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Rechte Shitstorms

Juri Sternburg (taz) und Natascha Strobl (moment.at) / CC BY-SA 4.0
Einleitung

Beim sogenannten „Umweltsau“-Shitstorm sorgte eine inszenierte Empörung über eine abgewandelte Strophe von „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ dafür, dass sich ein Rundfunk-Chef öffentlich entschuldigte. Nach dem maßgeblich von rechts initiierten Shitstorm gegen das „Umweltsau“-Lied hatte der WDR-Intendant Tom Buhrow in einer Sondersendung von WDR 2 vom Krankenbett seines Vaters angerufen und sich für das Satirevideo des Senders entschuldigt. Im Nachgang wurde Buhrow heftig kritisiert, darunter auch vom Deutschen Journalisten-Verband (DJV). „Tom Buhrow muss sich der Frage stellen, ob er mit seiner eilfertigen redaktionellen Distanzierung für den Beitrag nicht all denen Oberwasser gegeben hat, die nicht auf den Austausch von Argumenten, sondern auf das Mundtotmachen kritischer Journalisten aus sind.“

Foto: @jkmedia_koln

Nach dem Shitstorm (#Omagate) bedroht ein Demonstrant Antifaschist_innen im Zuge einer Anti-WDR-­Demonstration mit einem Messer.

Von rechten Twitter-Accounts initiiert und über konservative Multiplikatoren verbreitet, wurde das „Oma-Gate“ so zum Paradebeispiel rechter Empörung und Mobilisierungsmechanismen. Es folgten rechte Aufmärsche gegen den WDR, den „Staatsfunk“ und die Rundfunkgebühren. Auch am 6. Januar demonstrierten einige empörte Rechte gegen den WDR und die GEZ. Das Aktionsbündnis „Köln gegen Rechts“ hat im Nachgang Bilder veröffentlicht, die einen Teilnehmer der Anti-­WDR-Demonstration mit einem gezückten Messer zeigen. Ein anderes Bild zeigt denselben Mann auf der Kundgebung am Appellhofplatz vor dem WDR. Auch in rechten Filterblasen empörte man sich im Nachgang erneut, diesmal über „Menschenjagden“ und „Gewalt gegen ältere Frauen“ auf der Veranstaltung. Die Behauptung, „Ein Mob von mehreren hundert Linksradikalen jagte alte Menschen und Kinder durch die Stadt“, ging viral. Belege für diese Behauptungen gibt es nicht. Auf den Videos ist lediglich zu sehen, wie eine Gruppe rechter Demonstranten von Polizisten zur Veranstaltung eskortiert wird, während am Wegesrand Menschen „Nazis raus“ rufen.

„Shitstorms“ als orchestrierte Attacken

Twitter ist ein interessanter Ort. Man trifft Leute, die man sonst nie treffen würde. Man hat eine Clique, mit der man diskutiert, blödelt und seinen Online-Alltag verbringt. Manchmal gibt es Tweets, die es darüber hinaus schaffen und wenn Cliquen mit unterschiedlichen Logiken aufeinandertreffen, dann kann das schön sein, aber auch zu Streit führen. Vor allem wenn die Clique aus einer Horde extrem rechter Trolle besteht. Der Mechanismus, mit dem große rechte und etablierte konservative Accounts gezielt arbeiten, ist immer gleich. Eine Banalität wird in schockierter Form getweetet. Die Follower interessiert die Sachgrundlage nicht, sondern nur der Tonfall. Wer auf der Kommunikationsplattform Twitter etwas schreibt, das rechte User stört, wird mitunter tagelang mit Kommentaren bombardiert.

Die Auslöser von solchen „Shitstorms“ sind einigermaßen beliebig. Die Methodik ähnelt sich aber immer wieder: Ein einflussreicher und großer rechter Account findet oder durchsucht systematisch linke Accounts nach Aufreger-Tweets. Die Tweets können Tage, Monate oder sogar Jahre alt sein. Der Account zitiert dann scheinbar harmlos diesen Tweet. Der Zweck ist jedoch nicht die Auseinandersetzung mit dem Inhalt, sondern der Ausdruck des Missfallens. Die Follower des rechten Accounts verstehen die Message. Sie kommentieren den zitierten Tweet im Sekundentakt. Aus bloßem Missfallen wird schnell Menschenhass. Aussehen, Intellekt, Beruf etc. werden abfällig kommentiert. Ein Foto wird gegoogelt, besonders bei Frauen wird das Äußere abfällig bewertet. Es folgen Screenshots von Inhalten des betroffenen Accounts - damit auch geblockte User ihren Hass ergießen können. Die ersten breiten ihren Hass direkt unter dem Tweet aus. Die Follower beginnen damit, den Tweet selbst zu zitieren und rufen dazu auf, sich am attackierten Account abzuarbeiten. Screenshots davon, dass man geblockt wurde, machen die Runde. Mangelnde Meinungsfreiheit wird beklagt. Ein Block des attackierten Accounts wird als moralischer Sieg gewertet. Die Causa wird in andere soziale Netzwerke gespiegelt, sodass noch mehr Leute sich auf die Person hinter dem Account einschießen. Es geht jetzt nicht mehr um den ursprünglichen Tweet. Die Kommentare werden derber und strafbar. Es beginnen Mord- und Vergewaltigungsdrohungen. Erst verklausuliert, irgendwann offen. Wenn sich ein angegriffener Account wehrt, erntet er oft dröhnendes Schweigen von den Koryphäen des polit-medialen Diskurses, die als ordnendes Korrektiv und Vorbild über Blasen der Sozialen Medien hinaus gelten. Vielmehr bleibt das Raunen, ob der Account es nicht doch irgendwie provoziert hat. Man muss nichts falsch gemacht haben, um in einen rechten Shitstorm zu geraten. Dennoch treten betroffene Personen oft den Rückzug an, sperren die eigenen Tweets für die Öffentlichkeit, löschen den Account, räumen auf, blocken, machen Screenshots.

