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Neonazis in den ukrainischen Kampfverbänden

Einleitung

Der russische Angriffskrieg wird auch noch nach Monaten u.a. mit der „De-Nazifizierung“ der ukrainischen Gesellschaft legitimiert. Die Ukraine sei Hort des Nationalismus und Faschismus. Eine tendenziöse Darstellung, denn selbst bei den Wahlen 2019 erlangte eine Koalition der bekanntesten Neonazi-Parteien nur knapp über zwei Prozent der Stimmen und zog dadurch nicht einmal ins Parlament ein. Auch das 2014 gegründete „Asow“-­Bataillon (heute Regiment), das den russischen Narrativ nährt, ist längst im Wandel und hat seine ideologische Schärfe verloren. Dennoch ist der russisch-ukrainische Krieg für viele Neonazis Rekrutierungs- und Trainingsfeld und birgt die Gefahr rechte, nationalistische Umtriebe gesellschaftstauglich zu machen.

Bild: Screenshot Telegram

Denis Kapustin von „White Rex“, bewaffnet im Kriegs­gebiet im Mai 2022­.

In kaum einem anderen Krieg der letzten Dekaden mischten so viele Personen aus der extremen Rechten mit, ermächtigt durch eine mediale Gleichgültigkeit und den naiven Glauben daran, dass jeder und jede Kämpfer_in auf Seiten der Ukraine für die demokratischen, westlichen Werte kämpfen würde. Schlaglichter auf die Akteure, die Unterstützenden und das Netzwerk der kämpfenden Neonazis zu werfen, ist trotz der widrigen Umstände umso notwendiger.

Zelensky ist ein Jude. Dieser Jude gab uns, Hardcore Neonazis, Waffen und die Rechte zu kämpfen und zu töten, für seinen Thron? Und wir beugen und unterwerfen uns und sterben für ihn gegen den ‚based‘ Putin? Denkt ihr das wirklich?! (…)“. Es ist der 27. Februar 2022, als Denis Kapustin diese Zeilen auf seinem Telegram-Kanal „White Powder“ verfasst. Vier Tage zuvor hatte das russische Militär unter Befehl Wladimar Putins seinen Angriffskrieg auf die Ukraine gestartet.

Kapustin, der bis heute als „Denis Nikitin“ auftritt und dem auf dem erwähnten Telegram-Kanal knapp 10.000 Menschen folgen, zog 2017 in die Ukraine. Internationale Bekanntheit erlangte er durch das extrem rechte Kampfsport-Format „White Rex“, dass er vor über zehn Jahren in Russland aufgebaut und mit dem er auch auf die westeuropäische Szene einen immensen Einfluss hatte. Kapustin ist nicht unumstritten. Journalist_innen des „Der Spiegel“ deckten vor wenigen Jahren auf, dass er einst als jüdischer Kontingentflüchtling nach Deutschland einreiste und in Köln lebte. Er selbst streitet dies ab und widerspricht auch einer Darstellung seiner Person als „Drogenboss“. Laut dem „Spiegel“-Artikel sei Kapustin verdächtigt worden, in der Ukraine Amphetamine hergestellt zu haben.

Nachdem es um den Neonazi lange ruhig war, trat er seit Herbst 2020 erneut in den sozialen Netzwerken auf und liefert dort rechte Inhalte quer durch die Bank: Kampfsport, Straßengewalt, Hetze gegen Migrant_innen, Antisemitismus und seit Beginn des Angriffskrieges in der Ukraine auch pro-ukrainische, neofaschistische Propaganda.

Ich bin Neonazi durch und durch. (…) Hier kämpft kein Kamerad für den Zelensky Jud, nur gegen die Neobolsheviken.“, schreibt er in einem Chat auf Telegram ­Ende Februar 2022 an einen vermeintlichen Mitstreiter. Dieser, wie auch ein nicht unerheblicher Teil der Neonazis-Szene, fragte die kämpfenden Kameraden in der Ukraine zu Beginn des Krieges immer wieder, warum sie gegen Putin seien und stattdessen für die „Schwuchtel“ und den „Juden“ Volodymyr Zelensky – Präsident der Ukraine – in den Kampf ziehen. In der Wahrnehmung der Szene repräsentiere Zelensky die moderne Welt, die westlichen Werte und damit verbunden u.a. die Gleichstellung von Schwulen und Lesben.

