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Coburg: "CC Ade"

Bündnis „Studentische Verbindungen auflösen“ (Gastbeitrag)
CC Vaupel
(Bild: Screenshot youtube/rtl_news)

Der CC-Pressesprecher Martin Vaupel kann mit dem „Burschi Bingo“ nichts anfangen.

Am Pfingstwochenende 2024 trafen sich erneut tausende Verbindungsstudenten in Coburg zum „Coburger Convent“ (CC). Und erneut hat das Bündnis „Studentische Verbindungen auflösen“ gemeinsam mit anderen Gruppen Kritik an den Männerbünden des CC auf die Straßen gebracht.

Was ist der CC? 

Der „Coburger Convent“ vereinigt „Turner- und Landsmannschaften“ aus Deutschland und Österreich. Sie alle eint eine mehr oder weniger nationalistische, elitäre und sexistische Weltanschauung. Der Pfingstkongress ist für den CC eines der wichtigsten jährlichen Events. Hier werden Entscheidungen für den Verband gefällt und einige fragwürdige Traditionen gepflegt. Am Pfingstmontag wird zum Beispiel den „gefallenen Brüdern“ aus dem 1. und 2. Weltkrieg gedacht, an einem von Adolf Hitler eingeweihten Denkmal, während die CCler „Wichs“ tragen, eine an das Militär aus dem Kaiserreich angelehnte Uniform. Abends geht das Programm weiter mit einem Fackelmarsch, auf dem die uniformierten Männer auf der ehemaligen „Straße der SA“ marschieren. 

Das gesamte Wochenende lang wird die Stadt von betrunkenen Männern geprägt, denn Bierkonsum sei ein wichtiger Teil der „Korporierten-Kultur“. Insbesondere der Montag (Fackelmarsch) zieht auch neonazistische Teilnehmer wie die des „Der III. Weg“ an.

Es gibt vieles, was den Dachverband pflichtschlagender Studentenverbindungen verabscheuenswürdig macht: Seien es durch Leaks bekannt gewordene Intrigen gegen Lokalpolitiker1, Angriffe auf Journalist*innen2, der Filz innerhalb der Stadtverwaltung3, Strafvereitelung und Schutz von „Hitlergrüßern“4, „strafbarer Ehrenhandel“ der „Turnerschaft Munichia Bayreuth“ bei einer Mensur in Erlangen5 oder die geduldeten in Teilen neonazistisch geprägten Verbindungen wie die „Thuringia Berlin“6. Es gibt so viel Kritik an den Korporierten, dass wir an dieser Stelle nicht alles zu Papier bringen können. Wir wollen uns an einem Rückblick auf das Protestwochenende versuchen. 

Ein Protestcamp war dieses Jahr nicht möglich, da die Unterstützung der Stadt mit öffentlicher Infrastruktur lediglich dem „Coburger Convent“ zu teil wird. Trotzdem nutzten wir die Infrastruktur der Stadt und klärten mit einer Plakataktion über den CC auf. Einen Tag nach der Plakatierung forderte das Ordnungsamt uns auf, zwei von vier Plakaten wegen vermeintlicher Falschinformation und Urheberrechtsverletzung abzuhängen. Auf einem Plakat zensierten wir daraufhin die zu sehenden „Alten Herren“. Da das auf dem anderen zu sehende Zitat über Polizeiwillkür auf dem Fackelmarsch aus einer Lokalzeitung stammte und mit Quelle angegeben war, blieben diese Plakate hängen. 

Den Startschuss zum Aktionswochenende gab ein Pubquiz. Den souveränen zweiten Platz belegte ein Team namens „Bierpisser“. Diese waren zwar als Anhänger einer Schülerverbindung bekannt, bekamen aber dennoch ihre Belohnung in Form eines Umhängebeutels. In einem CC-internen Forum prahlte man danach mit Bildern des Beutels und feierte die „Unterwanderung“. Offenbar ortsüblich wurde hier beim CC mitgelesen7. Wir bedanken uns bei den drei „Bierpissern“ für die entrichtete Teilnahmegebühr und die daraus entstandene Demonstrationsparole „Eure Kinder werden so wie wir, eure Kinder pissen euch ins Bier“.

Freitag & Samstag

Schon zum traditionellen „Einzug der Präsidierenden“ in die Stadt waren wir vor Ort - im Gegensatz zu den Burschen der eigentlich präsidierenden „Landsmannschaft Thuringia“. Diese wurde kurz vor dem Convent wegen extrem rechter Vorfälle abgesetzt. Ein Erfolg vor allem der Recherchearbeit der „Autonomen Antifa Freiburg“.

Dementsprechend traurig fiel der Einmarsch aus, nahezu vollkommen übertönt von den Gegenstimmen der Kundgebung. Gleichzeitig war diese von der Polizei in Gitter eingepfercht, die die Kontaktaufnahme mit Passant*innen quasi verunmöglichten. Dennoch würden wir die anschließende Dauerbeschallung des Marktplatzes, der an diesem Abend ungewöhnlich leer blieb, als Erfolg werten. 

