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"Hammerskins" Worldwide

Exif-Recherche
Einleitung

Internationale Treffen sind Dreh- und Angelpunkt zur Ausrichtung der "Hammerskin Nation" und ermöglichen es länderübergreifend zu reagieren, sollten lokale Chapter1 in Schwierigkeiten stecken. Auch um die Koordination der weltweiten Geschäfte der Bruderschaft am Laufen halten zu können, braucht es regelmäßige Treffen.

  • 1Als Chapter werden die regionalen Ableger der "Hammerskin Nation" bezeichnet.
Bild: Screenshot facebook

Konzert der "Portugal Hammerskins" in Lissabon um 2011, an dem auch Mitglieder des Chapter "Sachsen" teilnahmen

Meetings zur länderübergreifenden (Problem)Koordination

Ein landesweites Treffen, das sogenannte „National Officers Meeting“ (NOM) findet alle zwei bis drei Monate statt, abwechselnd ausgerichtet vom jeweils regional zuständigen Chapter. In Deutschland kommen dabei zwischen 50 und 70 Personen zusammen. Ein Treffen auf europäischer Ebene - an dem im Durchschnitt ebenso viele Personen teilnehmen - wird als „European Officers Meeting“ (EOM) bezeichnet. Es findet bis zu vier Mal im Jahr über ein ganzes Wochenende statt. Auch hier ist das jeweilige Land für die Logistik und Umsetzung der Zusammenkunft zuständig. Sowohl beim EOM als auch bei einem NOM sind nicht nur, wie der Name des Treffens eigentlich suggeriert, die „Officers“ anwesend, sondern auch Mitglieder ohne spezielle Rolle. Prospects1 müssen bei bestimmten Punkten der Tagesordnung das Treffen verlassen. Bei den EOMs und NOMs gibt es jedoch Extra-Treffen, die ausschließlich von den „Officers“ besucht werden. Ob NOM, EOM, „Summercamp“ oder „Wintercamp“: Die dort geführten Debatten bleiben intern und wichtige Entscheidungen werden „face to face“ besprochen.

Portugal: Waffen, Drogen & „Hells Angels“

Im Jahr 2006 schickt der portugiesische Geheimdienst SIRP einen Bericht an das „Bundesamt für Verfassungsschutz“ in Köln, in dem er mitteilt, dass nach seinen Kenntnissen Thomas Gerlach ("ACE") für Waffenlieferungen an die „Portugal Hammerskins“ (PHS) verantwortlich sei. Von besonderem Interesse seien Schalldämpfer gewesen, diese habe Gerlach über den Neonazis Alexander Larrass (heute Rotelli)2 in der Schweiz besorgen wollen.

Zwischen Gerlach und den portugiesischen "Hammerskins" bestehen enge Bande. 2006, als in Jena das neonazistische „Fest der Völker“ stattfinden sollte, war auch der damalige Chef der PHS Mário Machado als Redner eingeplant. Gerlach hatte das „Fest der Völker“ an führender Stelle organisiert – u.a. mit dem NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben. Machado hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine Haftstrafe verbüßt, da er 1995 aus rassistischen Motiven den 27-jährigen Alcindo Monteiro auf den Straßen Lissabons so schwer zusammenschlug, dass dieser starb. Kurz vor dem „Fest der Völker“ 2006 wurde Machado in Portugal erneut verhaftet, wieder auf freiem Fuß plante er mit 30 Neonazis der „Frente Nacional“ und mit französischen "Hammerskins" nach Jena zu reisen. Thomas Gerlach würde sie an der französisch-deutschen Grenze abholen. Das „Fest der Völker“ fand zwar nicht statt, aber im Jahr 2006 wurden Machado und seine „Portugal Hammerskins“ von Gerlach und den „Hammerskins Sachsen“ u.a. mit einem „Ritteressen“ auf der Leuchtenburg bei Jena unterhalten. Der NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben war Teil der Runde.

2007 kam es zu einem weiteren Einsatz der Terrorismusabwehreinheit der portugiesischen Polizei gegen die PHS und Mário Machado. 27 Personen wurden u.a. der Besitz illegaler Waffen und Entführung vorgeworfen – vierzehn Personen gehörten dem Chapter „Portugal“ an. Wenige Tage nach der Durchsuchung fand eine Konferenz der europäischen extremen Rechten in Lissabon (Portugal) statt, auf der auch Thomas Gerlach als Redner angekündigt wurde. Acht Tage nach der Konferenz hielten deutsche "Hammerskins" ein „National Officers Meeting“ (NOM) ab. Laut der Meldung eines Teilnehmers des Treffens, der zu dem Zeitpunkt als V-Mann für den Geheimdienst tätig war, habe man sich u.a. über die Vorfälle in Portugal ausgetauscht. Die portugiesischen Behörden hatten über die "Hammerskins" Kontaktsperren verhängt. Diese galt es, laut der Diskussion auf dem NOM, zu „unterwandern“. Es wurde entschieden, dass sich darum „ACE“ (Alias von Gerlach) kümmern soll.

2016 folgten weitere Razzien bei Mitgliedern der PHS. Gegen rund 20 Personen des Chapters wird wegen „Hassverbrechen“ und Angriffen auf 20 Menschen sowie einem versuchten Mord ermittelt. Während seiner Haft verlor Machado offenbar die Kontrolle über sein Chapter - Kokain und Heroinhandel wurde offenbar zum Problem. Konflikte und Intrigen der Portugiesen landeten mehrfach auf der Tagesordnung der europäischen „Hammerskin Nation“.

