„Der III. Weg“ auf einer russischen Oppositionsdemonstration in Berlin
Initiative „ausdemweg.net“
Teilnehmer der Demonstration am 1. März 2025 in Berlin-Mitte. Mittig: Der Berliner NRJ-Protagonist Erik S. mit einem Transparent, rechts daneben vermummt Enrico R.
Für den 1. März 2025 riefen bekannte russische Oppositionspolitiker*innen wie Yulia Nawalny, die Witwe des verstorbenen Kritikers der russischen Regierung Alexej Nawalny, zu einer Demonstration in Berlin auf. Hintergrund dieser Demonstration waren der Jahrestag des Mordes an Alexej Nawalny, der dritte Jahrestag der Ukraine-Invasion und der Mord am Oppositionellen Boris Nemtsov vor zehn Jahren. Bei der Demonstration bildeten russische Neonazis um das „Russische Freiwilligen Korps“ (Русский добровольческий корпус) einen Demonstrationsblock, an dem sich auch Akteure der deutschen Neonazi-Partei „Der III. Weg“ beteiligten.
Das „Russische Freiwilligen Korps“
Die russische Neonaziszene hat keine einheitliche Haltung zum Krieg in der Ukraine. Viele Neonazis aus Russland kämpfen aktiv in der russischen Armee. Gleichzeitig ist bei russischen Neonazis auch eine Verbundenheit zur ukrainischen Neonaziszene und zum Kampf der Ukraine gegen die russische Armee verbreitet. Für viele russische Neonazis ist die Ukraine ein Brudervolk. Sie fühlen sich ihren Kameraden dort deutlich näher als der eigenen Regierung, die jedwede Opposition im Land unterdrückt. In der Ukraine konnten sich wiederum extrem rechte Kräfte einen gewissen politischen Freiraum erkämpfen. Auf dem Maidan und in dem nachfolgenden Krieg im Donbass haben sie durch ihre gute Organisation und ihre schlagkräftigen Aktivisten überzeugen können. Das hat sich auch innenpolitisch u.a. durch große RechtsRock-Festivals und einen geringen staatlichen Verfolgungsdruck bemerkbar gemacht.
Die guten Bedingungen für Neonazis in der Ukraine lockten in den letzten Jahren auch einige prominente russische Neonazis an, die in dem Nachbarland bessere Voraussetzungen für ihre politische Arbeit erkennen konnten. Einer von ihnen ist Denis Kapustin (Денис Капустин) alias Denis Nikitin (Денис Никитин), einer der bekanntesten und einflussreichsten Neonazis Europas. Der deutsch-russische Neonazi Kapustin ist ein bekannter Hooligan und Kampfsportler, der mit seiner Marke und Promotion „White Rex“ die europäische Neonazi-Kampfsportszene inspiriert und aktiv mit aufgebaut hat. Für den Aufbau der europäischen Strukturen war Kapustin bis zu seinem Aufenthaltsverbot für den Schengenraum 2019 von Frankreich bis Griechenland eine wichtige Stütze.
Aufgrund von Repression in Russland und den guten Bedingungen vor Ort verlegte Kapustin schon 2017 seinen Wohnort in die Ukraine. Als 2022 der Krieg Russlands mit der Ukraine ausbrach, war Kapustin nicht untätig. Er gründete mit Gleichgesinnten das „Russische Freiwilligen Korps“ (RVC). Diese Einheit sollte russische Neonazis organisieren, die mit der Ukraine gegen die russische Armee kämpfen wollen. Leider ge-
langte diese Einheit im Krieg zu internationaler Bekanntheit. Ursache dafür waren zwei Vorstöße russischer Einheiten im Mai 2023 und im März 2024 von der ukrainischen Seite auf russisches Staatsgebiet. Besonders an diesen Angriffen war, dass keine ukrainischen Streitkräfte beteiligt waren. Stattdessen griffen nur von Russen organisierte Einheiten wie das RVC, die „Legion Freiheit Russlands“ und das „Sibirische Bataillon“ an.
Eine solche militärische Operation lässt sich natürlich nur mit Unterstützung der ukrainischen Armee und ihrer Verbündeten organisieren. Eine Schlüsselrolle spielt dabei der ukrainische Militärgeheimdienst HUR. Dieser musste 2023 auch die offensichtlichen Verbindungen zum RVC einräumen. Für die Ukraine war die Anwesenheit der russischen Bataillone von großem Wert. Durch die Angriffe wurde nicht nur der russische Grenzschutz getestet. Es wurde auch gezeigt, dass die russische Regierung auch bei Angriffen auf das eigene Staatsgebiet nicht so schnell einen Atomkrieg beginnen würde und gleichzeitig wurden spätere Erfolge wie der Angriff auf die russische Region Kursk vorbereitet. Diese durchaus wichtigen militärischen und strategischen Erfolge wurden also mit der Hilfe von Kapustin und anderen extrem rechten Russen erlangt und verhalf ihnen zu internationaler Prominenz.
„Der III. Weg“ und die Ukraine-Frage
Die Demonstration der russischen Opposition am 1. März konnte 800 Menschen mobilisieren. Angeführt wurde sie von den bekannten liberalen Oppositionellen Yulia Navalny, Ilya Yashin und Vladimir Kara-Murza. Die Demonstration unter dem Motto „Russland gegen Putin“ endete vor der Russischen Botschaft.
