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Neonazis in der DDR

Dietmar Wolf
Einleitung

Die Fan-Kurve wird zum Brutkasten der DDR-Neonaziszene

Bild: Screenshot von youtube.com

Der ostdeutsche Neonazi Ronny Busse trat als ein Beteiligter des Neonazi-Angriffes auf ein Punk Konzert in der Zionskirche im Fernsehen auf.

Die Anfänge neofaschistischer Organisierung in der DDR werden in der Regel auf die Jahre 1982/83 datiert. Doch schon in den Jahren zuvor kam es immer wieder zu rassistischen und ausländerfeindlichen Vorkommnissen. Die DDR war als Gesellschaft zu keiner Zeit frei von rassistischen Vorurteilen. Im Gegenteil: Sie schürte sie selbst und bediente sich ihrer, indem sie zum Beispiel Menschen aus Afrika und Asien in die DDR zum arbeiten holte, diese aber ghettoisierte und aus der Gesellschaft fern hielt. Der gern bemühte Internationalismus war eine von vielen inhaltslosen Phrasen, die keinen wirklichen Weg in das Selbstverständnis der Menschen in der DDR fanden.

Unter dem Deckmantel der antiimperialistischen Solidarität mit dem palästinensischen Volk, wurden nicht selten antijüdische Vorurteile geschürt. Besonders in DDR-Medien fand sich immer wieder antiisraelische und antizionistische Propaganda. 1976 stellte der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Nahum Goldman fest: »Von allen kommunistischen Staaten verhält sich die DDR zweifellos am feindseligsten gegenüber Israel, und ihre Presse ist überaus aggressiv«1 und so verwundert es nicht, dass das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) in den Jahren 1978 und 1979 188 Fälle von »... schriftlicher staatsfeindlicher Hetze mit faschistischem Charakter...« registrierte.2

Doch kann man sagen, das es ab dem Anfang der 1980er Jahre zu einem sprunghaften Anstieg von so genannter rechts motivierter Gewalt im öffentlichen Raum kam. Vor allem in den Fußballstadien setzten Jugendliche ihren Alltagsfrust in Gewalt um. Es wurden immer mehr Polizisten benötigt, die Stadien ruhig zu halten. Zu dieser Zeit tauchten die ersten Skinheads auf. So zum Beispiel beim Ostberliner BFC-Dynamo. Aber auch bei Lok Leipzig und Hansa Rostock. Nicht selten waren es Punks, die sich ihre Irokesen-Kämme abschnitten, weil ihnen diese Ausdrucksform nicht radikal genug erschien.

Unbestritten war auch ein gewisser Einfluss des Westens. Trotz der Mauer pflegten viele Menschen ihre familiären und freundschaftlichen Kontakte in den Westen. Modetrends wurden mit einiger Verspätung übernommen und beeinflussten die Jugend in der DDR. Bomberjacken und DocMartens waren für Ostler schwer zu haben und galten schnell als Statussymbole. Wer keine Westverwandschaft hatte, musste für eine Bomberjacke nicht selten bis zu 800 DDR-Mark berappen. Das waren damals ein bis zwei Monatslöhne. Machten die DDR-Skinheads zunächst durch eine besonders hohe Gewaltbereitschaft auf sich aufmerksam, wurde dies schnell mit faschistischer und rassistischer Ideologie verknüpft. Für die DDR war dies vollkommen neu. Die  Gesellschaft und Elternhäuser erwiesen sich schnell als überfordert.

Der Organisationsgrad nimmt zu

Schnell wurden westdeutsche Neonazis auf die neue Szene im Osten aufmerksam. Besonders in Berlin gab es rege Aktivitäten. Zwar lässt sich nicht genau nachvollziehen wie intensiv diese Bemühungen waren, an die Strukturen im Osten heranzukommen. Immerhin gibt es einzelne Beispiele, die belegen, dass dies der Fall ist. So besuchte der damalige Chef der Westberliner nationalistischen Front (NF) Andreas Pohl, zwischen 1983 und 1985 regelmäßig Ostberliner Skinheads. Das MfS war in der gesamten Zeit an Pohl dran und seine umfangreiche Stasi-Akte belegt, dass Pohl intensiv versuchte, Einfluss auf die Ostberliner Neonazi-Strukturen zu bekommen. Im Jahr 1986 schrieb POHL im Informationsblatt der NF »Klartext«, vom »...festen Bündnis der Freundschaft, das sich leider, bedingt durch die Mordmauer, nur in Besuchen unsererseits ausdrückt...«.3 Auch Christian Franke von der Westberliner NF hielt persönliche Kontakte zu BFC-Skinheads. Viele Kontakte liefen über Skinheads die in den Westen übersiedelten. 1986 dann erließ das MfS ein Einreiseverbot für Andreas Pohl.

