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Bendix Wendt: Ein Protagonist rechten Terrors?

Einleitung

Neonazi erschießt Eichhörnchen“ lautete die Titelgeschichte eines Berliner Boulevardblatts am 25. Juli 2017. Es zeigte ein Foto von Bendix Wendt mit einer Waffe im Anschlag unter einem Baum. Seine Nachbarn hatten die Polizei informiert, als er in seinem Wandlitzer Garten mit einem Luftgewehr Jagd auf Eichhörnchen machte. Er hatte bereits mehrere der Tiere getötet und deren Schwänze an einen Baum gena­gelt. Die Polizeibeamten fanden nicht nur das Luftgewehr, sondern auch weitere Waffen und Munition. Seitdem ermitteln die Strafverfolgungsbehörden erneut wegen Verstoß gegen das Waffengesetz gegen Wendt.

Der Neonazi und Waffennarr Bendix Wendt erlangte im Sommer 2017 als „Eichhörnchen-Killer“ erneute Aufmerksamkeit.

Irrational handelnde Einzeltäter ...

Das Bundeskriminalamt (BKA) kommt im Februar 2018 in einer Analyse von flüchtlingsfeindlichen Straf- und Gewalttaten zu dem Schluss, dass es unterschied­liche Tätertypen gibt, die für rassistische Angriffe auf Geflüchtete sowie für potenziell tödliche Angriffe auf PolitikerInnen verantwortlich sind. Ausdrücklich warnt das BKA dabei vor „entschlossenen, irratio­nal handelnden oder fanatisierten Einzeltätern“. Von diesen (selbst-) radikalisierten Personen, die keine enge Anbindung an „extremistische Gruppen“ hätten, gehe „eine besondere Gefährdung“ aus.1
Viele Aspekte in der Vita des seit mehr als drei Jahrzehnten in militanten Neonazi­strukturen sozialisierten und politisierten Bendix Wendt könnten ihn zu einer Art Prototypen für den von den Strafverfolgungsbehörden gefürchteten „irrational handelnden oder fanatisierten Einzeltäter“ machen.

Ein rechtsterroristischer Prototyp?

Aus dem Kreis der neonazistischen „Generation Terror“ der frühen 1990er Jahre sticht Bendix Wendt aufgrund seiner Waffen- und Sprengstoffkenntnisse heraus. Er hatte schon als Anfang 20-Jähriger in den letzten Jahren der untergehenden DDR Kontakte zur Ost-Berliner Neonazi-Skinheadszene und gehörte zu denjenigen, die in den Wäldern des südlichen Brandenburgs rings um Königs Wusterhausen und Halbe nach Wehrmachtsdevotionalien, Waffen und Sprengstoff aus der letzten Kesselschlacht im April 1945 vor Berlin gruben. Im Oktober 1989 wurde Bendix Wendt dafür vom Kreisgericht Ost-Berlin erstmals wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu einer zweieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt.

Aufgrund der allgemeinen Amnestiegesetzgebung verbrachte der junge Neonazi nur wenige Monate in Haft. Für so manche Besucher in einem von Neonazis der „Natio­­nalen Alternative“ (NA) besetzten Haus in der Berliner Weitlingstraße galt Wendt (Spitzname „Doktor Wanda“) als eine Art Ansprechpartner für Waffen- und Spreng­stoff­beschaffung. 1990 wurde Wendt in diesen Kreisen zum Verantwortlichen für paramilitärische Übungen ernannt. Der frühere NA-Funktionär Ingo Hasselbach war sich nach seinem Ausstieg aus der Neonazi­szene sicher, das Bendix Wendt Waffen und Sprengstoff für den von Neonazis herbeigesehnten Tag X — dem gewaltsamen Ende der Demokratie und der Wiedererrichtung einer nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland — horten und einsetzen würde.2

Kaum verwunderlich daher, dass auch der Name von Bendix Wendt im Kontext von Neonazi-Terror Anfang der 1990er Jahre fiel.3 Insgesamt zehn Briefbomben waren ab Ende 1993 im Rahmen einer neo­nazistischen Briefbombenserie in Österreich verschickt worden. Fünf Menschen wurden dabei verletzt. Der Österreicher Peter B. galt den Ermittlern zeitweilig als einer der Tatverdächtigen. Wendt kannte den Neonazi-Aktivisten von dessen Besuchen in der Weitlingstraße und von einem längeren Aufenthalt beim damaligen Neonazi-Anführer Gottfried Küssel in Wien. Bei einer Vernehmung im Dezember 1994 räumte Wendt offen ein, er habe Peter B. mit zwei „Zündmaschinen“ und mehreren Kilogramm Sprengstoff versorgt.4

