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Die Hohenzollern als Unterstützer der NSDAP

Einleitung

Von Kronprinzen, Nazis und Schlössern.

Foto: Ex-Kronprinz Wilhelm und Hermann Göring vor dem Berliner Dom während der Gedenkfeier für Hans Maikowski und Josef Zauritz, 5. Februar 1933.
(Bild: Bundesarchiv, Bild 102-14437 / Georg Pahl / CC-BY-SA 3.0)

Der Kronprinz und der Führer: Wilhelm von Preußen (rechts) im Gespräch mit Reichskanzler Adolf Hitler am Tag von Potsdam am 21. März 1933.

Revolution 1918

Im Jahr 1918 beendete die Revolution den Ersten Weltkrieg und die Monarchie. Kaiser Wilhelm II. floh in die Niederlande. Das Haus Hohenzollern, welches den Deutschen Kaiser stellte, und alle anderen Adeligen wurden politisch entmachtet. Aber anders als in anderen Ländern und zu anderen Zeiten, mussten diese weder um ihr Leben noch um ihren Reichtum fürchten, denn die Weimarer Republik verfuhr sehr mild mit ihnen.

Das Vermögen und die Ländereien wurde zwar beschlagnahmt – sie bekamen aber Entschädigungszahlungen in erheblichem Umfang. So erhielt der ehemalige deutsche Kaiser - trotz Völkermord an den Herero und Nama und Millionen Toten durch den ersten Weltkrieg - zur Führung eines „standesgemäßen Unterhalts“ hohe Beträge vom verhassten demokratischen Staat, womit er sich z.B. das Schloss Doorn in den Niederlanden kaufte. Allein im ersten Jahr seines Exils gab er 66 Millionen Mark aus. 1919 erreichten 59 Eisenbahnwaggons mit Möbeln und Einrichtung aus diversen Berliner und Potsdamer Schlössern seinen neuen Wohnort. Noch 1926 wurden dem Haus Hohenzollern ein Drittel seiner bisherigen Schlösser überlassen – als der Ex-Kaiser 1941 starb, hatte er noch ein Vermögen von circa 13 Millionen Reichsmark.

Einen wirklichen Grund zur Klage hatten die Hohenzollern also nicht. Im Jahr 1923, als Hitler versuchte in München zu putschen, durfte der Kronprinz Wilhelm von Preußen, der Sohn des ehemaligen Kaisers, aus dem Exil nach Deutschland zurückkehren. Die Bedingung war, dass er sich aus der Politik heraushalten sollte. Doch er tat das genaue Gegenteil. Die Demokratie hatte dem Wolf die Tür geöffnet.

Die Hohenzollern und der National­sozialismus

Der ehemalige Kaiser schwelgte während seiner Zeit in Doorn in Verschwörungs- und Rachefantasien. In regelmäßigen Wutausbrüchen fantasierte er sich weiterhin als deutscher Kaiser, der einmal Vergeltung an allen Verrätern nehmen werde. 1919 schrieb er in einem Brief „Juden und Moskitos sind eine Plage. […] ich glaube das beste wäre Gas“. Das Haus Doorn wurde so schnell zum Zentrum der antidemokratischen und monarchistischen Rechten während der Weimarer Republik.

Aber Wilhelm II. sah Hitler und die NSDAP eher als Emporkömmlinge und Nutznießer der Revolution, die ihn um den Thron gebracht hatte und lehnte es daher ab, ein direktes Bündnis mit dieser Partei einzugehen – wenngleich er inhaltlich in seinem Hass auf Demokratie und Jüdinnen und Juden viele Gemeinsamkeiten hatte. In eine echte Machtposition konnte er nicht zurückkehren.

Anders dagegen sein erstgeborener Sohn, Kronprinz Wilhelm von Preußen. Dieser, genauso demokratiefeindlich eingestellt wie sein Vater, erkannte, dass ohne ein Bündnis mit den rechten Kräften der Weimarer Republik und später der erstarkten NSDAP, eine Rückkehr des Hauses Hohenzollern an die Schalthebel der Macht unrealistisch war. Er bewunderte den Faschismus in Italien und lehnte die Weimarer Demokratie aus ganzem Herzen ab. Ab dem Moment, in dem die Nazis zur relevanten politische Größe wurden, suchte er gezielt deren Nähe: Bei Wahlkämpfen ließ er sich im Gespräch mit NSDAP-Leuten fotografieren, er protestierte gegen SA-Verbote und schlug der NSDAP bei den Reichspräsidentenwahlen 1932 vor, ihn selber als Kandidaten aufstellen zu lassen. Als dieser Plan am Widerstand seines Vaters scheiterte, entschied er sich dazu, öffentlichkeitswirksam zur Wahl Hitlers als Reichspräsidenten aufzurufen. Dieser Aufruf sorgte national wie international für Aufsehen. Stolz verwies der Kronprinz einige Jahre später darauf, sein Aufruf habe der NSDAP circa zwei Millionen Stimmen aus dem konservativen Lager eingebracht. Auch wenn diese Zahl nicht messbar ist - Hitler galt mit diesem Aufruf zweifellos als akzeptabler Bündnisgenosse und der Kronprinz hatte all sein symbolisches Kapital für die Nazi-Partei in die Waagschale geworfen.