Laut einer Studie des MfS von 1988 gab es intensivste Kontakte zwischen Skinheads aus der DDR zu Neonazigruppierungen aus Westberlin, Hamburg und Schweden. Diese Kontakte dienten, laut MfS: »dem Informationsaustausch über tätliche Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit sowie Entwicklungen in der ›Szene‹, der Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen und Bekleidungsstücken für DDR-Skinheads, der Einfuhr faschistischer Literatur, Symbole sowie spezieller Skin-Musik- Kassetten...« Allein im Jahre 1987 wurden 131 Skinheads aus Westberlin registriert, die in die DDR einreisten, um Kontakte zu DDR-Skinheads zu knüpfen und kontinuierliche Verbindungen herzustellen.4

Ab Mitte der 1980er Jahre nahm der Organisationsgrad der Neonaziszene deutlich zu. Neben straff organisierten und geführten Fußballhooligangruppen, entstanden nun regelrechte Neonaziorganisationen. Bereits 1986 gründeten Ostberliner Skinheads die »Lichtenberger Front«, dann die »Bewegung 30. Januar« (in Anlehnung an die Machtübergabe an die Nazis am 30.Januar 1933). Diese Gruppe orientierte sich an der FAP und blieb in relativer Nähe zu Neonazis aus Westberlin. Sie betrieben intensive Suche nach alten Wehrmachtswaffen. Vorrangig auf dem Gebiet der Ende April 1945 tobenden Kesselschlacht um das brandenburgische Halbe. Diese Gruppe war maßgeblich an der Gründung der Ostberliner Neonazipartei »Nationale Alternative« und an der »Besetzung« des Neonazihauses in der Lichtenberger Weitlingstraße im Jahr 1990 beteiligt.

Im Norden Ostberlins organisierte sich ab 1988 eine berüchtigte und straff geführte Schlägertruppe mit dem Namen »Bucher Front«. Sie verlegte sich mehrheitlich auf Überfälle und Gewaltaktionen gegen Ausländer, Punks und Gruftis. Eine andere Gruppierung nannte sich »Die Vandalen« (eine Neonazigruppierung mit Rockerhabitus, die es noch heute gibt). Anfang Februar 1989 gründete sich im Raum Werder, Glindow, Caputh, im heutigen Land Brandenburg, eine Neonazipartei, die sich »Nationale Sammlung (NS)« nannte. Als Vorbild diente ein gleichnamiges Sammlungs- und Wahlbündnis, unter Führung des westdeutschen Neonazis Michael Kühnen. In der Ostsee- und Kreisstadt Wolgast im Bezirk Rostock wurde im August 1989 eine »SS-Division Walter Krüger« aufgedeckt. Diese widmete sich, nach eigenen Aussagen, intensiv der »Pflege faschistischer Traditionen, insbesondere der SS«. Die Gruppe war straff organisiert. Unter ihnen befanden sich, und das war neu, Lehrer und städtische Beamte. Laut interner Zahlen des MfS und der Volkspolizei wurden im Jahr 1988 185 Vorfälle mit rechtsradikalem Hintergrund registriert. Ein Jahr später waren es bereits 300.

Der Überfall auf die Zionskirche

Am 17. Oktober 1987 überfiel eine Gruppe Neonazis ein Rockkonzert in der Ostberliner Zionskirche. Sie grölten Naziparolen und schlugen auf Konzertbesucher und Passanten ein. Dieser Vorfall veränderte die öffentliche Wahrnehmung entscheidend. Waren bis dahin Skinheads in den Medien und öffentlichen Diskussionen quasi nicht vorhanden, änderte sich das nun grundlegend. Erstmals, nach einigen Tagen des Schweigens, las und hörte der erstaunte DDR-Bürger in verschiedensten DDR-Medien von so genannten Skinheads. Da es nicht mehr gelang das Thema wieder in der Versenkung verschwinden zu lassen und selbst das SED-treue »Komitee der Antifaschisten« zaghaft staatliche Schritte forderte, wurde eine Handvoll, am Überfall beteiligter Neonaziskins eingefangen und vor Gericht gestellt und in zweiter Instanz zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Mehr noch: Es wurde nun versucht, das gesamte Problem mit harter Hand zu bewältigen. In einem Interview im Jahre 1992 berichtet der damalige Ostberliner Kriminalpolizist Bernd Wagner von einer »großen Skinheadjagd in Ostberlin«.5

