiiert, sondern trat auch jahrelang als Rednerin beim „Marsch für das Leben“ in verschiedenen Städten auf. Sie ist über ihre Beteiligung beim deutschen Ableger der Lobbyorganisation „One of Us“ und der Stiftung „Ja zum Leben“ zumindest indirekt mit der fake-Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle „pro femina“ verbunden.

Die „Demo für alle“ positioniert sich eindeutig antifeministisch und queerfeindlich und fällt wie ihre ehemalige Dachorganisation vor allem mit Engagement gegen sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in Bildungsplänen, die Ehe für alle und die sogenannte „Gender-Ideologie“ auf.

Während der Corona-Pandemie baute die „Demo für alle“ ihre Netzwerke weiter aus und arbeitete unter anderem eng mit der Initiative „Eltern stehen auf“ zusammen (AIB Nr. 133 - 4.2021). Aktuelle Blogbeiträge auf der Seite der „Demo für alle“ lauten „Regierung finanziert LSBT-Indoktrination von Kindern“ oder „Trans-OPs: Verstümmelung im Namen der Freiheit“. Die Beiträge sind geprägt von verschwörungsideologischen Narrativen, die in antifeministischen Bewegungen stark verbreitet sind und aktuell gezielt transfeindliche Falschinformationen enthalten.

Martin (Voigt)

Bei dem vermeintlichen Berater „Martin“ dürfte es sich um Martin Voigt handeln, der in diesem Kontext kein Unbekannter ist. Der Hobby-Triathlet trägt immer wieder bei Wettkämpfen stolz ein „Demo für alle“-Shirt. Zumindest für einige Zeit arbeitete Voigt für Kristijan Aufiero, den Gründer der „1000plus-ProFemina gGmbH“ - dem Träger hinter vielen falschen „Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen“ radikaler Abtreibungsgegner*innen.

Voigts zentrales Thema ist der Bedeutungsverlust der traditionellen Familie. Für die Bewegung dient er als mediales Aushängeschild, für seinen polemischen FAZ-Artikel „Aufklärung oder Anleitung zum Sex?“ von 2014, der gegen sexuelle Bildung an Schulen polemisierte, erhielt Voigt 2015 den rechts-konservativen „Gerhard-Löwenthal-Preis“. Voigt schreibt immer wieder für die rechte Wochenzeiung „Junge Freiheit“, gibt Videointerviews für deren Onlinekanäle oder den Blog der „Demo für Alle“.

Dass er aber nicht nur medial (neu-)rechte Plattformen für die Verbreitung seiner queerfeindlichen Propaganda nutzt, zeigt ein Vortrag beim Sommercamp der völkisch-nationalistischen „Deutschen Gildenschaft“.

Ausblick

Christliche FundamentalistInnen, queerfeindliche Zusammenschlüsse wie „Demo für Alle“ und nicht zuletzt die AfD im Bundestag nehmen trans Menschen und ihre Rechte unter Beschuss. Vermeintliche Feministinnen verleihen der Hetze im bürgerlichen Lager scheinbar Legitimität, indem sie Diskriminierung als Kampf für „Frauenrechte“ framen.

Wir brauchen starke Bündnisse zwischen antifaschistischen, feministischen und queeren Gruppen, um populistische und transfeindliche Akteur*innen und ihre Netzwerke zu entlarven und ihre menschenfeindlichen Einstellungen offenzulegen.

  • 1Detransitionierte Personen entscheiden sich einer anfangs durchlaufenen Transition um, um wieder in ihrem vorherigen Geschlecht zu leben.
  • 2Konkret richtet sich die Seite an trans Jungen und nicht-binäre Personen, denen bei der Geburt ein weibliches Geschlecht zugewiesen wurde. Das entspricht dem gegenwärtigen „Gender Critical“-Diskurs, wonach trans Jungen eigentlich verwirrte Mädchen seien, die es vor der „Transideologie“ zu retten gelte. Der Diskurs um Transweiblichkeit funktioniert etwas anders, indem diese als Bedrohung konstruiert wird, vor der man cis Frauen (am besten in Saunen und öffentlichen Toiletten) schützen müsse.
  • 3Das Aktionsbündnis „Demo für alle“ gründete sich 2014 in Anlehnung an das gleichnamige französische Bündnis „La Manif pour tous“, das 2013 Demonstrationen gegen die Ehe für alle und das Adoptivrecht für gleichgeschlechtliche Paare in Frankreich organisiert hatte (AIB Nr.100 - 3.2013). Zunächst war das deutsche Aktionsbündnis innerhalb dem „Zivile Koalition e.V.“ verortet, der unter anderem von Beatrix von Storch (AfD) gegründet wurde und heute von ihrem Ehemann Sven von Storch geleitet wird.