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Deutsche "Hammerskins" weiterhin aktiv

EXIF – Recherche & Analyse (Gastbeitrag)
Einleitung

„Mit dem Verbot beenden wir das menschenverachtende Treiben einer international agierenden Neonazi-Vereinigung“, kommentierte Bundesinnenministerin Nancy Faeser das Verbot der „Hammerskins“ in Deutschland im September 2023. Reine Augenwischerei, wie die jüngsten Aktivitäten der Neonazi-Bruderschaft zeigen.

Travis George Miskam
(Foto: Exif Recherche)

Travis George Miskam aus den USA mit Tasse der in Deutschland verbotenen „Hammerskins Mecklenburg“ am 10. August 2024 in Schweden.

In Schweden konnte am 10. August 2024 eine interne Zusammenkunft dokumentiert werden, an der Mitglieder der „Hammerskin Nation“ (HSN) aus ganz Europa und sogar aus den USA teilnahmen. Austragungsort war das Clubhaus der „Hammerskins Sweden“ in Deje, das die schwedischen Neonazis seit nunmehr fünf Jahren nutzen. Rund 40 Personen verweilten dort am Nachmittag für wenige Stunden. Zwischendurch verschwanden die Vollmitglieder der Neonazi-Bruderschaft für ein kurzweiliges, internes Treffen ins Innere des Clubhauses. Offenbar wurde über die Aufnahme zweier Neonazis entschieden, die sich bis zu diesem Tag als Anwärter, sogenannte „Prospects of the Nation“, beweisen mussten. Die Entscheidung fiel für die beiden positiv aus: mit einer Bierdusche wurden sie in den Kreis der vollwertigen Mitglieder der HSN eingeführt. 

Die Zusammenkunft fand im Rahmen der 15-Jahresfeier des schwedischen Ablegers der HSN statt. Später am Abend trafen sich die Hammerskins und ihre UnterstützerInnen zu einem Konzert in kleiner Runde im „Frykstastugan“, einem abgelegenen Vereinsheim außerhalb von Kils, einer Kleinstadt südlich von Deje. 

Die gekreuzten Hämmer waren am Nachmittag in Deje omnipräsent. Auch bei den anwesenden Deutschen, deren insgesamt 13 Ableger, sogenannte Chapter, in Deutschland einem Vereinsverbot unterliegen. Unbeeindruckt dessen trug Martin K. vom Chapter „Berlin“ in Schweden einen Pullover der weltweit organisierten Neonazi-Organisation. Er war eine von rund 30 Personen, deren Wohnung im Zuge des Verbots im September 2023 durchsucht wurde. Sein Begleiter in Schweden, Wilhelm K. – Sohn des einflussreichen Hammerskins Sven K. aus Jamel – zeigte durch das Tragen seines Shirts, dass er nun „Prospect of the Nation“, also Anwärter, beim verbotenen Chapter „Mecklenburg“ ist. Nur der mitgereiste, in Sachsen-Anhalt lebende Tätowierer Florian J. vom Chapter „Sachsen“, hielt sich mit der Preisgabe etwaiger Symbole der Neonazi-Bruderschaft in Schweden zurück. Dass Florian J. an der „Zeremonie“ (Bierdusche), zur Aufnahme zweier Anwärter der HSN zu Vollmitgliedern teilnehmen durfte, weist jedoch deutlich auf seine vollwertige Mitgliedschaft in der Organisation hin. Wilhelm K. und die anderen anwesenden Anwärter waren während des Aufnahmerituals zwar anwesend, durften die beiden vormaligen Prospects – Johan Olof Erik Bull, alias Liedermacher „Bull’Neck“ vom Chapter „Sweden“ und Josa Lahti, umtriebiger NS-Black Metal-Musiker vom Chapter „Finland“ – jedoch nicht mit Bier übergießen. Das klingt banal, in der Welt der Hammerskins ist dies aber ein wichtiges Detail, um das Hierarchie-Gefälle zu verdeutlichen.

Darüber hinaus waren verschiedene deutsche Chapter visuell, d.h. auf etlichen Shirt-Motiven, in Schweden vertreten. Zwei Neonazis, die mit dem niederländischen Hammerskin Tom W. angereist waren, präsentierten sich in „Crew 38“- und Anwärter-Shirt der „Hammerskins Bremen“. Auf Joonas K.’s Shirt prangte wiederum der Schriftzug „Hammerskins Sachsen“. Joonas K. gehört dem Chapter „Finland“ an.