Allein zwischen Ende November 1987 und Juli 1988 fanden in der DDR mindestens neun Prozesse gegen so genannte »Skinheads« statt, in denen 49 Personen im Alter von 16 bis 25 Jahren wegen zahlreicher Gewaltakte und auch wegen Handlungen mit rechtsradikalem Hintergrund abgeurteilt wurden. Das Strafmaß belief sich meist auf Haftstrafen zwischen 5 Monaten und 2 Jahren in einen wenigen extremen Fällen auch bis zu 6 Jahren. Jedoch wurde in allen bekannt gewordenen Prozessen ein neonazistischer oder rechtsradikaler Hintergrund verleugnet. Demzufolge kamen lediglich die Paragraphen 212 (Widerstand gegen staatliche Maßnahmen), 215 (Rowdytum) und 220 (öffentliche Herabwürdigung) des StGB zur Anwendung. Über die Wirkung der verhängten Strafen musste man sich jedoch keine Illusionen machen. Die Verurteilten kamen in den normalen DDR-Strafvollzug, wo nahezu nichts für eine erzieherische Beeinflussung und Reintegration der Gefangenen getan wurde. Und nicht selten wurde sich letztendlich dem Problem dadurch entledigt, dass die Neonaziskinheads nach ihrer Haftentlassung kurzerhand in den Westen abgeschoben wurden.

Gleichzeitig verfolgte man intensiv das Ziel, Skinheads aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. Sämtliche öffentlichen Einrichtungen wie Jugendclubs, Diskotheken, Kneipen und Kinos erhielten intern die Anweisung, Skinheads und nach Skinhead aussehende Personen den Zutritt zu ihren Einrichtungen zu verweigern, sie nicht zu bedienen und im Weigerungsfall die Polizei zu verständigen. Statt sich offen und ehrlich mit den Gründen und Ursachen des aufkommenden Neofaschismus in der DDR zu befassen, beschränkte man sich mit propagandistischen Plattitüden und ausreden. So behauptete das Zentralorgan der FDJ »Junge Welt«, das vor allem der übermäßige Genuss des Westfernsehens Schuld an diesen Auswüchsen sei.

Neonazis und Skinheads im Visier der Sicherheitsorgane

Für die SED-Regierung waren die Sicherheitsorgane das einzig denkbare Werkzeug zur Zurückdrängung der Skinhead-Erscheinungen. Bis Anfang 1988 hatte man umfangreiches Daten- und Zahlenmaterial über die Skinheadszene angehäuft. Unzählige Berichte über Vorfälle mit Skinheads gesammelt. Jedoch wusste man nicht wirklich, mit wem man es zu tun hatte. Deshalb gab der Leiter der Kriminalpolizei im Ministerium des Innern (MdI), Generalleutnant Nedwig im April 1988 bei der Sektion für Kriminalistik der Humboldt-Universität einen Forschungsauftrag zur Bestimmung des »politischen Wesens« der Skinheads in Auftrag. Mit dem Leiter der Uni-Sektion, einem Offizier im besonderen Einsatz (OibE), war auch das MfS mit im Spiel. Was diese Studie, die im Februar 1989 fertiggestellt wurde, zu Tage förderte, wollte den Verantwortlichen bei Polizei und MfS so gar nicht gefallen. So gehörten fast alle der erfassten Jugendlichen der Arbeiterschaft an. Die Hälfte davon hatten bereits Facharbeiterstatus. Die meisten waren im Alter zwischen 18 und 26 Jahren. Der soziale Status der Eltern hingegen war ein repräsentativer Querschnitt durch die Gesellschaft: Intelligenzler, Facharbeiter, Handwerker.