Auch Probleme zwischen dem dortigen „Hells Angels MC“ und den PHS wurden thematisiert. Die Hammerskins hätten, nachdem diese Gerüchte aufkamen, ein Essen mit führenden Personen des lokalen „Hells Angels MC“ Charter arrangiert. „Wir haben keine Probleme mit ihnen (...) aber wir wollen keine Scheiße und keine schlechten Worte mehr darüber hören. Also, wir haben den ‚Krieg‘ gegen sie gewonnen, den ‚Krieg‘ den sie angefangen haben.“ - hieß es dazu von seiten der Hammerskins. Im „Krieg“ mit dem „Hells Angels MC“ zu sein heißt, sich mit den Kreisen der organisierten Kriminalität anzulegen. Erstaunlich, dass sich die "Hammerskins" als Gewinner dieses „Kriegs“ erachteten.

Auch die interne Auseinandersetzung in Portugal scheint mittlerweile geklärt und es findet ein reger Austausch zwischen den „Portugal Hammerskins“ und ihren „Brüdern“ der anderen Chapter statt.

Expansion nach Südamerika

Die „Portugal Hammerskins“ waren es auch, die sich als Leumund um Neonazis aus Brasilien kümmerten, welche sich um 2016 als „Crew 38“3 aufstellten und seit Herbst 2020 als vollwertiges Chapter „Hammerskins Brasil“ bezeichnen dürfen.

Dem Chapter gehören heute "prominente" Personen der brasilanischen Neonazi-Szene an. Etwa Alexandro Carneiro, Sänger der bekannten Rechts-Rock-Band „Zurzir“, der heute in den USA lebt und dort auch bei „38 Warmachine“ spielt. Carneiro war es, der bereits 2016 u.a. deutsche "Hammerskins" besuchte und sich in T-Shirts der „Crew 38 Rheinland“ präsentierte.

Auch Miguel D‘Almada ist kein Unbekannter. Er stammt ursprünglich aus Portugal, verzog aber 2017 nach Brasilien. Bekanntheit erlangte er als führendes Mitglied der Fangruppe „Juve Leo“ des Fußballclubs "Sporting Lissabon". Er war u.a. in die Produktion und den Verkauf von ofziellen Fanmaterial des Clubs involviert, soll aber aufgrund von Unstimmigkeiten über den erzielten Gewinn in Streit mit den anderen Beteiligten gekommen sein. Dies soll laut Insidern aus der Fanszene von "Sporting Lissabon" zu seinem Umzug nach Brasilien geführt haben. Dort geriet er 2017 erneut in den öffentlichen Fokus, weil er im Namen der Fangruppe „Rapaziada1906“ auf YouTube Videos veröffentlichte. Brisant war dabei, dass er private Anschriften und Daten von Schiedsrichtern und Kommentatoren preisgab, die mit dem Fußballclub "Benfica Lissabon" in Verbindung stehen. D‘Almada nahm im November 2019 am „Hammerfest“ in Frankreich teil, bekleidet in Prospect-Merchandise.

Rund ein Jahr zuvor stand sein Mitstreiter, der Brasilianer und Prospect Laureano Vieira Toscani in Porto Alegre vor Gericht. Er war Teil einer Gruppe Neonazis, die am 8. Mai 2005 – dem 60. Jahrestag des Kriegsendes - eine Gruppe Juden in einer Bar zusammengeschlagen und mit Messern angegriffen hatten. Eines der Opfer wurde mit schwersten Verletzungen auf die Intensivstation gebracht. Toscani wurde zu 13 Jahren Haft verurteilt. „Free Laureano“ heißt es indes auf Grafiken im Netz, die von "Hammerskins" verbreitet werden.

João Guilherme Correa hingegen, der heute Fullmember des brasilianischen Chapters ist, wurde für seine Rolle in einem Mordfall bis heute nicht verurteilt. Er soll in der Nacht des 20. April 2009 maßgeblich an der Ermordung eines Paares in der Region um Curitiba beteiligt gewesen sein. Das Paar gehörte selbst der Neonazi-Szene an und feierte mit ihren Mördern noch am Abend den Geburtstag von Adolf Hiltler. In ihrer Radikalität soll das Paar, vor allem Bernardo Pedroso, nicht auf Linie gewesen sein. Pedroso, der in Curitiba als intellektuell und ein einflussreich galt, soll sich etwa gegen Angriffe auf Homosexuelle ausgesprochen haben. Er und seine Partnerin wurden in der Nacht des 20. April in einen Hinterhalt gelockt und dann durch Kopfschüsse getötet. Drei Neonazis, darunter João Guilherme Correa, wurden nach einer kurzen U-Haft wieder auf freien Fuß gesetzt und wurden bis heute nicht für die Tat verurteilt. Stattdessen schloss sich João Guilherme Correa den "Hammerskins" an und war im November 2018 u.a. in Deutschland auf Vorstellungsreise. Bilder, die damals entstanden, zeigen ihn etwa mit Prospect-Patch vor der früheren Villa des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels im brandenburgischen Wandlitz.

  • 1Als Prospects werden die Anwärter der "Hammerskin Chapter" bezeichnet.
  • 2Larras (Rotelli) galt früher als Leiter der "Ortsgruppe Göppingen der Aktion Sauberes Deutschland" und saß bereits wegen Verstößen gegen Waffengesetze in Haft.
  • 3Als "Crew 38" werden die Supporter der Hammerskins bezeichnet.