Kapustin solle weiter Merchandise mit „White Rex“ herstellen, anstatt sich in den Krieg einzumischen. „Wenn die Ukraine gewinnt, ist es schlecht für uns, wenn Russland gewinnt ist es schlecht für uns. Was aber noch viel schlimmer ist, ist es die eine Seite zu bewerben, auf der weiße Männer ohne Familie sterben, was dazu führt, dass es noch weniger von uns gibt.“, schreibt ein User auf Telegram in einem Chat an Kapustin.

Nach über dreimonatigen Kriegsgeschehen scheint innerhalb der Neonazi­-Szene die hitzige Auseinandersetzung darüber, ob man nun die Ukraine oder eher Russland unterstützen sollte, entschärft, bzw. entschieden. Propaganda, wie sie u.a. von Kapustin in den ersten Wochen des Krieges verbreitet wurde, um Neonazis weltweit davon zu überzeugen, dass Putin im Grunde eine neue Sowjetunion errichten wolle, scheint nun nicht mehr notwendig zu sein. In mehreren Videobotschaften hatte sich Kapustin am Anfang noch – auf Deutsch, Russisch und Englisch – an seine Follower gewandt und eine Positionierung eingefordert. Vor allem die Darstellung, dass tschetschenische Kämpfer durch den Krieg in der Ukraine auch in Westeuropa einfallen würden, war einer der Hauptbestandteile von Kapustins Propaganda. Ein Narrativ, das durch die Macht der Bilder verstärkt werden kann. Schließlich kursieren hunderte Videos bärtiger Männer, die auf Seiten Russlands kämpfen und unter Rufen wie „Allahu Akbar“ (dt. „Allah ist groß“) beim Häuserkampf im Osten der Ukraine zu sehen sind. Diese Videos sind die perfekte Vorlage für eine extreme Rechte, die seit Jahren vor der „Islamisierung des Abendlandes“ warnt. Auch Bilder und Videos, in denen russische Soldaten mit Hammer und Sichel zu sehen sind, befeuern den Glauben daran, dass der Krieg ein Kampf gegen den Kommunismus sei.

Alle Zeichen auf Krieg

Längst ist auch im Mainstream der ukrainischen Gesellschaft die Rede von „Orcs“, die in ihr Land einfallen. Kiew sei das Bollwerk gegen „Mordor“, wie es auf dem Telegram-Kanal „Fortress Kyiv“ heißt. Ein Verweis auf J.R.R. Tolkiens mytho-poetische Legenden, auf denen Bestseller wie „Herr der Ringe“ basieren. „Mordor“, das unsäglich „Böse“ – Russland –, Ramzan Kadyrovs Truppen aus Tschetschenien seien „Uruk-Hais“, ein besonders brutaler Auswuchs der „Orcs“.

Eine durchaus befremdlich wirkende Erzählung der Neonazis, die der Heroisierung ihres Kampfes um „Land und Kultur“ dienen soll. „Fortress Kyiv“ selbst ist das Produkt von Neonazis um das Label „Militant Zone“. Aushängeschild dessen ist Alexey Levkin, der vor Jahren aus Russland in die Ukraine flüchtete. Er ist Sänger der National Socialist Black Metal-Band (NSBM) „M8l8th“ und kämpfte bereits im Donbass auf Seiten der Ukraine, nachdem Russland dort 2014 einfiel. Über den Kauf im Webshop von „Militant Zone“ würde man die ukrainischen Kameraden im Kampf unterstützen. Dieser wie auch das bekannte Klamotten-Label „Sva Stone“ produzieren auch während des Krieges weiter.

Selbst Musik und dazu gehörende Videos werden in Kriegszeiten veröffentlicht. Erst kürzlich brachte Levkin mit „M8l8th“ eine Single heraus, das Cover der Single ziert – ganz zeitgemäß – eine Abbildung von Levkin selbst, im Anschlag eine Panzerabwehrlenkwaffe. Ähnliche Darstellungen finden sich bei ukrainischen Bands wie „Sokyra Peruna“. Ihr im Juni 2022 veröffentlichtes Musikvideo „Kalyna“ ist die eigene Vertonung eines bekannten Volksliedes, während das Video schlicht Kriegspropaganda ist. Es zeigt Arseniy Bilodub (geb. Klimachev), Sänger der Band, wie er als Teil einer militärischen Einheit der Neonazi-Organisation „Karpatska Sich“ durch das Kriegsgebiet fährt, an militär-strategischen Treffen teilnimmt, umkämpfte Häuser einnimmt oder eben mit Panzerabwehrwaffen schießt.