Am Ende der Studie hieß es: »...Wir haben es mit einer DDR-spezifischen Modifikation eines allgemeinen Problems der Auseinandersetzung mit Sozialismus und Demokratie zu tun. Die Sozialstrukturanalyse beweist, dass die tragenden sozialen Kräfte vorerst aus der jungen Arbeiterklasse kommen und durch bisher nicht identifizierte Schichten-Vertreter der Bevölkerung Unterstützung finden. Die militante rechtsextreme Szene in der DDR trat nie so offen aggressiv auf wie heute, auch gehörten Brandstiftungen und Morde nicht zum Alltag, aber die Wurzeln des Übergangs von einer rechten Jugendkultur zu einer organisierten rechtsextremen Bewegung lagen in der DDR in Mitte der achtziger Jahre...«6

Was den Sicherheitsorganen weiter Kopfzerbrechen bereitete, war der Sachverhalt, dass sich diese Jugendlichen der »...moralischen Werte der sozialistischen Gesellschaft als Zielgröße...« bedienten. Eine wirkliche Ursachenanalyse gibt es in dieser Studie jedoch nicht. Hinzu kam, dass man in den Chefetagen kalte Füße bekam und tiefgreifendere Studien nicht wollte. Die Führung der Kriminalpolizei blockte die Studie ab. Der Leiter der Kriminalistiksektion wurde als Gesprächspartner abgelöst. Ihm wurde vorgeworfen, dass er »Im Hinblick auf Ausländerfeindlichkeit und rechtsextremistische Tendenzen der Skinheads, (übertrieben)...« hätte.

Ersetzt wurde er durch einen Oberst Schmidt, dessen Zuständigkeit »Häufigkeits- und Jugendkriminalität« war. Dieser hielt von dem gesamten Projekt offenbar nicht viel. Im Zusammenhang mit geplanten Interviews mit inhaftierten Rechtsextremen erklärte er in der nächsten Sitzung zwischen Auftraggeber und -nehmer, dass Interviews mit Inhaftierten »nicht erforderlich« seien, »da die Verurteilen ja bereits kriminalistisch vernommen worden sind«. Darüber hinaus seien Untersuchungen seiner Ansicht nach überflüssig, da »bei Skinheads bisher keine politischen Motive nachweisbar gewesen« sind. Das Forschungsprojekt war damit gestorben. Ein letzter Versuch des Sektionsleiters, weitere Forschungen bei seinem Dienstherrn, dem MfS, anzusiedeln scheiterte. Auch der Stasi wurde die Sache offenkundig zu heikel.7

MdI und MfS setzten lieber auf Infiltration und eine verstärkte repressive Eindämmung der Symptome. Das geht aus einer Weisung von Mielkes »Stellvertreter Operativ«, Generaloberst Mittig hervor, die zusammen mit dem bereits erwähnten Untersuchungsbericht vom 2. Februar 1988 an die Bezirksverwaltung für Sicherheit geleitet wurde: »Zur weiteren Durchsetzung der Weisung (...) ist die inoffizielle Arbeit unter derartigen Jugendlichen wesentlich zu verstärken. (...) Durch die IM sind rechtzeitig alle Zusammenschlüsse derartiger Jugendlicher, ihre Pläne und Absichten zu öffentlichen, gefährliche Zusammenrottungen und Handlungen (...) derartiger Jugendlicher aufzuklären und jeweils aktive Gegenmaßnahmen (...) einzuleiten«.8

So waren im Frühjahr 1988 allein in Berlin 33 inoffizielle Mitarbeiter des MfS in der Skinhead-Szene aktiv. Insgesamt waren etwa 10-15 Prozent der vom MfS erfassten Rechtsradikalen gleichzeitig inoffizielle Mitarbeiter. Dabei ging man nach üblichem Muster vor. Die IM wurden nicht eingeschleust, sondern es wurden Personen in der Szene durch Methoden der Erpressung und Versprechungen angeworben. Hinzu kam das übliche Verfahren der Postkontrolle, Telefonüberwachung usw.

Betrachtet man jedoch die Entwicklungstendenzen der DDR-Neonaziszene, wird offensichtlich, dass es der SED-Führung und speziell dem MfS und der Polizei nicht möglich war, diesen Entwicklungen entgegenzuwirken. Andere Versuche zur Problemlösung waren die Einberufung zur Nationalen Volksarmee oder die schnelle Genehmigung von Übersiedlungsanträgen in die BRD. Gerade letzteres erwies sich jedoch in fataler Weise als Bumerang: »Einen Schwerpunkt gegnerischer Kontaktpolitik und Tätigkeit, insbesondere hinsichtlich der existierenden Verbindungen zwischen Skinheads in der DDR und denen im Operationsgebiet, hauptsächlich in West-Berlin, üben übergesiedelte ehemalige DDR-Skinheads aus. (...) Diese aktiven Rückverbindungen sind zunehmend und operativ bedeutsam.«9

Konnten die Sicherheitsorgane in der Zeit bis kurz nach dem Überfall auf die Zionskirche einige Erfolge erzielen, war jedoch spätestens ab 1988 ihre repressive Politik gescheitert. Dies kann man an der stetig ansteigenden Zahl von Neonazis bis Herbst 1989 ablesen.

