USA: "time is tight. it‘s time to get ready"
CRIMETHINC COLLECTIVEZur Amtseinführung von Donald Trump am 18. Januar 2025 in den USA riefen antifaschistische, vor allem anarchistische Initiativen zu einem landesweiten ‚Festival of Resistance‘ auf. Es war der Versuch, sich auf eine ‚turbulente Zeit‘ vorzubereiten, zu organisieren, sich zu finden, aufzuklären, zu bilden und Aktionen zu planen. In ihrem Aufruf schrieben sie: „Wenn Trump erst einmal an der Macht ist, wird es nur noch schwieriger werden, Verbindungen zu unseren Nachbarn zu knüpfen, die Netzwerke aufzubauen, die wir brauchen, um seine Angriffe abzuwehren, und die Fähigkeiten zu teilen, die wir brauchen, um seine Herrschaft zu überleben. Gerade jetzt haben wir ein kostbares Zeitfenster, um uns vorzubereiten. Lassen Sie uns das Beste daraus machen.“Wir haben mit jemandem aus dem CrimethInc. collective (www.crimethinc.com) gesprochen, die Teil der Vorbereitung waren.

AIB: Hoffentlich haben wir noch etwas mehr Zeit als ihr, aber wir stehen hier vor einer ähnlichen Situation: Der Machtübernahme von rechts mit negativen Folgen unvorhersehbaren Ausmaßes. Ihr habt vor Donald Trumps Amtseinführung zu einem „Festival of Resistance“ aufgerufen. Was steckte hinter der Idee?
CrimethInc: Als Trump 2016 an die Macht kam, machte sich eine relativ kleine Zahl
von Anarchist_innen sofort daran, die Art von Taktiken zu demonstrieren, mit denen Graswurzelbewegungen seiner Regierung Widerstand entgegen bringen könnten. Wir wollten anderen zeigen, dass die Situation ein Notfall war, indem wir uns wie ein Notfall verhielten, und zeigten, was man in einem Notfall tut. Was am ersten Tag der Trump-Regierung mit ein paar hundert Menschen in einem schwarzen Block in Washington, DC, begann, wurde bis Ende Mai 2020, als der George-Floyd-Aufstand begann, zu einer großen Bewegung und Millionen von Menschen eroberten die Straßen.
Diese Strategie war also erfolgreich. Doch gleichzeitig offenbarte der Erfolg auch seine Grenzen: Die Taktiken verbreiteten sich weit über unsere Netzwerke hinaus, doch Taktiken allein konnten keine dauerhaften Bewegungen hervorbringen, die von einer Phase der Geschichte zur nächsten überdauern könnten. Dies ermöglichte es den Demokraten, die Bevölkerung nach 2020 zu demobilisieren, die Menschen von den Straßen zu holen und sie vom antikapitalistischen Widerstand abzubringen. Folglich änderte sich unter der Biden-Regierung nichts wirklich, und Trump konnte in einem Kontext wieder an die Macht zurückkehren, in dem die Menschen nicht bereit waren, angemessenen Widerstand zu leisten.
Als wir uns dieses Mal vorgenommen hatten, ein Beispiel zu geben, wollten wir sicherstellen, dass wir dauerhafte Gemeinschaften aufbauen – und zwar im ganzen Land, anstatt nur in Washington, D.C. zu mobilisieren. Wir müssen Widerstandsstrukturen an der Basis aufbauen – und da jetzt klar ist, dass Trumps Aufstieg kein Zufall war, sondern ein Hinweis auf die Form der Politik des 21. Jahrhunderts, müssen wir uns auf einen Kampf vorbereiten, der Jahrzehnte dauern wird, nicht Tage oder Monate.
AIB: Wie habt ihr die Menschen erreicht und wen habt ihr erreicht?
CrimethInc: Zuerst organisierten die Menschen unmittelbar nach der Wahl in vielen Städten offene Versammlungen und luden alle ein, die sich über die Trump-Ära Sorgen machten, sich zu versammeln, bestehenden autonomen Projekten beizutreten oder neue Projekte zu starten und Strategien für die Vorbereitung zu entwickeln. Aus dieser Organisation heraus planten die Menschen an einigen Orten „Festivals of Resistance“. Als klar war, dass es einige erfolgreiche und gut publizierte Versammlungen geben würde, kündigten wir den Vorschlag an, und Menschen anderswo wurden inspiriert, ähnliche Veranstaltungen zu organisieren.
AIB: Was geschah am 18. Januar 2025, wie erfolgreich war euer Konzept?