Auch bei „Sva Stone“, dem Modelabel von Bilodub, stehen die Zeichen auf Krieg. Anstatt wie gewohnt im Gym zu posieren, sieht man heute die Models der Marke, wie Volodymyr Avdienko, mit Schutzweste und in Tarn. 50 Prozent der Einnahmen würde man an die ukrainischen Freiwilligen-Verbände spenden, heißt es in den sozialen Medien seitens „Sva Stone“. „Wie wollen Waffen und Militarismus, Patriotismus und Expansion glorifizieren – die perfekte Ideologie, für die man sterben kann“, heißt es auf dem Telegram-Kanal der Marke schon am 22. Februar 2022, noch vor der Invasion des russischen Militärs. „Das Schicksal unseres Vaterlandes liegt in unseren starken Händen, in der Macht unserer Waffen und unseres Geistes! Wir werden gewinnen!“ verlautbarte „Sva Stone“ dann am 24. Februar 2022.

Unterstützung erhält Arseniy Bilodub und „Sva Stone“ aus Deutschland vor allem aus Chemnitz, wo der einflussreiche Neonazi-Versandhandel „PC Records“ seinen Sitz hat. Yves Rahmel - lange Zeit Geschäftsführer, heute „nur noch“ Mitarbeiter bei „PC Records“ – verkauft über den Webshop nicht nur exklusiv für den deutschen Markt die Produkte von „Sva Stone“, sondern ist bemüht, Spenden für seine Kameraden in der Ukraine zu aquirieren. Über „PC Records“ wurde etwa ein Spendenaufruf verbreitet, auf dem das Konto eines „Klimachov Arsentii“ angegeben wurde. Ein Hinweis auf Arseniy Bildodub, dessen Geburtsname „Klimachev“ lautet?

Auch Hilfsgüter brachte Rahmel aus Sachsen bereits an die polnisch-ukrainische Grenze, wo sie ihren Weg etwa nach Mykolajiw zu den „Rebel Volunteers“ fanden. Die Organisation präsentiert sich im Internet als wohltätig und sammle Hilfsgüter für Krankenhäuser. Die Flagge des „Asow“-­Regiments und Artikel vom Modelabel „Sva Stone“ finden sich jedoch auf vielen Fotos der Organisation wieder. Kein Wunder, denn Mitinitiator der „Rebel Volunteers“, Lybomir Boroda, ist Model der Neonazi-Marke und mit Bilodub freundschaftlich verbunden. Auch Rahmel - der erst im Sommer 2019 am „Fortress Europe“-Konzert in Kiew teilnahm und dort seine Hakenkreuz-Tätowierungen zur Schau stellte – ist ein langjähriger Bekannter Bilodubs. Im Rahmen eines Konzerts von „Sokyra ­Peruna“ in Ostdeutschland vor wenigen Jahren war es Rahmel, der u.a. Bildodub zum Völkerschlachtdenkmal nach Leipzig führte.

Im Übrigen: Weniger funktionstüchtig als der Versand von „Sva Stone“ dürfte der „Kolovorot“-Shop (dt. Hakenkreuz) in Kharkiv sein. Der Laden im Stadtzentrum, der von Musikern der NSBM-Band „Nokturnal Mortum“ mit betrieben wird, wurde im März während eines russischen Angriffs zerstört. „Nokturnal Mortum“ positionierten sich mehrfach und deutlich nationalistisch und spielten auf Benefiz-Konzerten der paramilitärischen Neonazi-Organisation „Prawji Sektor“ (dt. „Rechter Sektor“).

Bis zur Invasion des russischen Militärs im Februar 2022 war Bilodub in den Reihen von „Prawji Sektor“ zu finden und trug dessen Abzeichen. Warum er heute stattdessen der Freiwilligen-Einheit von „Karpatska Sich“ angehört, ist unklar. Ideologisch stehen sich beide Organisationen jedoch in nichts nach. Waren es bei „Prawji Sektor“ Konzerte extrem rechter Bands, die Gelder in die Struktur spülen sollten, gehört heute in Kriegszeiten RechtsRock auch in Propaganda-Videos von „Karpatska Sich“. Nur wer es kennt – und die internationale Neonazi-Szene versteht ihre Codes ohne viele Worte – weiß, welche RechtsRock-Band da in einem der kriegsverherrlichenden Videos von „Karpatska Sich“ zu hören ist: die Berliner Untergrund-RechtsRock-Band „Landser“ mit ihrem Lied „Rebell“ als Akustik-Version.

In den Reihen der Einheit findet man auch Neonazis aus dem Ausland. Etwa Alexandre Filipe, der aus der Schweiz stammt und sich schon vor Jahren in der Ukraine ausbilden ließ. Mutmaßlich um am Krieg gegen die Seperatisten im Donbass teilnehmen zu können. Filipe gehörte einst den „Schweizer Hammerskins“ als Anwärter an. Mit Personen von „Karpatska Sich“ nahm er schon im Februar 2019 am „Tag der Ehre“ in Budapest teil und besuchte im Sommer des selben Jahres ein Camp der ukrainischen Organisation.

