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Günter Schwannecke: Aktives Gedenken in Charlottenburg an Opfer rechter Gewalt

Schwannecke Broschüre

Die beiden wohnungslosen Künstler Günter Schwannecke und Hagen Knuth sitzen am 29. August 1992 auf der Bank eines Spielplatzes an der Pestalozzistraße in Berlin-Charlottenburg, um gemeinsam Geburtstag zu feiern. In dieser Situation tauchen die zwei Neonazis Norman Zühlke und Hendrik Jähn auf, beleidigen andere anwesende Personen rassistisch und wollen sie anschließend – bewaffnet mit einem Baseballschläger – vom Ort verjagen. 

Schwannecke und Knuth mischen sich ein und werden nach einem Wortgefecht von den Neonazis angegriffen und dabei so stark verletzt, dass sie in ein Krankenhaus eingeliefert werden müssen. Während sich der Zustand von Knuth trotz schwerem Hirntrauma stabilisiert, verstirbt Günter Schwannecke am 5. September 1992 an den Folgen von Schädelbruch und Hirnblutungen. In der folgenden medialen Berichterstattung und dem anschließenden Prozess wird er „nur noch stigmatisierend als betrunkener ‚Stadtstreicher‘ dargestellt – ohne Lebensgeschichte.“

Diese Stigmatisierung von Schwannecke ist auch auf einen gesellschaftlich weit verbreiteten Sozialdarwinismus zurückzuführen, wie Lucius Teidelbaum in seinem Beitrag verdeutlicht. Gemeint ist damit eine Vorurteilsstruktur, die „die Abwertung von Menschen auf Grund des zugeschriebenen sozialen Status“ umfasst und „reale soziale Ungleichheit […] zur Ungleichwertigkeit transformiert.“ Ein damit verbundenes Vorgehen gegen soziale Randgruppen geht dabei nicht nur von einzelnen Täter*innen aus – auch wenn sich diese nicht selten durch die breite Akzeptanz der Ablehnung legitimiert fühlen - sondern kann gesellschaftlich und politisch organisiert sein. Hierzu gezählt werden Bettel- und Alkoholkonsumverbote, polizeiliche Platzverweise, Kameraüberwachung oder die architektonische Verdrängung. „Sitzbänke, Abfallbehälter oder Nischen werden so entworfen und eingerichtet, dass sie keinen Schlafplatz oder Pfand-Fundstelle mehr darstellen.“

Die "Antifa Westberlin" macht deutlich, dass antifaschistische Erinnerungs- und Gedenkpolitik zwar die Perspektive von Betroffenen in den Mittelpunkt stellen sollte, eine Auseinandersetzung mit den Täter*innen, ihrer Ideologie und den sie tragenden Strukturen dennoch notwendig ist. Im Falle von Norman Zühlke zeigen sich dabei Verbindungen zu militanten und rechtsterroristischen Strukturen der 1990er Jahre, die vom Staat lange verharmlost oder nicht erkannt wurden. Er selbst war Mitglied einer lokalen "Ku-Klux-Klan"-Gruppe und schloss sich später den "Hammerskins Berlin" an. Zühlke wurde wegen Körperverletzung mit Todesfolge und schwerer Körperverletzung zu sechs Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt.

Erst der 2012 gegründeten „Günter-­Schwannecke-Gedenkinitiative“ ist es zu verdanken, dass die weithin vergessene Tat erneut in das Bewusstsein gerückt und mit einer Gedenkveranstaltung zum 20. Todestag auch erstmals öffentlich erinnert wurde. Schon ein Jahr später konnte ein Gedenkstein am Tatort eingeweiht und der Spielplatz nach Schwannecke benannt werden. 

Es geht der Initiative aber auch darum, seine Lebensgeschichte in den Vordergrund zu stellen: „Den Neonazis, die Schwannecke, den wohnungslosen Mann, ermordet hatten, wollten wir nicht das letzte Wort über die Erinnerung an ihn lassen.“ Aus dieser Perspektive antifaschistischer Gedenkarbeit heraus ist 2022 zum 30. Todestag u.a. eine Broschüre entstanden, die diesem Anliegen gerecht wird und hoffentlich motivieren kann, auch anderen „namenlosen“ Opfern rechter Gewalt ein Gesicht zu geben und ihre Geschichten nicht zu vergessen.

Redaktionskollektiv „Niemand ist vergessen“
Günter Schwannecke
Aktives Gedenken in Charlottenburg an Opfer rechter Gewalt
Berlin 2022. 20 Seiten
Kostenlos als PDF: 

https://berlin.niemandistvergessen.net/wp-content/uploads/sites/32/2023…