Ein weiterer erschwerender Aspekt für das MfS war, dass die Deutsche Volkspolizei nicht das zu wünschende Engagement bei der Bekämpfung rechter Gewalt an den Tag legte. Anhand einer internen Information des MfS über einen Vorfall auf dem Berliner Alexanderplatz am 22. August 1988 ist dies gut ersichtlich. Nachdem es mehrere Tage hintereinander an der Gaststätte Alextreff zu Gewaltausbrüchen von Neonaziskinheads gekommen war, weil diesen der Kauf von Alkohol verweigert wurde, kam es an diesem Tag gegen 22.40 Uhr zu einem schweren Handgemenge mit uniformierten Armeeangehörigen. Als das VP-Revier 13 informiert und um Hilfe gebeten wurde, lehnte es diese ab. Die Weigerung wurde mit der Aussage: »Ihr wollt uns wohl verarschen! Wir sind doch nicht Eure Prügelknaben« begründet.

Nach dem Überfall auf die Zionskirche wurde vom MfS schnell festgestellt und gerügt, dass die Polizei den Rechtsradikalismus nicht genügend ernst nimmt, dass die Kader ständig ausgewechselt werden, die jedes mal neu eingearbeitet werden müssen und dass bei der VP der notwendige Druck fehle, den das MfS zu mindestens in bestimmten Bereichen als notwendig erkannt hatte.

Auch so genannte gesellschaftliche Organisationen wie die FDJ taten sich schwer und waren nicht bereit sich des Problems der rechten Skinheads anzunehmen. So hatte das MfS im Sommer 1988 der FDJ-Bezirksleitung in Leipzig 83 Namen von Jugendlichen zukommen lassen, die ihrer Meinung nach »gefährdet« waren. Ein Jahr später hatten sie gerade mal mit 20 dieser Jugendlichen gesprochen. Die FDJ redete sich damit heraus, dass sie keine Zeit gehabt hätten, da sie mit der Vorbereitung von gesellschaftlichen Höhepunkten zu sehr belastet wäre.

Allein der Umstand, dass sich die rechte Szene unter dem Druck der staatlichen Repression ab Mitte/Ende 1988 zu einem großen Teil aus der Öffentlichkeit zurückzog und sich in kleinen Gruppen intern weiter organisierte, reichte den Sicherheitsorganen als Bestätigung ihrer Praxis aus. Doch letztendlich musste sich auch das MfS das Scheitern seiner Praxis eingestehen. Ein leitender Offizier, verantwortlich für die Ermittlungsverfahren gegen die rechte Szene schrieb im Frühjahr 1989: »Es kann nicht alleinige Aufgabe der Untersuchungsorgane sein, sich mit der Bekämpfung dieser Erscheinungen auseinanderzusetzen. Das kann nur eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein, in der alle Erziehungsträger gefordert werden müssen.«7  

  • 1Thomas Leusink: Vom Kampf gegen den »Kosmopolitismus« ..., telegraph  2/3 1999, bzw. Goldmann, Nahum: Das jüdische Paradox: Zionismus u. Judentum nach Hitler. Köln, 1978
  • 2Neofaschistische Tendenzen und antifaschistische Selbstorganisation in der DDR, telegraph 1/1997
  • 3»Vom Skinhead zum Fascho«, Drahtzieher im braunen Netz, Berlin 1992
  • 4Interne Information der Hauptabteilung XX des MfS, Berlin 02.02
  • 5Farin / Seidel-Pielen »Rechtsruck – Rassismus im neuen Deutschland«, Berlin 1992
  • 6Loni Niederländer, Forschungsbericht »Das politische Wesen der Skinheadgruppierungen und ihre Sicherheitsrelevanz«; Humbodt-Universität zu Berlin, Sektion Kriminalistik, 28. Februar 1989
  • 7a7bWalter Süß, »Zur Wahrnehmung und Interpretation des Rechtsextremismus in der DDR durch das MfS«, Berlin 1996
  • 8Weisung vom »Stellvertreter Operativ« des Ministers Generaloberst Mittig vom 7.7.1986 (VVS 68/86)
  • 9Geheime Information der Hauptabteilung XX des MfS vom 10.04.1989