Sowohl „Prawji Sektor“ als auch „Karpatska Sich“ verzeichneten während des aktuellen Kriegsgeschehens schwere Verluste in den eigenen Reihen. Das bekannteste gefallene Mitglied von „Prawji Sektor“ ist zweifelsohne Taras Bodanych, genannt „Hammer“. Er war Kommandeur eines Bataillons der Organisation und war in seiner Heimatstadt Lviv Anführer der „Lviv Skins“. Auch der ebenfalls aus dem Westen der Ukraine stammende Artem Zalesov schloss sich einer Freiwilligen-Einheit an. Benannt ist diese nach der russischen Neonazi-Gruppe „Format 18“ um Maxim „Tesak“ Martsinkevich – ein russlandweit bekannter Neonazi-Gewalttäter.

Internationale Trauerbekundungen gab es allerdings vor allem für Mykola Krawtschenko. Er hatte das „Asow“-Bataillon ab 2014 ideologisiert und militärisch mit aufgebaut. Bekanntheit erreichte er außerdem über sein Mitwirken im länderübergreifenden extrem rechten „Intermarium“-Bündnis, das zu Kriegsausbruch die Rekrutierung und Koordinierung der internationalen Freiwilligen übernahm, sowie durch seine Tätigkeit als Schriftsteller. Krawtschenkos Buch „Natiokratie“ wurde ins Deutsche übersetzt und beim neu-rechten „Jungeuropa“-Verlag veröffentlicht.    

Unterstützende aus dem europäischen Ausland

Die Welle der Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung und den kämpfenden Einheiten war auch in der Neonazi-Szene hoch. Rechte Hooligans des Berliner Fußballclub Dynamo und von Hertha BSC schickten schon wenige Tage nach der russischen Invasion taktische Ausrüstung an ihre Kameraden, während die rechten Ultras des FC Energie Cottbus im Stadion ein Spruchband präsentierten, auf dem dazu aufgerufen wurde, in Cottbus Krawalle anzufangen. Andere Personen aus den teils rechten Fußballszenen Dänemarks, Frankreichs, Portugals, Spaniens und Polens seien sogar selbst in den Krieg gezogen.

Ein wenig untergegangen ist, dass auch bekannte Personen der deutschen Neonazi-­Szene kräftig die Werbetrommel für den Krieg in der Ukraine rührten. Etwa Ivan Kormilitsyn, der lange Zeit in Rostock wohnte, dort der Kameradschaftsszene angehörte und kurzzeitig für die AfD ein Amt besetzte. Er stammt ursprünglich aus der Ukraine und nahm dort vor Jahren an militärischen Trainings teil. Zuletzt hatte er versucht einen deutschen Ableger von „Tradition & Ordnung“ aufzubauen. Die Gruppe, die 2016 in Kiew als „Tradition & Order“ gegründet wurde, gilt als Nachfolgerin der Organisation „Revanche“. Mit der Invasion des russischen Militärs dauerte es keine Woche, bis „Tradition & Order“ sich erneut unter ihrem alten Namen präsentierte: als „Bataillon Revanche“ unter Führung von Bogdan Khodakovsky. Auffällig viele junge Männer kämpfen für dieses Bataillon. In einer Selbstdarstellung heißt es dazu: „Der Krieg ist für die Jungen. So war es und so wird es immer sein. Nichts kann die Energie und das Abenteurertum junger Patrioten ersetzen, die ihre Kraft gefunden haben, um ihre Heimat zu verteidigen.“

Mit einer Armbinde von „Tradition & Order“ fiel auch Ivan Kormilitsyn auf. Nicht in Deutschland, sondern in seiner neuen Heimat Österreich, wo er Ende Februar 2022 an einer Demonstration in Wien teilnahm. In Graz wiederum beteiligte er sich bei der Koordination einer Sammelstelle für Hilfsgüter und versuchte dort mehrfach auf das Bataillon „Revanche“ aufmerksam zu machen. So veröffentlichte er Listen, in denen aufgezählt wurde, was das Neonazi-Bataillon an Ausrüstung bräuchte.

Quo Vadis Asow?