Der Strafverfolgung entzog sich Bendix Wendt zunächst, indem er sich Ende 1993 den Bataillonen 101 und 104 der kroatischen Milizen der "Ustaša – Hrvatska revolucionarna organizacija" (Ustascha) im ersten Bosnien-­Krieg anschloß. Nach seiner Rückkehr im April 1994 wurde er im Oktober 1995 u.a. für die unstrittige Sprengstoffbeschaffung für Peter B. zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt.5 Bendix Wendt entzog sich dem Haftantritt durch Untertauchen bei dänischen und schwedischen Neonazis um den 2001 verstorbenen deutschen „Blood & Honour“ Aktivisten Marcel Schilf. Bei seiner erneuten Rückkehr nach Deutschland bedrohte Wendt im Herbst 1999 bei einem Polizeieinsatz erst mal die Beamten mit einer Schusswaffe. Bis zum Juni 1999 saß er dann schließlich die Haftstrafe aus 1995 ab. Hierbei wurde er von der neonazistischen „Hilfsorganisation für politische Gefangene“ (HNG) betreut. Kontakte nach Österreich blieben scheinbar bestehen. Seit der Jahrtausendwende hatten Nachbarn mehrfach von Besuchern aus Österreich berichtet. Bei einer Feier anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Berliner Neonazi-Bruderschaft der „Vandalen“ im August 2002 wurden auch Wendt und Peter B. von der Polizei kontrolliert.

Angriff auf Grünen-Politiker

Im selben Jahr sorgte Bendix Wendt erneut für Schlagzeilen. Im September 2002 schlug er an einem Berliner Bahnhof auf den Kopf des Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele ein.6 Doch auch hier war die Strafverfolgung erstaunlich nachsichtig. Wendt erhielt trotz einer laufenden Bewährungsstrafe Haftverschonung. Anstelle eines versuchten Tötungsdelikts wurde lediglich eine Körperverletzung angeklagt. Wendt wurde zu einer 15-monatigen Haftstrafe verurteilt, die er erst zwei Jahre nach dem Angriff antrat.7 7 Wie schon seit den frühen 1990er Jahren hatte Wendt im Prozess beteuert, er sei politisch nicht mehr organisiert.

„Terror Erreicht“

Dabei müssen sowohl die Frage nach den Netzwerken, in denen sich Wendt bewegt (hat) als auch nach deren politisch-strategischer Ausrichtung dringend gestellt werden. Denn am 8. Mai 2007 wurden bei Bendix Wendt bei einer verdachtsunabhängigen Kontrolle eines Reisebusses, der auf dem Rückweg von München nach Berlin war, neben Wehrmachtsdolchen, NS-Uniformteilen und NS-Propagandaschriften auch ein Buch mit Bomben- und Raketenbauanleitungen gefunden. Bei der Durchsuchung des Busses fanden die Polizeibeamten zudem eine Papiertüte mit einem elektronischen Sprengstoff-Zünder und einem Zettel mit der Aufschrift „Terror Erreicht, Etappe Erreicht“. Bei der anschließenden Durchsuchung fanden die Strafverfolger weitere Waffen. Das Amtsgericht Bernau verurteilte Wendt daraufhin wegen Verstoß gegen das Waffengesetz zu einer Bewährungsstrafe von 21 Monaten.

Sowohl die beunruhigenden Fundstücke als auch die anschließende Verurteilung blieben in der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet. Dies gilt auch für einen ungewöhnlichen Arbeitsplatzwechsel: Wendt gab nach Auskunft ehemaliger Arbeitskollegen seinem Arbeitsplatz im Strandbad bei Wandlitz auf und heuerte stattdessen bei einer Firma für Munitionsbergung an. Für das Amtsgericht Bernau, wo Bendix Wendt scheinbar eine Art Abo auf Bewährungsstrafen hat, gilt sein Arbeitsplatz als Faktor für eine günstige Sozialprognose.