USA: Trumps Sturmtruppen
Die Gewalt von rechten Gruppierungen in den USA gegen Linke und „Black Lives Matter“-Aktivist_innen reißt nicht ab (Vgl. AIB Nr. 127). Neu hinzugekommen scheint die offene Unterstützung dieser Anschläge durch den Präsidenten der USA, Donald Trump.
Im August 2020 erschießt in Kenosha ein 17-jähriges Mitglied einer selbsternannten Bürgerwehr zwei Menschen. Trump erklärte wenig später, dieser habe in Notwehr gehandelt, obwohl keiner der Erschossenen eine Waffe trug. Wenige Tage später fahren in Portland mehr als hundert Pick-Up-Trucks mit Trump-Anhängern durch die Straßen, gezielt kalkulierend, dass sie hierdurch Proteste provozieren würden. Von den Autos feuern diese mit Paint-Ball-Gewehren und Pfefferspray auf Aktivisten von „Black Lives Matter“. Trump bezeichnete die Mitglieder von Patriot Prayers daraufhin als „großartige Patrioten“. Wer sind diese in den USA auftauchenden Gruppierungen, die mit gezielter Gewalt gegen Linke und die „Black Lives Matter“-Bewegung vorgehen?
„Patriot Prayer“
Eine der derzeit aktivsten Gruppen sind die „Patriot Prayer“. Sie gründeten sich 2016 während des Trump-Wahlkampfs und sind vor allem an der Westküste der USA, besonders aber der Bay Area rund um San Francisco und weiter nördlich in Portland aktiv. Auch wenn die Gruppe personell eher klein ist, kann Sie dennoch durch ihre starke Präsenz in Social-Media und Telegram-Kanälen eine hohe Anzahl von gewaltbereiten Unterstützern mobilisieren. Markenzeichen der „Patriot Prayer“ ist es, in Städten, die als demokratisch bzw. „links“ bekannt sind, in hoher Anzahl aufzumarschieren. Die Gegenproteste werden dann als „ Angriffe auf die Meinungsfreiheit“ bezeichnet und gezielt angegriffen.
Joseph „Joey“ Gibson, Anführer der „Patriot Prayer“, riet seinen Unterstützern, auf Aufmärsche immer mit Schusswaffen zu gehen. Mitglieder bedrohten mehrfach den Bürgermeister von Portland und Antifaschist_innen: „Ihr werdet Messer in Eure Kehlen kriegen. Ihr werdet Kugeln in Eure Köpfe kriegen“. Im Oktober 2018 wurden vier Mitglieder der Organisation mit Schusswaffen auf einem Dach in Portland festgestellt – in unmittelbarer Nähe von „Black Lives Matter“-Protesten. Im Januar 2019 riefen die „Patriot Prayer“ dazu auf, linken Aktivist_innen die Tücher vom Gesicht zu reißen und diese abzufotografieren. Zuletzt griffen am 8. September 2020 in Salem Mitglieder der „Patriot Prayer“ Gegendemonstrant_innen mit Baseballschlägern und Pfefferspray an.
Die „Patriot Prayer“ können bei ihren Aktionen auf Unterstützung aus Sicherheitskreisen zählen. Ein Polizist versorgte die Gruppe bereits 2018 mit Informationen über antifaschistische Gruppen und Personen in Portland. Mitglieder wurden vor Verhaftungen gewarnt. Dabei sind die „Patriot Prayer“ keine typische rechte Miliz, die Wert darauf legt, dass in ihr nur „echte“ Weiße sind. So hat z.B. der Anführer der „Patriot Prayer“ Joey Gibson u.a. japanische Vorfahren. Die „Patriot Prayer“ sind damit eine relativ neue rechte Strömung in den USA, die sich als Alt-Lite (in Abgrenzung zur Alt-Right) bezeichnet und in denen auch nicht-weiße akzeptiert sind. Nichtsdestotrotz sehen sie sich selber als weit rechts stehend mit klaren Sympathien für faschistische Staaten. Regelmäßig zeigen sich Mitglieder mit T-Shirts auf denen „RWDS“ steht (right-wing death squads). Man wolle die Nation gegen Kommunist_innen und Anarchist_innen verteidigen. Großes Vorbild: Diktator Pinochet der in den 1970er Jahren in Chile tausende Linke foltern und ermorden ließ. Das gemeinsame Bindeglied der „Patriot Prayer“ ist also so simpel wie effektiv: Mit Gewalt gegen die Linke und für Trump. Bis zu den Wahlen in den USA am 3. November kündigte die Gruppe zahlreiche weitere Aufmärsche an.