So weit bekannt kämpften bisher keine der erwähnten Einheiten und Bataillone unter der Obhut der Nationalgarde. Sie sind der Ukrainischen Armee unterstellt, zählen aber als Freiwilligen-Verbände zu den Territorial-Verteidigungskräften, die nach der russischen Invasion ins Leben gerufen wurden. Die hier genannten Einheiten sind bei weitem auch nicht die einzigen kämpfenden Gruppen. Eine vollständige Aufzählung aller (extrem) rechten Kampfgruppen ist nur schwer möglich, da das Kriegsgeschehen dynamisch ist und sich die Schauplätze fast täglich verschieben.
International wurde in den letzten Wochen vor allem das Handeln des „Asow“-­Regiments beachtet. Es ist Teil der Nationalgarde, dürfte mittlerweile um die 15.000 Kämpfende stark sein und zählt heute zu den Spezialkräften.

Seinen Ursprung hatte „Asow“ in der neonazistischen Bewegung nach der Maidan-Revolte, ihr Logo beinhaltete faschistische Symbole. Doch einen Namen machte sich das Regiment nicht nur durch ihr Auftreten, sondern durch ihren Einsatz gegen die Seperatisten in der Ostukraine nach 2014. Das Regiment war an der Befreiung Mariupols von den pro-russischen Kräften beteiligt und errichtete dort in den kommenden Jahren ihre Basis. Im Rahmen der Belagerung von Mariupol im jetzigen Angriffskrieg Russlands nahmen „Asow“-­SoldatInnen abermals eine herausragende militärische Rolle ein. Sie werden als HeldInnen gefeiert, da ihr Kampfgeist im Dienst der Ukraine innerhalb der Nationalgarde immer noch als herausragend gilt.

Als „Asow“-Bewegung und als politische Kraft, konnte sich das Regiment mit der parteiähnlichen Struktur „National Korps“ eine Basis aufbauen, die allerdings im aktuellen Kriegsgeschehen keinen Einfluss zu haben scheint. Auch ist der Kopf des „National Korps“, Andrij Bilezkyi, nicht mehr länger oberster Kommandeur des „Asow“-Regiments. Er wurde von Denys Prokopenko abgelöst, dessen politische Karriere in der extrem rechten Fußball­szene begann.

Zu behaupten, dass sich das Regiment durch personelle Veränderungen entpolitisiert hätte, wäre fatal. Beobachter_innen der Szene wie Michael Colborne1 raten jedoch, das Regiment als Neonazi-Organisation nicht überzubewerten. Tatsächlich unterlag die Gruppe einigen Veränderungen hinsichtlich ihrer Professionalisierung und ihres Auftretens. „Asow“ als politische Kraft scheint es so wie in den ersten Monaten nach der Maidan-Revolte nicht mehr zu geben. Eine politische Mäßigung dürfte sicherlich auch durch die Einverleibung in die Nationalgarde begünstigt worden sein, die zwar schon Ende 2014 stattfand, dessen Prozess um die Umstrukturierung aber einige Jahre andauerte. Davon abgesehen wurden dem „Asow“-Regiment 2015 aufgrund der offensichtlichen Verbindungen zur extremen Rechten vom US-Kongress jegliche Hilfen untersagt. Heute werden Drohnensysteme, Panzerabwehrlenkwaffen und andere moderne Waffensysteme wieder zur Verfügung gestellt.

Die „Guten“ aus dem „Asow“-Regiment – so in der Sprache des Mainstream - kämpften erbittert in Mariupol gegen die russische Belagerung von „Asovstal“. Nur wenigen Medien war es die Mühe wert, das Regiment als mindestens nationalistisch einzuordnen. Die „Bösen“ hingegen verschwanden von der Bildfläche, haben ihre Nischen gefunden und bilden eigene Verbände innerhalb von „Asow“: sogenannte Veteranen-Verbände, die heute unter den Namen „Kraken“ und „SOF Asow“ operieren.

Sorgen machen sollte nicht, wie extrem rechts die Kampfverbände sind, ob sie sich gemäßigt haben oder nach politischer Einflussnahme streben. Tatsächlich verstörend ist die Flut an Waffen, Munition und Kriegsgerät, welches auch durch die Hände von Neonazis gereicht wird. Es ist nicht absehbar, ob dieser Krieg in der Ukraine endet oder nach Westeuropa getragen wird, die Waffen werden ihre Wege jedoch mit Sicherheit dorthin finden, ähnlich wie in den Jahren nach dem Krieg in Kosovo. Nur ist die Wahrscheinlichkeit heute größer, dass die Wege der Waffen aus erster Hand von Neonazis zu Neonazis führen.

  • 1Michael Colborne: From the Fires of War: Ukraine‘s Azov Movement and the Global Far Right, ISBN-13: 9783838215082