CrimethInc: In mehr als zwei Dutzend Städten fanden am Wochenende vor Trumps Amtsantritt Versammlungen statt, die vom Aufruf zum „Festival of Resistance“ inspiriert waren. Einige dieser Versammlungen waren kleiner, aber viele zogen Hunderte von Menschen an, die an einer Mischung aus Unterhaltung, Öffentlichkeitsarbeit und Aktionstraining teilnahmen. Hoffentlich verließen die Menschen diese Veranstaltungen mit neuen Ideen, Verbindungen und Fähigkeiten, die sie in den kommenden Monaten nutzen werden.
AIB: Ist es euch gelungen, Menschen außerhalb der Aktivist_innenszene zu erreichen, Menschen, die von den möglichen Folgen besonders betroffen sind? Zum Beispiel Menschen in den Vierteln, Arbeiter_innen, Menschen, die von Rassismus und Queer-Feindlichkeit betroffen sind, Menschen am Rande der Gesellschaft, sprich Menschen, die als erste unter die Räder der neuen Trump-Musk-Maschinerie geraten?
CrimethInc: Ich kann nicht für alle Veranstaltungen sprechen und wie diese abgelaufen sind. Einige von ihnen mögen kleinere, subkulturelle Veranstaltungen gewesen sein. Aber an den Veranstaltungen, von denen ich weiß, nahmen Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund und aus verschiedenen Generationen teil. Wir haben nicht mehr das Problem aus den 1990er Jahren, dass anarchistische Organisierung nur junge Leute aus der Punkszene anzieht. Im Moment ist es einfacher, mit queeren und transsexuellen Menschen in Kontakt zu treten als mit Gemeinschaften, in denen es viele Menschen ohne Papiere gibt, was eine Folge der sozialen und sprachlichen Segregation ist. Aber wir hatten tatsächlich queere, transsexuelle und undokumentierte Menschen, die an der Organisation vieler der Festivals beteiligt waren. Das ist wichtig, denn niemand weiß besser, wie man ein Problem angeht, als die Menschen, die selbst darunter leiden.
AIB: Was habt ihr bei der Organisation des Festivals gelernt, was wir in Europa von euren Erfahrungen lernen könnten? Was würdet ihr anders oder besser machen?
CrimethInc: Das Wichtigste ist, Einstiegspunkte für Menschen, die neugierig sind zu schaffen, damit sie sich an der anarchistischen Organisierung beteiligen können. Wir müssen eine Strategie entwickeln, die die Millionen Menschen, die die Tyrannei nicht unterstützen, als die Protagonist_innen der Bewegung positionieren. Oft hält eine liberale und zentristische Propaganda die Menschen davon ab, aktiv zu werden. Aber es gibt Zeitfenster, in denen es klar wird, dass niemand die Bedrohung durch den Faschismus für uns beseitigen wird, sondern dass wir das selbst tun müssen. Wenn wir in diesen Momenten sofort handeln können, indem wir unsere Argumente mutig und öffentlich vortragen und den Menschen die Chance geben, sich zu beteiligen, dann können wir immer mehr wachsen. Alles, was wirklich erforderlich ist, ist sich mit ein paar Leuten zu organisieren, die man mag und denen man vertraut.
AIB: Jetzt ist es passiert, Trump greift die Gesellschaft an vielen Fronten an. Wie geht es für euch weiter? Wird das Festival in irgendeiner Form eine Fortsetzung finden?
CrimethInc: Viele lokale Projekte wurden dank der öffentlichen Versammlungen und der Events des "Festival of Resistance" ins Leben gerufen. Früher gab es in einigen Communities zwei Versammlungen pro Woche, jetzt sind es fünf Versammlungen pro Woche, und nicht jeder kann zu allen gehen - die Bewegungen werden also größer, aber auch weniger zentralisiert. Es gibt eine Menge Diskussionen darüber, was als nächstes kommen soll. Einige Leute haben z.B. vor Tesla-Filialen demonstriert, während andere sich auf die Organisation gegen ICE-Razzien (ICE ist die US-amerikanische Zoll- und Einwanderungsbehörde, Anm. d. Red.) konzentrieren und wieder andere die Infrastruktur für gegenseitige Hilfe ausbauen. Wir werden wahrscheinlich eine weitere Runde von Versammlungen im Frühjahr organisieren, vielleicht um den 1. Mai herum. Alle beobachten, wo die neuen Fronten entstehen werden, und überlegen, wie sie sich auf die nächste Konfliktrunde vorbereiten können. Bislang sind Donald Trump und Elon Musk noch in einer starken Position, aber sie können nur an Popularität verlieren, wenn klar wird, dass sie die Dinge für die Menschen nicht in Ordnung bringen werden - sie werden die Dinge für alle nur noch schlimmer machen, während sie die Milliardäre bereichern.
AIB: Vielen Dank für das Interview, wir alle werden wohl in Zukunft noch intensiver und enger zusammenhalten müssen.