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Im Osten nichts Neues: IB-„Zentrum“ in Chemnitz

„Bündnis Chemnitz nazifrei“ (Gastbeitrag)
Einleitung

An einer vielbefahrenen Straße am Rande von Chemnitz hat die extreme Rechte eine neue Immobilie erworben. Das ist erstmal kein Novum. Diesmal handelt es sich jedoch um eine Immobilie der „Identitären Bewegung“, die damit einen neuen Versuch eines „Zentrums“ startet. Seit der Eröffnung im November 2023 regt sich Widerstand dagegen.

IB Haus Chemnitz
(Bild: Finn Schütz)

An der Chemnitzer Kreuzung Edisonstraße/ Zwickauer Straße soll ein IB-“Zentrum“ entstehen

Rechte Immobilien

Die extrem rechte Szene in Chemnitz weist eine ausgebaute Infrastruktur auf: Sie besitzt mehrere Gebäude, betreibt eigene Firmen, in welchen sie andere extrem Rechte beschäftigt, unterhält eine große Musik- und Vertriebsszene. Jetzt gibt es einen weiteren Treffpunkt. Damit zählt Chemnitz insgesamt vier Immobilien im Besitz der extrem Rechten, denn Ende letzten Jahres kamen Räumlichkeiten der „Identitären Bewegung“ dazu. 

Der Zugang zu Immobilien ermöglicht einer extrem Rechten die Festigung und den Ausbau der eigenen Strukturen. Für eigene Veranstaltungen ist keine Gunst von Vermieter*innen erforderlich. Der Verlust dieser führte in der Vergangenheit dazu, dass die „Identitäre Bewegung“ Immobilien in Rostock und Ulm verlor. Eine gekaufte Immobilie kann ihnen nicht mehr so einfach entzogen werden. Besser wäre es, wenn es gar nicht erst zum Kauf kommt.

Im Herbst 2019 scheiterte ein Versuch, das "Schloss Reinsberg" bei Dresden zu kaufen, da auffiel, dass Philip Thaler der IB zuzuordnen ist. Dieser gründete dann im Oktober 2022 zusammen mit Vincenzo Richter die Unternehmergesellschaft "T & R Chemnitzer Immobilien UG“, welche das Ziel hatte, eine Immobilie in Chemnitz zu erwerben. Die Geschäftsführer sind keine Unbekannten: Neben Thaler, dem Bundesvorstand der „Identitären Bewegung“ ist auch Vincenzo Richter ein umtriebiges IB-Mitglied.

Wie konnte die IB diese Räumlichkeiten kaufen? 

Die Chemnitzer Ortsgruppe ist im Netzwerk der „Identitären Bewegung“ bestens vernetzt. Schon im Juni 2022 veröffentlichte „Rechte Umtriebe Ulm“ ein Bild einer Banneraktion. Auf diesem sind auch zwei bekannte Gesichter aus Chemnitz gemeinsam mit Personen der lokalen IB Gruppierung zu sehen, welche nicht viel später ihre Räume in Ulm verloren.

Der Finanzierung solcher Räume hat sich „Schanze Eins“ gewidmet. Laut einer Veröffentlichung von "Exif-­Recherche" ist das Prinzip, dass sich das Projekt an finanzstarke Unterstützer*innen wendet, welche durch eine Zahlung an einen Verein/ein Unternehmen anonym bleiben können. Das Geld wird vom Verein/dem Unternehmen dann an „Schanze Eins“ weiter überwiesen, welches dieses dann weiter an andere extrem rechte Projekte verteilt.1

In diesem Zusammenhang fiel auch Peter Kurth, der ehemalige CDU-Finanz­senator von Berlin auf. Er überwies 240.000 Euro an Firmen der IB, davon unter anderem 50.000 Euro an „Schanze Eins“ und 70.000 Euro an "T & R Chemnitzer Immobilien UG".

Etwa ein Jahr nach dem Kauf wurde die Immobilie an der Kreuzung Edisonstraße/Zwickauer Straße offziell mit einer Feier eröffnet. Dabei waren neben Personen der Chemnitzer "Identitären", bundesweiten IB Kadern, Mitgliedern der JA und AfD, auch Neonazis. 

Das von der Chemnitzer „Identitären Bewegung“ groß angekündigte „Hausprojekt“ entpuppte sich als Ladenfläche mit eigenem Eingang zur Hauptstraße und kleineren anliegenden Räumen. Diese soll als Treffpunkt und Veranstaltungsort für die "Identitären" und ihr Umfeld dienen. Um an diesen Veranstaltungen teilnehmen zu können, muss man an den zugezogenen Vorhängen und runtergelassenen Plissees vorbei zur vorderen Tür, oder gleich zum Hintereingang. Nur angemeldete Gäste kommen hinein. Abgesehen davon wird die Adresse von Heinrich Mahling, einem Hessener IB-Aktivisten, für sein neu gegründetes Antiquariat genutzt.