Verurteilter Gewalttäter uneingeschränkt auf Reisen

Das Logo der in Deutschland verbotenen „Hammerskins Mecklenburg“, ein mit einem Tuch vermummter Totenschädel, prangte als Aufdruck auf einer Kaffeetasse, die bei dem Treffen in Schweden an Travis George Miskam als Gastgeschenk überreicht wurde. Miskam stammt aus Kalifornien (USA) und gehört seit Ende der 1990er Jahre den „Western Hammerskins“ an. Aktuell spricht vieles dafür, dass er die Position des sogenannten „International Director“ der US-amerikanischen Hammerskin-Chapter übernommen hat. Eine Funktion ähnlich dem sogenannten „European Secretary“, der als Vertreter der europäischen Chapter im engen Austausch mit den Ablegern der HSN außerhalb Europas steht. Während der deutsche Hammerskin Malte Redeker dieses europäische „Amt“ seit über einem Jahrzehnt betreut, war es noch vor wenigen Jahren Steve Laszlo Doby, der diese Aufgabe für die US-amerikanischen Chapter übernahm. Er starb im August 2024 an den Folgen einer Erkrankung. Travis George Miskam genießt weltweit Vertrauen, sicherlich auch, weil er sich in all den Jahren „nicht hat brechen lassen“. Auch nicht von der 20-jährigen Haftstrafe, die er Anfang der 2000er Jahre antreten musste, aufgrund seiner führenden Rolle an einem bewaffneten, rassistisch motivierten Übergriff im Jahr 1999.

Hinterm Horizont geht’s weiter…

Die grenzübergreifende Organisierung der Neonazi-Bruderschaft macht ein Verbot der HSN in Deutschland in Teilen hinfällig. Vor allem hinsichtlich des deutsch-französischen Chapters "Sarregau“. Ein in Schweden anwesendes französisches Mitglied dieses Chapters gehörte noch vor wenigen Jahren den „Lorraine Hammerskins“ um Julien A. an. Jener Julien A. war mit seiner Ehepartnerin Audrey A. ebenfalls nach Schweden gereist. Auch Jonathan Gaston K., der sich jüngst in Schweden in einem Shirt der „Hammerskins Sarregau“ präsentierte, wohnt in Frankreich. In nächster Nähe zu seinem Wohnort befand sich in Dillingen, im Saarland, die Räumlichkeiten der „Hate Bar“ – eines der wenigen Clubhäuser der deutschen Hammerskins – wo Jonathan Gaston K. auch das „Warfare“-Tonstudio untergebracht hatte. Das vom „Chapter-Bruder“ Robert K. aus Quierschied bei Saarbrücken erworbene Objekt, wurde im Zuge des Verbots im September 2023 beschlagnahmt.

„European Hammerfest“ in Italien mit deutscher Präsenz

Es sollte auch nur zwei Monate dauern bis die ersten Aktivitäten deutscher Hammerskins nach dem Verbot registriert werden konnten. „The proceeds will be donated to the european comrades in difficulty“ (deutsch: Der Erlös wird an europäische Kameraden gespendet, die in Schwierigkeiten sind) heißt es auf einer Ankündigung für ein RechtsRock-Konzert am 25. November 2023 in Mailand im Norden Italiens. Das Konzert kann als „European Hammerfest“ gewertet werden. Rund um die Bühne gab es eine Beflaggung von diversen europäischen Chaptern der HSN inklusive der des Chapters „Sarregau“ – jenes deutsch-französische Chapter, das erst zwei Monate zuvor in Deutschland verboten wurde. Die deutsche Struktur zeigte aber nicht nur durch die Flagge Präsenz, sondern war auch persönlich vertreten. 

Unter anderem konnte Dennis K. als Teilnehmer des Konzerts ausgemacht werden. Er gehört dem Chapter „Westfalen“ an. Auch Stephan R. vom Chaper „Mecklenburg“ ist auf einem Foto des Konzerts erkennbar. Er war Teil einer Reisegruppe, der zudem Tanja S.-W. angehörte, die Ehepartnerin des Hammerskins Thorsten W. vom Chapter „Mecklenburg“. Dass deutsche Hammerskins dort hinreisen würden, dürfte auch den Behörden im Vorfeld klar gewesen sein. Ein Jahr zuvor, im November 2022, als das „European Hammerfest“ ebenfalls in Mailand stattfand, wusste der deutsche Inlandsgeheimdienst schließlich von exakt 33 Hammerskins, die dort hingereist waren. 

Bekannt ist auch, dass im Kontext großer Treffen wie dem „Hammerfest“, sogenannte „European Officers Meetings“ abgehalten werden – Strategie-Treffen der europäischen Führungsebene der HSN. Wie wichtig solche Treffen sind, vor allem kurz nach dem Verbot der Struktur in Deutschland, verdeutlicht auch die Tatsache, dass der US-Hammerskin Travis George Miskam beim „Hammerfest“ 2023 in Mailand anwesend war. Die USA ist schließlich das Mutterland der Hammerskins und tonangebend bei Entscheidungen und in der Ausrichtung der Organisation.

Nach dem Verbot ist vor dem Verbot

Das nationale Verbot einer international, bzw. interkontinental ausgerichteten Organisation wie die „Hammerskin Nation“, ist per se unnütz. Zu glauben, dass damit gar das „menschenverachtende Treiben“ der Organisation beendet werden könne, ist naiv. Dies öffentlich zu behaupten und damit zu suggerieren, dass die Gefahr, die von dieser militanten Bruderschaft ausgeht, damit gebannt sei, grenzt an Desinformation. Damit wird eine gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung verhindert und eine Analyse hinsichtlich extrem rechter Strukturen in Deutschland verfälscht.