Wir sind wütend - Repression gegen Antifaschist:innen im Erzgebirge
Atomkinder e.V. (Erzgebirge) (Gastbeitrag)Seit vier Jahren ist alles irgendwie anders. Drei Hausdurchsuchungen erlebten wir in dieser Zeit. Seither müssen wir zusehen, wie alles schwerer fällt. Trotzdem sind wir alle noch da, immer noch laut und kämpferisch. Daran versuchen wir festzuhalten. Jedoch wollen wir hier darüber reden, wie Repressionen wirken. Wir planen momentan auch einen kleinen Vortrag zur Thematik, also ladet uns gern ein.
Polizisten rücken zu einer morgendlichen Razzia an.
Wir sind eine Gruppe von Menschen, die gemeinsam in einem (dem einzigen) alternativen Wohn- und Kulturprojekt im Erzgebirge leben. Wir engagieren uns ehrenamtlich, organisieren Demonstrationen, Lesungen, Vorträge, stellen Räume für Künster:innen und vieles mehr. Unser Verein „Atomkinder e.V“ wurde im Jahr 2016 gegründet und wir erwarben das Objekt, was nunmehr seit über 25 Jahren Rückzugsort und „Antifabunker“ zugleich ist: unsere geliebte „Unanbeatbar“.
Das erste Mal kamen die Cops wegen eines Plakats an einem AfD-Büro, der Vorwurf lautete Sachbeschädigung. Mindestens eine Polizei-Hundertschaft umstellte unser Haus. Leider waren wir zu dieser Zeit null auf derartige Repressionen vorbereitet, das heißt, quasi standen ihnen alle Türen offen. Wir wurden von lautem Geschrei geweckt, die Tür der betroffenen Person wurde aufgerissen. Sie sah nur noch Polizeischilder, hörte den Befehl „Sichern sie die Hunde!“ und kam sich vor wie im falschen Film. Als sie den Raum nach viel Geschrei, mit den Hunden und natürlich mehreren vermummten Beamten im Schlepptau verlassen durfte, wurde ihr das Ausmaß der Katastrophe bewusst. Jeder Meter links und rechts „Schweine“. Die Mitbewohner:innen aufgereiht wie Schwerverbrecher vor ihren Zimmern, Durchsuchungsbeschluss erst einmal zwei Stunden Fehlanzeige.
Zum Glück war unser Umfeld wachsam und wir erhielten anwaltliche Unterstützung. Irgendwann die Gewissheit - wegen Graffiti-Tags und Plakaten. Sie durchsuchten jeden Raum, sowohl Vereinsräume und Bauwägen als auch die Zimmer aller anderen Bewohner:innen. Augenmerk lag hierbei eindeutig auf Datenträgern und Schriftstücken. Toilettengänge alleine waren nicht möglich - im Schlepptau immer ein Polizist. Horror. Danach völliges Chaos, das Gefühl von Machtlosigkeit und Wut - ist die Scheiße gerade wirklich passiert? Alles weg, Handynummern, Gerätschaften wie Laptops, Festplatten und vor allem das Gefühl von Sicherheit.
Beim zweiten Mal waren wir besser vorbereitet, was aber auch mehr kaputte Türen bedeutete. Viele von uns wurden von dem Geräusch der hämmernden Ramme an der Haustür geweckt, manche aber auch vom Funkspruch: „Hausdurchsuchung“. Eine kleine Anmerkung vielleicht schon hier: Es kann allen passieren, die sich politisch engagieren, deshalb seid wachsam. Bei uns haben die zwei Minuten Verzögerung durch verbarrikadierte Türen wichtige Unterschiede gemacht. Sich nicht vor den Cops anziehen oder stundenlang halb nackt rumstehen zu müssen, ist dabei auf jeden Fall einer, aber auch das eine oder andere Gerät, was noch kurz in der Mikrowelle seine Runde drehen konnte, sei hier positiv hervorzuheben.
Am Ende vom Anfang die Gewissheit: drei betroffene Personen. Ein einigermaßen geordneter Umgang, bis es zu einem Zufallsfund kam, der als Verstoß gegen das Waffengesetz gewertet wurde. Das führte zu einer circa elfstündigen Durchsuchung, die uns allen viel Kraft geraubt hat. Kleine Wettrennen mit Polizisten, um die Tür zur Toilette doch noch zuschlagen zu können, inklusive.
Aus welchem Grund diesmal? Der Vorwurf lautete: „Schwerer Landfriedensbruch“ aufgrund der Teilnahme an einer 1. Mai Demonstration in Gera. Nach elf Stunden auch die traurige Gewissheit, dass es nicht nur uns getroffen hat. Viele Genoss:innen haben an diesem Tag die gleiche, teils traumatisierende Scheiße durchgemacht.
