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Adelsnetzwerke und der Geschlechterkampf von rechts

Andreas Kemper (Gastbeitrag)
Einleitung

Der Antifeminismus tritt seit 1968 zunehmend als Opferideologie auf und muss entsprechend benennen, wer das Opfer des Antifeminismus sei. Entsprechend gibt es zwei grobe miteinander verbundene Strömungen des Antifeminismus: die Strömung des Maskulismus, die Männlichkeit und generell „den Mann“ als unterdrückt sieht und die Strömung des Familismus, die die sogenannte „traditionelle Familie“ als bedroht durch die „Abtreibungs-“, „Homo-“ oder aktuell „Translobby“ sieht.

Karl Prinz zu Löwenstein auf dem Katholikentag in Hannover
(Foto: Bundesarchiv, B 145 Bild-F013761-0005 / Steiner, Egon / CC-BY-SA 3.0)

Das ehemalige SA-Mitglied Karl Friedrich Fürst zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg war Präsident des "Zentralkomitees der deutschen Katholiken".

Der familistische Antifeminismus wird zumindest in Deutschland und Österreich durch ein Geflecht von miteinander verheirateten, verschwägerten und verwandten Mitgliedern des „Adels“ dominiert.

Aristokratische Familienclans



Es handelt sich bei diesem aristokratischen Familienclan um circa fünfzig Akteur*innen, von denen einige wie bspw. die Cousinen Johanna Gräfin von Westphalen (Christdemokraten für das Leben/ Stiftung „Ja zum Leben“) und Elisabeth Freifrau von Lüninck inzwischen gestorben sind. Ihre antifeministische Arbeit wird jedoch in zweiter und dritter Generation fortgesetzt: im Falle von Johanna von Westphalen bspw. durch ihre Tochter Elisabeth Hohenberg und ihrem Ehemann Nikolaus Hohenberg, der „Prinz Nikolaus, 4. Herzog von Hohenberg“ heißen würde, wenn Adelstitel in Österreich nicht verboten wären. Das Ehepaar leitete die Stiftung „Ja zum Leben“. Ihre Tochter Johanna Hohenberg wiederum – verheiratet mit Vincenz Waldstein-Wartenberg – arbeitet als Kommunikationsbeauftragte von „Alliance Defending Freedom (ADF) International“ in Wien.

Die ADF ist eine relevante internationale antifeministisch-christlichfundamentalistische Organisation aus den USA, in der auch die Tochter der bekannten katholischen Antifeministin Gabriele Kuby, Sophia Kuby untergekommen ist. Die ADF hat den Anspruch, Prozesse zu führen und Nachwuchs aufzubauen. Dieses Netzwerk ist dicht verzweigt und in einem kurzen Artikel kaum darstellbar. Vincenz Waldsteins Vater Carl Graf Waldstein hatte bspw. 1999 für Karl Habsburg-Lothringen die Partei „Christlich-Soziale Allianz“ für den Europawahlkampf gegründet. Mit deren gefühlter „Verantwortung vor den Ahnen“ ging es „gegen Abtreibungsrechte“ und für „Heimat, Familie“ und „christliche Werte“. Karl Habsburg ist Chef des „Hauses Habsburg“, also der Thronanwärter von Österreich-Ungarn.

Im Falle von Elisabeth von Lüninck wird die Arbeit durch ihre Tochter Hedwig von Beverfoerde fortgesetzt, die sich zunächst gegen Kitas und für die Herdprämie einsetzte und später dann – wie es sich für eine ‚Baronin‘ gehört – für die ‚Herzogin‘ Beatrix von Storch die Initiative Familienschutz und dann die „Demo für alle“ aufbaute.

Die „Demo für alle“ hatte die französische Bewegung „La Manif pour tous“ unter dem Vorsitz der „Adligen“ „Ludovine de la Rochère“ zum Vorbild und wurde tatkräftig von Mathias von Gersdorff (TFP) und vor allem von Alexander Tschugguel unterstützt. Dieser erlangte internationale Bekanntheit, weil er „heidnische“ Inka-­Statuen aus einer Kirche stahl und in den Tiber warf. Einer der Söhne von Beverfoerde heiratete vor kurzem Theresa Habsburg. Theresa Habsburg, jetzt Theresa Beverfoerde, war engagierte Rednerin bei den „Märschen für das Leben“ in Wien und München. Sie ist nicht einfach nur ‚Habsburgerin‘, also Nachfahrin des Kaisergeschlechts von Österreich-Ungarn. Mütterlicherseits stammt sie von den Gudenus ab, einige Tanten und Onkel machen Familienpolitik im Sinne des „Opus Dei“ (Gesellschaft für Familienorientierung/Stella). Ihr Vater Eduard Habsburg stammt einerseits von den Habsburger*innen ab, von denen viele seit Jahrzehnten antifeministisch aktiv sind.