Der Kronprinz schloss auch weitere anti­republikanische Bündnisse. So war er an prominenter Stelle dabei, als der Wehrverband „Stahlhelm“ im September 1932 in Berlin 190.000 Mitglieder aufmarschieren ließ.

Bei der Betrachtung der Beziehungen der Familie Hohenzollern zu den Nazis müssen daher verschiedene Machtzentren mit unterschiedlichen Interessen berücksichtigt werden. Die beiden wichtigsten waren Doorn – als Aufenthaltsort des ehemaligen Kaisers Wilhelm II. – und Cecilienhof bei Potsdam als Lebensmittelpunkt seines ältesten Sohnes und (theoretischen) Thronfolgers Wilhelm von Preußen.

Auch ein weiterer Sohn des ehemaligen Kaisers, August Wilhelm – kurz nur AuWi genannt – unterstützte Hitler. Er trat bereits 1930 in die NSDAP ein und erhielt auf Hitlers Wunsch hin die sehr niedrige Mitgliedsnummer 24. In der SA stieg er bis zum Standartenführer auf. In regelmäßigen begeisterten Reden für die NSDAP konnte AuWi Wähler für die NSDAP gewinnen, die sonst vielleicht eher die DNVP gewählt hätten.

Nach dem Machtantritt der NSDAP war AuWi persönlich an der Ermordung von Albrecht Höhler beteiligt -  einem Mitglied des Rotfront-Kämpferbundes, der wegen der Ermordung des SA-Sturmführers Horst Wessel verurteilt worden war. Der Sohn von AuWi, Alexander Prinz von Preußen, trat wie sein Vater in die NSDAP ein. Auch die Söhne von Wilhelm, Friedrich und Hubertus, traten in die SA ein und posierten gemeinsam mit Ihrem Vater in SA Uniform für eine niederländische Zeitung.

Reale Macht konnten die Hohenzollern Hitler vor und nach dem Jahr 1933 nicht bieten – aber dafür etwas sehr viel Wertvolleres: Die symbolische Unterstützung der „alten Ordnung“ des Kaiserreichs. Hierbei spielten sowohl die inhaltliche Überzeugung für die nationalsozialistische Bewegung eine Rolle, als auch die Hoffnung auf eine Wiedereinführung einer Monarchie durch die Nazis – mit den Hohenzollern an der Spitze.

Hitler nutzte diese Unterstützung des prominenten Vertreters des Hauses Hohenzollern geschickt – blieb aber auf der Hut. Er fürchtete ein rechts-­konservatives Bündnis aus Hohenzollern, Reichswehr und Stahlhelm, welches sich ohne die NSDAP entwickeln könnte. Auch gab es besonders in der SA starke Anti-Adelige Strömungen und es stand außer Frage, dass man die Unterstützung zwar nutzte – aber nie eine Machtbeteiligung des Hauses Hohenzollern ernsthaft in Betracht zog, wenn man diese nicht mehr brauchte.

Nach der Machtübernahme wurde das gesamte Jahr 1933 ein regelrechtes „Schaulaufen“ des Prinzen und seines Bruders August-Wilhelm. Bei der Trauerfeier für den SA-Führer Hans Maikowski saß der Kronprinz im Berliner Dom in der ersten Reihe, beim „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933 waren neben dem Kronprinzen viele weitere Familienangehörige der Hohenzollern prominent anwesend und dokumentierten so ihre Bereitschaft, die neuen Machthaber zu unterstützen.