Am Samstag zog eine Demonstration mit dem Titel „Kampf dem CC - Aus der Geschichte lernen“ mit historischen und feministischen Redebeiträgen durch die Innenstadt. Leider konnten die etwa 150 Teilnehmenden erst verspätet losziehen. Grund dafür waren Ermittlungen ("Aufforderung zu Straftaten") bezüglich des Stickers „Burschis platt - Vestestadt“, die sich kurzerhand auf die Träger*innen eines „Burschis gibts in jeder Stadt - Bildet Banden, macht sie platt“ Transparents ausweiteten.8 

Nach der Demonstration ging es weiter zur „Kulturflut“. Der „Alternative Kultur e.V. Coburg“ veranstaltet jedes Jahr ein Kulturprogramm an Pfingsten. Dieses Jahr unter dem Namen „to dispute festival“ an einem alten Güterbahnhof. Das Festival mit mehr oder weniger lokalen Punkbands und Hip-Hop Acts wie „Mal Élevé“ war gut besucht. Wem die Musik zu sehr schepperte, konnte sich an Infoständen, KüfA, Bar oder bei einer Tattoowiererin die Zeit vertreiben. Bei der Aftershowparty in der Stadt kamen sowohl die städtische Raveszene als auch pöbelfreudige CC-Gegner*innen auf ihre Kosten.

Sonntag & Montag

Sonntag wurde dem "Kater" getrotzt und ein Bildungstag organisiert. Neben Graffiti-Workshop, Kleidertausch, Lese- und Bastelecke gab es eine feministische Lesung, einen Vortrag zu rassistischen Kontinuitäten in der Asylpolitik und ein "Burschi-Bingo". Wo Bingo sonst vielleicht mit dem Altenheim assoziiert wird, witterte die lokale Presse Gefährliches. Tatsächlich stand jede Zahl für einen Burschi, aber nicht etwa um diesen Übergriffen auszusetzen, wie deren Pressesprecher Martin Vaupel vermutete, sondern um aufzuzeigen, wie umfangreich das Netzwerk um Studentenverbindungen ist.

Doch es gab nicht nur Spiel und Spaß: Eine Kundgebung gegen ein Kartelltreffen im eh schon elitären Dachverband wurde fünf Stunden vor Beginn wegen eines Instagram-Aufrufs, das Treffen zu „stören“, von der Polizei verlegt. Die Kundgebung war trotzdem erfolgreich und knapp 30 Personen fanden sich am eigentlichen Ort der Kundgebung ein und führten eine Spontandemonstration durch. Abends erwärmte ein Konzert vom neu gegründeten „Coburger Ukulelen Convent“ sowie „Massencornern“ in der Innenstadt das Herz der Conventgegner*innen. 

Das fragwürdige „Heldengedenken“ am Montagmorgen kann kaum gestört werden, da dieses offiziell als Gottesdienst angemeldet wird. Allerdings sollen die Protestformen nicht unerwähnt bleiben: Schon im letzten Jahr wurde ein „Ehrenmal“ mit roter Farbe übergossen, um so die blutigen Taten, denen der CC gedenkt, sichtbar zu machen. Eine solche Farbaktion  gab es auch in diesem Jahr. Außerdem gab es einen mutmaßlichen Buttersäure-Angriff auf das Festzelt des CC. 

Dennoch marschierten letztendlich über 2.000 Korporierte am Abend durch die Stadt. Gegenkundgebungen gab es insgesamt sieben, die ihnen bei Start, Weg, Ende und Heimweg vom Fackelmarsch keine Ruhe ließen. Absurderweise sprach ein SPD-Stadtrat bei einer der Kundgebungen, während sein Parteigenosse und der Oberbürgermeister der Stadt Coburg im Festzelt gegen den Protest wetterte. 

Dass unser Gegenprotest durch Repression, teils undifferenzierte Berichterstattung und das Ordnungsamt erschwert wurde, haben wir bereits anfangs erwähnt, das Ganze gipfelte am Montag in einem hohen Aufgebot an USK-Einheiten (das sog. „Unterstützungskommando“ zählt zu den spezialisierten Kräften der bayerischen Polizei mit „Sonderaufgaben“) und einer Vielzahl an Maßnahmen, wie Vorkontrollen, massiven Einschränkungen der Bewegungs- und Versammlungsfreiheit, anhaltslosen Filmaufnahmen und erkennungsdienstlichen Behandlungen. 

Nachdem die Polizei zu Beginn des Wochenendes eine junge Person wegen angeblichen Diebstahls bereits mit gezogener Waffe und unter massiver Einschüchterung festgenommen und ihr Untersuchungshaft angedroht hatte, erwarteten wir allerdings wenig Gutes. Wir lassen uns davon jedoch nicht abschrecken und machen solange weiter, wie es den „Coburger Convent“ noch gibt und bis auch die letzte Studentenverbindung aufgelöst ist. Dafür brauchen wir euch: solidarische Menschen, engagierte Politiker*innen, Protestteilnehmer*innen, unabhängige Recherchen und kritische Journalist*innen. Wir sehen uns vom 6. bis 9. Juni 2025 in Coburg: Studentische Verbindungen auflösen.

coburgerconvent.noblogs.org
 

1 autonome-antifa.org/breve8747 2 autonome-antifa.org/article406#feindpresse 3 autonome-antifa.org/article406#abteilungsleiter 4 autonome-antifa.org/article405 5 autonome-antifa.org/article401 6 autonome-antifa.org/article415 7 CC meint hier nicht „Carbon Copy“ (Kohlepapier-Durchschlag) als Kürzel im E-Mail-Verkehr für weitere Empfänger von Kopien, der Hintergrund ist hier zu lesen: coburgerconvent.noblogs.org/post/2024/05/19/wir-lesen-nicht-nur-eure-e-mails 8 Neue Presse Coburg: Ermittlungen wegen Flyer gegen Coburger Convent: archive.is/4FSMY#selection-1665.0-1665.653