"Forum Deutscher Katholiken"

Seine Mutter Christina Habsburg ist zudem die Tochter von Karl zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg. Die Löwensteins hatten traditionell die Präsidentschaft des "Zentralkomitees der deutschen Katholiken" (ZDK) inne. Als ein Journalist die Betätigungen von Karl zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg im Nationalsozialismus aufdeckte, legte dieser sein Amt nieder. Vor über zwanzig Jahren wurde das „Forum deutscher Katholiken“ als rechte Opposition des ZDK gegründet. Relevant war hier der Bruder von Christina Habsburg, Alois zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg. Beim „Forum deutscher Katholiken“ finden sich einige Adelige. Leo-Ferdinand Graf Henckel Donnersmarck unterstützte die Gründung, ebenso Gabriele Gräfin Plettenberg. Zum Kuratorium gehörten die inzwischen gestorbenen Otto von Habsburg und Johanna von Westphalen und aktuell u.a. Gloria von Thurn und Taxis und Alois Konstantin zu Löwenstein-Wertheim-­Rosenberg. Während einer ihrer Tagungen „Freude am Glauben“ wurden für die „Demo für alle“ Spendengelder gesammelt.

1990er Jahre: Beratungsschein

Adelige bauten in den 1990er Jahren eine Reihe von rechtskatholischen Familiennetzwerken auf. Gabriele Gräfin Plettenberg organisierte Internationale Familienkongresse in Bonn und Dresden. Johanna von Westphalen gründete die „Christdemokraten für das Leben“ und die Stiftung “Ja zum Lebensrecht“. Beide schrieben, wie auch Michaela Freifrau Heereman, Artikel für die "Opus Dei"-nahe Zeitungsbeilage „Werte und Wandel“. Viele dieser Adeligen sind organisiert im Malteser-Orden: Heereman, Ballestrem, Donnersmarck, um nur einige zu nennen.

Als sich eine Mehrheit unter den Katholik*innen in Deutschland abzeichnete, auch in katholischen Einrichtungen wie Caritas Beratungsscheine für Abtreibungen auszustellen, intervenierte Papst Johannes Paul II. Elisabeth Freifrau von Lüninck war in der "Arbeitsgruppe Schwangerschaftskonfliktberatung" genauso wie ihre adligen Mitstreiter*innen Consuelo Gräfin von Ballestrem (Mitglied im Stiftungsrat der Stiftung „Ja zum Leben“ ihrer Schwägerin Johanna von Westphalen) und Leo-Ferdinand Henckel Graf von Donnersmark im "Zentralkomitee der deutschen Katholiken" (ZDK), die einzigen, die gegen die Ausstellung von Beratungsscheinen stimmten. Dennoch setzten sich die Adeligen durch. Leo-Ferdinand Henckel Graf von Donnersmark reichte diese oppositionelle Haltung nicht: Er war im Jahr 2000 Mitbegründer des "Forums Deutscher Katholiken", dem rechtskatholischen Gegenentwurf zum ZDK.

„... nur wenige Personen

Im Publik Forum machte Thomas Seiterich bereits im Jahr 2000 im Artikel „Blaues Blut und tiefschwarze Aktionen“ auf die Dominanz des Adels im Rechtskatholizismus aufmerksam. Ähnlich hatte es bereits Cornelia Filter in der EMMA 1998 formuliert. Das „Verwirrspiel“ der vielen verschiedenen Organisationen solle eine „Massenbewegung vortäuschen“, hinter der aber „nur wenige Personen stecken“: „Aber die gehören zur christlichen Elite in diesem Land. Ohne demokratische Legitimation, ob vom Wahl- oder Kirchenvolk, übt dieses knappe Dutzend von fundamentalistischen Männern und Frauen einen großen Einfluß auf Politik und Medien in Deutschland aus.“ Sie erwähnt in ihrem Artikel den Adligen Nikolaus von Lobkovicz, ehem. Professor der "Internationalen Akademie für Philosophie", gegründet u.a. von Nikolaus von Liechtenstein. Auch Lobkovicz saß im Rat der Stiftung „Ja zum Leben“ und er war der Schwager von Alois Graf von Waldburg-Zeil, Vorstandsmitglied der "Opus-­Dei"-­eigenen "Fördergemeinschaft der Schulen in freier Trägerschaft".