Ein Shitstorm exponiert und lähmt. Er soll beschämen und isolieren. Das einzig wirksame Mittel dagegen ist Solidarität! Je größer der eigene Einfluss in den sozialen Medien ist, umso wichtiger ist es, sich hinter die Betroffenen von Shitstorms zu stellen.

Der Troll vom Tegernsee

Der Welt-Autor und Blogger „Don Alphonso“ twittert gerne über Linke, die daraufhin von seinen oft (extrem) rechten Followern (insgesamt über 35 Tausend) bedroht werden. Der Springer-Konzern, sein Arbeitgeber, verteidigt ihn. Allzu viel weiß man nicht über Rainer Meyer. Meyer ist 52 Jahre alt, trägt gerne traditionelle Janker, sitzt in der Jury des Medienpreises des Deutschen Bundestags und ist Autor bei der Zeitung „Die Welt“. Er könnte eine dieser Figuren sein, die trotz ihrer immer wieder zutage tretenden reaktionären Ansichten sehr erfolgreich im Strom der konservativen Edelfedern mitschwimmen.

Rainer Meyer führt ein problematisches Doppelleben als "Don Alphonso". Ihm reicht es nicht, in Überschriften zu fragen, ob man Seenotrettung vielleicht einfach lassen sollte. Don Alphonso möchte und muss ständig einen Schritt weitergehen. Auf welt.de betreibt er zwei Blogs, sie tragen die Namen „Die Stützen der Gesellschaft“ und „Deus Ex Machina“. So hießen sie schon bei seinem alten Arbeitgeber der FAZ, und Don Alphonso wählte dort Titel wie „Der rote N**** auf dem Dach“ oder „Der ostafrikanische Kulturkreis als Erklärung für sexuelle Nötigung“. In den Texten werden solche Überschriften dann solange blumig relativiert, bis einen diese nervtötende Sprache so eingelullt hat, dass man selbst kaum noch wahrnimmt, was einem da eigentlich ins Gehirn gepflanzt werden soll. Don Alphonso ist der barocke Landschaftsgärtner der rechten Ideologien und Autor beim Springer-Konzern. Und genau das macht ihn so gefährlich.

Als "Don Alphonso" greift Meyer nicht nur rhetorisch und moralisch immer wieder in die unterste Schublade. Wer auf seinem Twitter-Account erwähnt wird, läuft Gefahr, sich eine neue Telefonnummer oder sogar Wohnadresse zulegen zu müssen. Wird der Name des Arbeitgebers veröffentlicht, kann aus dem anfänglichen Shitstorm eine ernste Bedrohung werden. Betroffene, die der Hetze von "Don Alphonso" und seiner Anhänger ausgesetzt waren, berichten zudem von geleakten Adressen und Telefonnummern. Drohanrufe und unzählige Bestellungen auf ihre Namen waren die Folge.

Meyers Anhängerschaft besteht unter anderem aus bekannten und einflussreichen Rechts­extremen. Von den 133 aktivsten Accounts, die beispielsweise Inhalte der "Identitären Bewegung" (IB) auf Twitter teilen, folgen 62 Prozent "Don Alphonso", analysierte der linke „Volksverpetzer“-Blog kürzlich. Inhalte, die sonst „nur“ von unzähligen Accounts rechter Trollarmeen verbreitet werden, werden durch "Don Alphonso" und seine Position als Welt-Autor legitimiert und bekommen so einen bürgerlichen Anstrich.

Auf eine Anfrage der taz, wie „Die Welt“ zu den Vorwürfen gegen ihren Autor stehe, verweist man auf einen kürzlich erschienenen Kommentar von Peter Praschl. Der allgemeine Tenor im Springer-Haus lautet: Wer die Hasskampagnen ihres Autors kritisiert, stellt sich gegen die Meinungsfreiheit und betreibt damit sogenannte linke Hetze. Wer Hetzer kritisiert, wird selbst zu einem gemacht. Wer rechte Menschenfeinde bekämpfen möchte, dem werden die angeblich gleichen Methoden vorgeworfen. Und wer sich in seinem Blatt einen Rainer Meyer leistet, um vermeintlich die Meinungsfreiheit zu schützen, der ist mitverantwortlich für die für viele offenbar immer noch unvorstellbaren Auswüchse dieser Politik.

NatsAnalyse (Momentum Institut) zu rechten Shitstorms wurde redigiert und zusammengefasst vom AIB (CC BY-SA 4.0), der Artikel „Der Troll vom Tegernsee“ von Juri Sternburg erschien zuvor in der taz. Wir danken herzlich.