Ein Block in der Demonstration wurde vom „Russischen Freiwilligen Korps“ organisiert. Unter den Fahnen des RVC versammelten sich knapp 70 Neonazis. Angeführt wurde der Block von Vladimir „Ratnikov“ Komarnitsky. Komarnitsky war früher Mitglied der „Wotan Jugend“ in Russland und Kopf der russischen Organisation „Black Bloc“. Seit 2021 lebt er als Flüchtling in Litauen. Weitere bekannte Gesichter waren Ilya Bogdanov und Vasily „Cardinal“ Kiryushchenko. Bogdanov ist ehemaliger Agent des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB. Kiryushchenko wird als ideologischer Anführer des RVC bezeichnet und ist der Sohn eines engen Freundes des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskiy.
Neben den russischen Neonazis nahmen auch einige sympathisierende Neonazis aus Deutschland teil. Neben dem ehemaligen Chef der Berliner NPD, Sebastian Schmidtke, nahm auch der frühere stellvertretende Berliner NPD-Landesvorsitzende Oliver Niedrich an der Demonstration teil.
Auch „Der III. Weg“ ließ es sich nicht nehmen, die engen Verbündeten zu unterstützen. Anwesend waren u.a. der Berliner Stützpunktleiter Oliver Oeltze, Erik S., Wicky W., Luca B., Lennart H. und Enrico R. Die Teilnahme im Block des RVC ist wenig überraschend. Kapustin und Kader der Partei sind seit Jahren miteinander bekannt, schließlich kennt man sich noch vom Neonazi-Netzwerk „Kampf der Nibelungen“ (KdN). Es ist eher überraschend, dass zu der Demonstration keine bekannten Kader aus dem Bundesgebiet angereist sind.
Die Haltung des „Der III. Weg“ zum Ukraine-Krieg ist eindeutig. Obwohl die Ukraine von einem jüdischen Präsidenten regiert wird und der sonst so verhasste „liberale Westen“ das Land umfangreich mit Waffen beliefert, unterstützt „Der III. Weg“ die ukrainische Armee. „Der III. Weg“ verfügt schon seit vielen Jahren über gute Kontakte in die Ukraine und genießt bei den regelmäßigen Besuchen die Freiheiten dort. Neben der persönlichen Verbundenheit durch gegenseitige Besuche mit ukrainischen Neonazis begründet „Der III. Weg“ seine Haltung im Ukraine-Krieg auch politisch.
„Der III. Weg“ lehnt sowohl den russischen als auch den amerikanischen Imperialismus ab, die für den Krieg als Ursache benannt werden. Allerdings wird den Ukrainern ein eigener Wille in diesem Krieg zugesprochen und diesen möchte „Der III. Weg“ stärken. Russland wird in dieser Weltsicht nicht nur als Hauptfeind gesehen, weil die russische Armee den Krieg begonnen hat, sondern auch weil angeblich die Verherrlichung der Sowjetunion und der Roten Armee zu neuen Höhen gelangen. Die Sowjetunion und die Rote Armee als Bezwinger der Wehrmacht sind dem „Der III. Weg“ selbstverständlich ein besonders großer Dorn im Auge. Allerdings leitet „Der III. Weg“ aus der Feindschaft zum russischen Imperialismus keine Feindschaft mit dem russischen Volk ab. Ein besonders starkes Argument für diese Unterscheidung zwischen dem Imperialismus und dem Volk Russlands sind die russischen Kämpfer auf der Seite der Ukraine. Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine ist für den „III. Weg“ eine Tragödie, denn die wirklichen Probleme seien der „Liberalismus“ und die „ethnische Durchmischung“ der ukrainischen und der russischen Bevölkerung. Solange die eigenen politischen Verbündeten diese Ziele verfolgen, ist „Der III. Weg“ bereit sie zu unterstützen. Da diese Kräfte momentan ohne die Unterstützung der „liberal-kapitalistischen Staaten“ diesen Krieg nicht führen könnten, wird auch der Burgfrieden der Nationalisten mit der ukrainischen Regierung und den westlichen Unterstützern akzeptiert. Klar ist für den „III. Weg“, dass nach dem Ende des Krieges der „revolutionäre Kampf“ wieder aufgenommen wird. Das Ziel dieser Revolution soll dann der Sturz der Regierung Selenskiy und der „liberalen Eliten“ im Land sein. Nach der anschließenden „Säuberung der Ukraine“
von Korruption, Kapitalismus, Homosexualität und Migranten sei die „Souveränität des ukrainischen Volkes“ wieder hergestellt.
Ein Problembewusstsein für die internationale Vernetzung der Neonazi-Szene scheint in den Berliner Sicherheitsbehörden nicht vorhanden zu sein. In einer Stellungnahme erklärte die „Senatsverwaltung für Inneres und Sport“: „Im Rahmen des (...)durchgeführten Kooperationsgesprächs teilte der Anzeigende der Versammlung mit, dass Angehörige des RDK mit seinem Einverständnis an der Versammlung teilnehmen würden (...) Im Sinne ihrer Schutz- und Gewährleistungsaufgabe (...) verständigte sich die Polizei Berlin mit dem Anzeigenden auf ein (...) die Teilnahme ermöglichendes Verfahren. Das Kooperationsgespräch verlief in einer konstruktiven Atmosphäre (...) Über formelle Kontakte der Partei „Der III. Weg“ zum RDK liegen keine Erkenntnisse vor.“1
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Drucksache 19/21914 Abgeordnetenhaus Berlin