Im Februar 2025 wieder um 6 Uhr morgens, die Ramme so laut wie bisher noch nie. Von einer Sekunde auf die andere waren wir hellwach. Okay, kurz sammeln, realisieren was hier schon wieder abgeht. Der neue Vorwurf: „Schwerer Landfriedensbruch in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung“. Die betroffene Person wurde auf dem Weg zur Arbeit abgefangen und mit Maschinengewehren aus dem Auto „gebeten“. Danach wurde ihr der Hausschlüssel entzogen, die Cops hätten also die Türen einfach öffnen können. Bei einer ist das auch passiert, aber aus Spaß an der Freude wurden alle anderen Türen zerstört. Selbst Karabinerhaken können die Spezialisten offensichtlich nicht bedienen, denn diese wurden einfach zerschnitten.
Ausnahmsweise wurde sich diesmal daran gehalten, nur den Raum der betroffenen Person sowie gemeinschaftlich genutzte Räume zu durchsuchen. Trotzdem durften sich alle anderen Bewohner:innen wieder nicht frei bewegen. Was diesmal auch aufgefallen ist: wieder weniger Beamte, dafür mit Maschinengewehren bewaffnet. Wieder weitere Betroffene in der Umgebung, wieder Fassungslosigkeit.
Warum schreiben wir diesen Text? Zum Teil zur eigenen Aufarbeitung, aber vor allem, um allen aktiven Antifaschist:innen ein paar Dinge mit auf dem Weg zu geben. Wir halten uns nicht für besonders, wir sind Menschen wie ihr alle, die ihr den Artikel lest und euch auf welche Art auch immer engagiert. Wir machen Dinge, die im Hinterland notwendig sind, doch irgendwann sind wir in den Fokus der Behörden geraten und scheinbar sind wir aus diesem auch noch nicht wieder raus.
Definitiv waren nicht die vorgeschobenen Vorwürfe (teils sogar „nur“ Ordnungswidrigkeiten) der Grund für die Durchsuchungen, sondern vielmehr das Ausspähen unserer Strukturen, unserer Kontakte und unserer Arbeitsweisen. Gerade aus der ersten Akte geht dies mehr als eindeutig hervor: Drohnenbilder, Handyauswertungen, Grafiken einzelner Wohnungen auf 900 Seiten für die Einstellung in einem Verfahren, in dem selbst der Richter den Grund der Durchsuchung als fragwürdig ansieht. Auch die Verfahren um den 1. Mai Gera sind nun fast alle gegen Zahlung an einen gemeinnützigen Verein eingestellt.
Es kann jede:n von uns treffen, deswegen eine Bitte: Seid solidarisch miteinander und versteht den Mechanismus, der hinter Repressionen steckt. Viele tolle Menschen stehen hinter uns, an dieser Stelle Liebe und Kraft für euch. Ihr habt einen riesigen Teil dazu beigetragen, dass uns die Repressionen nicht gebrochen haben. Sei es durch eure Freundschaft, durch Gespräche, kleine Aufmerksamkeiten oder den schnellen Wiederaufbau von Türen und ähnlichen Schutzmechanismen.
Trotzdem ist es leider so, dass wir auch viele Veränderungen bemerken. Weniger Menschen besuchen unsere Konzerte. Von Mal zu Mal normalisieren sich sowohl für uns, als auch für unser Umfeld die Repressionen. Während nach der ersten Durchsuchung viele Menschen sofort da waren, saßen wir nach der dritten Durchsuchung am Abend alleine hier.
Doch die Belastungen bleiben die gleichen, psychische wie auch materielle: technische/s Geräte und Equipment müssen ersetzt, Reparaturen, Soli-Aktionen und Anwält:innen müssen organisiert und bezahlt werden. Gleichzeitig aber der Wille handlungsfähig zu bleiben. Wir wollen hier klar machen, dass wir immer noch kämpfen. Eure Solidarität hilft, lasst sie nicht abreißen! Ob Soli-Fotos, -Bilder, -Bars oder -Konzerte, all das lässt uns aufatmen und dem ganzen Scheiß standhalten. Also seid solidarisch mit allen von Repressionen betroffenen Personen. Grüße gehen nach Görlitz, Leipzig, Zwickau und Dresden, aber auch in alle anderen Städte, in denen sich Menschen der neofaschistischen Normalisierung in den Weg stellen.
Die Genoss:innen vom „Spektrum 360 Grad“ organisieren am 13. Dezember 2025 eine Demonstration in Schwarzenberg unter dem Motto „Die Staatsmacht in die Schranken weisen“, bei der nicht nur unsere Repressionen thematisiert werden, sondern die generelle Willkür gegenüber Antifaschist:innen. Seid solidarisch mit uns und anderen von Repression betroffenen Antifaschist:innen. Fahrt in die Provinzen.