Fürstentum Liechtenstein

Graf von Waldburg-Zeil ist Nachfahre der Löwenstein-Wertheim-Rosenbergs und wie Nikolaus von Lobkovicz auch Nachfahre der Liechtenstein-Linie. Verschwägert mit den Liechtensteinern sind auch die österreichischen Freiherren/-frauen der Gutmans. Rosa von Gutman überließ schon in den 1990er Jahren der "Piusbruderschaft" ihr Jagdschloss – das kommt bei Adligen häufiger vor.

Auch der Vater von Johanna von Westphalen überließ der umstrittenen „Ordensgemeinschaft der Diener Jesu und Mariens“ das Wasserschloss Haus Assen. Nach dem Tod der ‚Baronin‘ Gutman erbte die "Piusbruderschaft" 80-90 Millionen Euro, die vom aktuellen AfD-­Rechtsaußen Maximilian Krah damals durch den Aufbau von verschiedenen Stiftungen steuerfrei übernommen werden konnten. Noch ein letzter Hinweis auf die Liechtensteiner Fürstenfamilie: Eine Tante von Jakob Cornides heiratete den Fürsten Adam II. von Liechtenstein. Und Cornides, der Wert auf seine Adelsherkunft zu legen scheint, war maßgeblich an den europäischen anti­feministischen Geheimkonferenzen „Agenda Europa“ beteiligt.

Heereman, Kirche in Not, Legionäre Christi

Es sprengt eindeutig den Umfang dieses Artikels, den antifeministischen Familienclan des Adels hier angemessen darzustellen. Die "Gesellschaft zum Schutz von Tradition, Familie und Privateigentum" (TFP) wird daher in einem eigenen Artikel zu den Storchs/Oldenburger*innen dargestellt.

Es sei hier zum Schluss noch die Familie Heereman erwähnt. Johannes Freiherr von Heereman hatte ein wichtige Position beim defacto-Adelsverband "Malteserorden", als er gleichzeitig Präsident von „Kirche in Not“ wurde. Unter seinem Vorsitz erhielt das antifeministische Portal „Kathnet“ Zuwendungen von „Kirche in Not“. Seine Frau Michaela Freifrau von Heereman war Mitglied im "Päpstlichen Rat für die Familie", wie zuvor schon Gabriele Gräfin Plettenberg. Zudem lud Michaela Heereman 2018 zur Tagung „Wertevoll aufklären“ mit Teilnehmer*innen wie Leni (Reichsgräfin von) Kesselstatt (Familien Allianz Öster­reich) nach München ein. Organisiert wurde diese gegen die ‚Sexualpädagogik der Viel­falt‘ gerichtete Konferenz vom "Elternverein NRW", in dessen Vorstand sie sitzt.

Zwei von ihren Söhnen, Vinzenz und Sylvester Heereman sind Priester bei den „Legionären Christi“. Sylvester Heereman hatte kurzzeitig die weltweite Leitung der „Legionäre Christi“ inne. Hier finden sich neben Heereman weitere Priester aus Adelsfamilien wie von Ballestrem und von Wendt, deren Eltern natürlich das sog. „Reform Manifest“ des konservativen „Neuer Anfang“ gegen den „Synodalen Weg“ und gegen das Priesterinnenamt für Frauen oder die Anerkennung der „Ehe für alle“ unterschrieben haben. Die Theologin Nina Heereman, Tochter von Johannes und Michaela Heereman, unterstützt entsprechend auch die konservative Organisation „Maria 1.0“ gegen die progressivere Bewegung „Maria 2.0“.

In diesem Artikel können – wie bereits gesagt – die antifeministischen Verbindungen nur angerissen werden. Zu Thurn und Taxis oder zum "Malteserorden" gäbe es einiges mehr zu sagen, und auch die Familie Oldenburg und ihre Verbindungen zur TFP mussten leider außen vor bleiben. Auch konnte an dieser Stelle nicht diskutiert werden, warum die offensichtliche Dominanz des Adels im familistischen Antifeminismus so gut wie kein Thema ist.