Für die vorher eher unbedeutende Ortsgruppe in Chemnitz war der Kauf relevanzsteigernd. Sie entstand im Vergleich zu anderen Ortsgruppen relativ spät, Mitte 2020 und startete mit einem Telegram-Kanal und einer Instagram-Seite, welche sie regelmäßig bespielte. Dafür nutzte die „Identitäre Bewegung“ Chemnitz auch Namen wie „Bollwerk Chemnitz“ oder „Festung Chemnitz“. Kein Jahr später nahm die IB fast wöchentlich an den Montagsdemonstrationen von „Chemnitz steht auf“ und der extrem rechten Kleinstpartei „Freien Sachsen“ teil. Dafür brachten sie zum Teil eigene Banner mit. Zu Beginn ohne Erkennungsmerkmal der „Identitären Bewegung“, später waren die gelben und schwarzen Fahnen der IB nicht zu übersehen.

Neben der Teilnahme an Demonstrationen, betreibt die Gruppe seither sogenannten „Basisaktivismus“: Sie gehen gemeinsam Sticker und Plakate verteilen, sprühen schlechte Graffiti oder betreuen Infostände in der Stadt. Später kamen Wanderungen, kleinere Aktionen und die Teilnahme an bundesweiten Aktivitäten dazu.

Zur Chemnitzer IB gehören nach aktuellem Kenntnisstand etwa zehn bis fünfzehn Personen und sie zählt zu den aktivsten Ortsgruppen in Deutschland. Die Chemnitzer IB ist gut vernetzt und suggeriert damit Größe. Für ihre kleinen eigenen Aktionen verfolgt sie vor allem eine Medienstrategie, daher ist auch die geringe Personenanzahl ausreichend. Es geht den "Identitären" und anderen Teilen der „Neuen Rechten“ nicht unbedingt darum, sich in politischen Diskursen mit dem unmittelbaren Entfalten von politischer Wirkung oder Menschenmassen auf der Straße zu behaupten. Sie versuchen vielmehr im Idealfall diese Diskurse anzustoßen, die Begrifflichkeiten zu bestimmen, mit denen sie geführt werden, sowie die Narrative die aufgegriffen werden, zu liefern.

Beispielsweise stellten sich fünf Aktivist*innen der Ortsgruppe vor das Kulturhauptstadtbüro mit Requisiten und Pyrotechnik, um ein ansprechendes Foto zu schießen und anschließend wieder wegzurennen. Neben einer Veröffentlichung auf Social Media, gab es noch ein Interview, um das aufgegriffene Thema weiter zu bedienen und zu betonen, dass diese 30 sekündige Aktion in den frühen Morgenstunden nicht nur für eine nervöse und schlaflose Nacht sorgte, sondern auch ansonsten sehr spektakulär und „elektrisierend“ war. Damit verfolgen sie neben der Medienstrategie eine Selbstinszenierung, um besonders junge Menschen anzusprechen. Auch für ihre sonstigen Aktivitäten, wie Vorträge und Vernetzung ist keine hohe Personenanzahl von Nöten. In der relativ kleinen Gruppe gibt es einige sehr aktive Mitglieder.

Als das bekannteste Gründungsmitglied der "Identitären Bewegung" in Chemnitz gilt Vincenzo Richter. Er sitzt Dank der extrem rechten Partei „Pro Chemnitz/Freie Sachsen“ seit Juni 2023 im Aufsichtsrat der kommunalen Chemnitzer Veranstaltungsgesellschaft C3 und schreibt für das neu-rechte Blatt „Heimatkurier“. Für die „Identitäre Bewegung“ erweist er sich als recht reisefreudig und hält die Gruppe mit seinem Vollzeitaktivismus in Barfußschuhen am Laufen. Er war bei regionalen und bundesweiten Treffen und Aktionswochenenden der IB dabei, referierte bei anderen Ortsgruppen oder betreute  Infostände bei Veranstaltungen der AfD mit. Auch mit der Teilnahme bei einer Privatparty in Peter Kurths Wohnung im Juli 2023, unter anderem neben teils führenden Figuren der AfD, sowie „Vordenker“ Götz Kubitschek fiel er nach „Spiegel“-Recherchen auf.

Und jetzt?

Das Ziel ist es natürlich, die "Identitäre Bewegung" so schnell wie möglich wieder aus der Ladenfläche zu verdrängen. Dafür finden Demonstrationen und Aufklärungsarbeit statt: Es regt sich also zivilgesellschaftlicher Widerstand, aber es braucht mehr. Auch dieser Text ist Teil davon. Es ist wichtig, gegen eine Normalisierung vorzugehen und bei sich zuspitzenden Zuständen nicht damit abzufinden, oder gar zu resignieren.

Dafür ist es für örtliche Aktivist*innen wichtig auch Rückhalt und Unterstützung von außerhalb zu bekommen. Danke.