„Proud Βoys“
Eine weitere Gruppierung, die in den letzten Jahren durch Gewalttaten auffiel, sind die „Proud Boys“. Anders als die „Patriot Prayer“ kann der Gründer der „Proud Boys“, Gavin McInnes, auf eine erfolgreiche Karriere bei verschiedenen rechten Medien und als Autor zurückblicken und gilt als einer der ersten „Hipster“. Wie die „Patriot Prayer“ gründeten sich auch die „Proud Boys“ im Jahr 2016. Sie fielen in der Medienlandschaft durch ihre Strategie auf, sich gezielt mit Prominenten fotografieren zu lassen: Seien es Unterstützer wie z.B. republikanische Politiker oder Gegner wie Whoopie Goldberg. Hauptsache man hatte Bilder.
Auch obskure Regeln und einheitliche Kleidung machten die „Proud Boys“ bekannt: Schwarze Polohemden mit gelbem Rand, ein angeblich vierstufiges Aufnahmeritual (Schwüre, Schläge, Tätowierungen, gezieltes Suchen einer Schlägerei) und natürlich die regelmäßigen gewalttätigen Auseinandersetzungen mit politischen Gegner_innen. Ähnlich wie die „Patriot Prayer“ bietet die Organisation Platz für Menschen verschiedener ethnischer Herkunft. Auch wenn das Marketing der Gruppe einer anderen Strategie folgt: Die Ideologie ist fast deckungsgleich mit der der „Patriot Prayer“: Weiße Identität und Kultur würden belagert und angegriffen und müssten mit Gewalt verteidigt werden.
Was die Gruppierungen eint: Der Hass auf Linke und Muslime und die Verehrung von Donald Trump. Von Beginn an suchten die „Proud Boys“ Konfrontationen in als links geltenden Städten der USA. Weithin bekannt wurden die Angriffe in Berkeley 2017 und an der Universität in NYC. Zusammen mit den „Patriot Prayer“ suchten die „Proud Boys“ auch die Konfrontation in Portland, z.B. als sie 2019 versuchten, ein Treffen der „Demokratischen Sozialisten von Amerika“ in Portland zu stören – und daran von Antifaschist_innen gehindert wurden. Dabei sind die „Proud Boys“ nicht einfach nur eine weitere rechte Gruppe. Vielmehr ist diese gut vernetzt und erfahren im Umgang mit den Medien. Roger Stone, ein direkter Berater von Donald Trump, ist mit Mitgliedern der Gruppe befreundet. Stone engagierte die „Proud Boys“ 2018 als seine persönliche Security. Jacob Engels, ein Mitglied der „Proud Boys“ und gleichzeitig Journalist, hatte vollen Zugang auf die Social Media Accounts von Stone.
Historische Einordnung
Beide beschriebenen Gruppen sind neuere Phänomene der amerikanischen Rechten. Sie sind an der Grenze zwischen der Alt-Right-Bewegung (die sich stark rassistisch und antisemitisch definiert) und der neueren Alt-Lite-Bewegung (die weniger „white supremacists“ ansprechen will), wo der Kit der gemeinsame Hass auf Muslime, Linke und Feminismus ist.
Die enge Vernetzung von Trumps Umfeld mit extrem rechtenGruppierungen ist weder eine Überraschung – noch historisch eine neue Entwicklung. Faschistische Parteien hatten immer bewaffnete Milizen, die sie zur Verteidigung und mehr noch zum Angriff nutzten. Die italienischen Squadristen drangen in den frühen zwanziger Jahren in rote Landstriche Italiens ein und schlugen Protest mit brutaler Waffengewalt nieder. In Deutschland verfolgte die SA ab 1927 die gleiche Strategie: In traditionell roten Vierteln marschierte die SA in Uniform und bewaffnet auf oder mietete große Säle für Veranstaltungen. Gab es Proteste, wurde mit Waffen dagegen vorgegangen. Die SA stand im öffentlichen Diskurs am Ende immer als Sieger da. Hatte es Ausschreitungen gegeben, konnte die SA auf die bürgerkriegsähnlichen Zustände verweisen, die der demokratische Staat zulassen würde. Gab es aber keinerlei Proteste, konnte die SA nach und nach Stützpunkte in den Vierteln errichten und den Terror dort permanent machen.
Trumps Strategie ist daher so durchsichtig wie skrupellos: In demokratisch regierte Städte und Staaten werden Bundespolizisten und Trump-Anhänger, wie die „Proud Boys“ oder die „Patriot Prayer“ geschickt, die dort solange provozieren, bis sich Widerstand dagegen entwickelt. In republikanisch regierten Regionen soll es hingegen ruhig bleiben. Das Bild, das dadurch entstehen soll: Wo die Demokraten herrschen, herrscht Chaos, wo die Republikaner herrschen, regiert „Law and Order“. Diese Strategie wird auch von den Beratern Trumps freimütig eingeräumt: Die Beraterin Kellyanne Conway äußerte gegenüber Fox News offen: „Je mehr Chaos und Anarchie und Vandalismus und Gewalt regiert, desto besser ist es für uns“. Klar fasst es der Bürgermeister von Portland so zusammen: Trump schuf durch seine brachiale Rhetorik erst die Gewalt in Portland, die er jetzt dem Bürgermeister ankreide.