Im März 1933 schrieb der Kronprinz noch wenig galant, er werde „Jedem in die Fresse hauen, der sich der neuen Regierung verweigere“. Auch 1936 schrieb Kronprinz Wilhelm noch persönliche Unterstützungsbriefe an Hitler. Unterzeichnet mit „Sieg Heil“ und „Heil Deutschland“. Selbst der alte Kaiser Wilhelm II. meldete sich bei Gelegenheit aus Doorn, um Hitler zu seinem Sieg über Frankreich im Zweiten Weltkrieg zu gratulieren. Der Sohn Wilhelm gratulierte dem Führer zu seiner „Feldherrenkunst“ nach dem Sieg gegen die Niederlande und Belgien. Dem konservativen Widerstand gegen Hitler schloss sich niemand aus der Familie Hohenzollern an, auch wenn man später behauptete, man habe „Kontakt“ zum Widerstand gehabt.

Machtpolitisch hielten die Nazis die Hohenzollern fern. Sie benötigten sie nun nicht mehr. Goebbels schrieb in seinem Tagebuch 1934: „AuWi jammert. Hat kein Reno­mee mehr. Ich tröste ihn“. Der ehemalige Kaiser Wilhelm II. starb 1941 in Doorn.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Was während der Weimarer Republik nur mit Samthandschuhen und flankiert von hohen Entschädigungszahlungen betrieben worden war, wurde in der sowjetischen Besatzungszone, der späteren DDR, in kürzester Zeit und ohne Pardon durchgesetzt. 64 Liegenschaften der Hohenzollern und das Land vieler anderer Großgrundbesitzer wurden von der sowjetischen Besatzungsmacht entschädigungslos enteignet.

AuWi, der noch 1948 das KZ Buchenwald für seine Unterkunft, Sauberkeit, Essen, Bekleidung und die gärtnerischen Anlagen lobte, starb 1949. Der „ewige Kronprinz“ Wilhelm starb 1951. Doch mit der Wiedervereinigung 1989/1990 änderten sich die Machtverhältnisse erneut. Den beschlagnahmten Besitz aus der Weimarer Republik konnten die Hohenzollern nicht wiederbekommen, da sie hierfür bereits entschädigt worden waren. Aber auf die Besitztümer, die sie noch auf dem Gebiet der DDR gehabt hatten und die enteignet worden waren, bestand nun wieder Hoffnung. Denn: 1994 war ein Entschädigungs­gesetz verabschiedet worden, welches auf Enteignungen während der DDR zielte. Eine Ausnahme gab es jedoch: Ausgenommen von Entschädigungen waren jene, die dem Nationalsozialismus „erheblichen Vorschub geleistet“ hatten – die Nazis also unterstützt hatten.

Die Forderungen der Hohenzollern

Der aktuelle „Hauschef“ der Hohenzollern, Georg Friedrich Prinz von Preußen, ein Ururenkel des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II., witterte nun Morgenluft. In Berufung auf das Entschädigungsgesetz von 1994 verlangte das Haus Hohenzollern die Rückgabe von u.a. 5.000 Kunstwerken, ein dauerhaftes und kostenloses Wohnrecht auf Schloss Cecilienhof und weiteren Schlössern, das Inventar des ehemaligen Hohenzollernmuseum, Mitspracherecht in Stiftungen und einem noch zu schaffenden Hohenzollernmuseum, einen Teil der 19.000 Bücher der ehemaligen Schlossbibliothek, wertvolle Briefkonvolute, alle beweglichen Objekte aus den Schlössern in Brandenburg und vieles mehr. Mindestens 120 Verfahren wurden vom Haus Hohenzollern eingeleitet, um ihre „Rechtsansprüche“ zu untermauern.

Einziges Problem: Wie konnten die Hohenzollern beweisen, dass ihre Familie das NS-System nicht unterstützt habe? Aktive Formen des Widerstands oder nur Widerspruch gegen die Machtergreifung sind nicht auffindbar. Also wurden Gutachten in Auftrag gegeben, die belegen sollten, dass die Zusammenarbeit der Hohenzollern mit der Nazi-Partei vor 1933 entweder irrelevant war – oder aber sogar der „Zähmung“ der NSDAP dienen sollte – in keinem Fall aber der Machtergreifung „erheblichen Vorschub“ geleistet habe.

Das Land Brandenburg beauftragte eigene Gutachter. Pikant daran: Die Verhandlungen des Staates mit dem Haus Hohenzollern passierten lange Zeit hinter verschlossenen Türen und auch die Gutachten der Historiker standen der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung.

Stattdessen wurden Historiker, Ministerien und Zeitungen regelmäßig von Georg Friedrich verklagt, um den Druck aufrechtzuhalten. Historiker, die zu Schlussfolgerungen kamen, die den Auffassungen des Hauses Hohenzollern nicht entsprachen, wurden als „Lügner“ und „inkompetent“ diffamiert. Erst als der Satiriker Jan Böhmermann 2019 eigenmächtig alle Gutachten im Internet veröffentlichte und in einem satirischen Beitrag von „Neo Magazine Royale“ die Hohenzollern angriff, gelang es breiten Gegendruck gegen die Forderungen der Hohenzollern aufzubauen, sowie die Öffentlichkeit angemessen zu informieren und zu beteiligen. Ihm gehört daher der Verdienst, die jahrelangen Geheimverhandlungen beendet und eine demokratische und transparente Diskussion ermöglicht zu haben.

Die öffentliche Empörung über die Gier der Hohenzollern und die Dreistigkeit des 1976 geborenen Georg Friedrich von Preußen war nun groß, der Ruf der Hohenzollern – spätestens seit 1914 ohnehin nicht gerade der beste - sank auf einen weiteren Tiefpunkt. Nachdem Historiker und Journalisten die weiter oben aufgeführten Fakten nun einer breiten Öffentlichkeit vorstellen konnten und wirklich jede/r das Bild des Kronprinzen Wilhelm neben Adolf Hitler oder in SA-Uniform kannte, fing das Haus Hohenzollern an zurückzurudern.

Selbst Christopher Clark – ein Gutachter, der die Hohenzollern bis dahin entlastet hatte – wich nun von seiner ursprünglichen Position ab und unterstützte den Hohenzollern-kritischen Historiker  Stephan Malinowski, der vom Haus Hohenzollern verklagt und verleumdet worden war.

Im März 2023 erklärte der „Kronprinz“ nun, man werde die Klagen auf Rückerstattung von Schlösser und Kunstgegenstände zurückziehen und „Verzichte“ auf eine Rückerstattung – als ob es rechtlich weiterhin eine Basis dafür gebe. Plötzlich wurde erklärt, man „möchte den Weg freimachen für eine unbelastete Debatte in der Geschichtswissenschaft zur Rolle meiner Familie im 20. Jahrhundert nach dem Ende der Monarchie“.

Eine Entschuldigung für das jahrelange Prozessieren blieb aber bis heute aus – und die Debatte ist auch ohne diese „Genehmigung“ geführt worden, obwohl alles dafür getan worden war, genau diese zu verhindern.

Fazit

Die Familie Hohenzollern erklärte nach 1945 die Annäherung an die Nazis unter anderem damit, man habe versucht die NSDAP zu „zähmen“, sei „getäuscht“ worden und bedauere dies nun im Nachhinein.

Die Wahrheit ist wohl eine andere: Führende Vertreter der Hohenzollern wollten den Aufwind der Nazis dafür nutzen, um selber wieder näher an die Macht zu rücken – vielleicht sogar in der Form einer reformierten Monarchie wieder an der Spitze des Staates stehen zu können. Eine Historikerin urteilte: „Der Kronprinz ging mit jedem Gegner der Weimarer Republik ins Bett“.

Dass die Nazis nach dem Machtantritt schnell jedes Interesse an den alten Eliten verloren, mag eine herbe Enttäuschung gewesen sein – ändert aber nichts daran, dass man die Nähe bewusst gesucht und die Unterstützung Hitlers öffentlichkeitswirksam wiederholt und eindeutig dokumentiert ist. Prof. Dr. Malinowski, der von der Familie Hohenzollern mehrfach verklagt und abgemahnt worden war, schrieb 2014 in seinem Gutachten: „Der Versuch eines direkt zwischen Hitler und dem Kronprinzen verhandelten Planes für eine gemeinsame Übernahme der Macht ist dokumentiert“ und kommt zu dem Schluss: „Sein Gesamtverhalten hat der Errichtung und Festigung des nationalsozialistischen Regimes erheblichen Vorschub geleistet“.

Dass das Haus Hohenzollern überhaupt soweit mit seinen Forderungen kam, liegt sicherlich auch daran, dass in den letzten Jahren adelige und rechte Kräfte um die AfD mehr und mehr ein glorifizierendes Preußenbild voranbrachten, wodurch eben auch die Forderungen der Hohenzollern plötzlich als diskussionswürdig angesehen werden konnten. Es ist zu hoffen, dass diese Debatte dafür gesorgt hat, nicht nur die Entschädigungswünsche der Hohenzollern ein für allemal zu beenden, sondern auch die Wachsamkeit gegenüber adeligen Kreisen, die im rechten Fahrwasser der AfD schwimmen, wieder zu stärken.