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Das Netzwerk früherer SS Leute

Einleitung

Ausgehend von einer Mitgliedsliste des "Kameradenwerk Korps Steiner" recherchierte die antifaschistische Zeitung "Searchlight" in mehreren europäischen Ländern. Das Antifaschistische Infoblatt (AIB) hatte sich daran beteiligt. An diesem "Kameradenwerk" lässt sich die Geschichte der "Sturmstaffel" (SS), ihre Traditionspflege und das Fortbestehen eines Netzwerkes ehemaliger SS-Leute beispielhaft nachvollziehen. Es ist nicht nur ein Geselligkeitsverein ewiggestriger Greise, sondern verfügt über seine in der ganzen Welt verstreuten Mitglieder über ein internationales Kontaktnetz und ist im Rahmen des SS-Traditionsverbandes "Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS e. V." (HIAG) Bestandteil der neonazistischen Nachkriegsstruktur.

Ein Neonazi hält ein Foto des "Reichsführers der SS" Heinrich Himmler auf einer Neonazi-Demonstration in München.

Der Soldatenfriedhof in Halbe bei Berlin ist dabei, ein weiterer Wallfahrtsort der neonazistischen Szene zu werden. Unter den 20.000 Soldaten, die noch in den letzten Schlachten in den Tod getrieben wurden, befanden sich zahlreiche Angehörige der Waffen-SS. Dies war kein Grund für die Vertreter des Verteidigungsministeriums, diesen Friedhof nicht im November letzten Jahres mit einer offiziellen Zeremonie aufzuwerten. Bundeswehrsoldaten gaben ein malerisches Bild ab, wie sie vor niedergelegten SS-Kränzen strammstanden. Die Veranstaltung am Nachmittag, angemeldet von den Strukturen der "Deutschen Kulturgemeinschaft" (DKG), war geprägt von dem Auftreten der jungen Neonaziszene aus der BRD wie Wiking Jugend (WJ), FAP und NF.

Der Kranz mit der Schleife »Für die gefallenen Helden Europas« war schon morgens vor dem Bundeswehrauftritt vom "Kameradenwerk Korps Steiner", das in Berlin auch noch über einige Mitglieder verfügt, abgelegt worden. Das "III. (germanische) SS-Panzerkorps" des SS-Generals Felix Steiner umfaßte verschiedene SS-Divisionen und war (mit deren Überresten) noch an den letzten Gefechten um Berlin beteiligt. Steiner war nach dem Krieg einer der Hauptpropagandisten des Märchens von der Waffen-SS als »viertem regulären Wehrmachtsteil«. Das Internationale Militärtribunal von Nürnberg kam in seinem Urteil zu einer völlig anderen Aussage. Es definierte die SS in ihrer Gesamtheit als verbrecherische Organisation und schloß darin ausdrücklich die Mitglieder der Waffen-SS und die der verschiedenen Polizeieinheiten, die der SS unterstanden, mit ein.

Was war die Waffen-SS?

Bereits Mitte der zwanziger Jahre wurde begonnen, eine von der Massenorganisation SA getrennte Eliteeinheit der NSDAP zu schaffen. 1925 noch unter dem Namen »Stoßtrupp Adolf Hitler«, wurde sie schon bald in »Schutzstaffeln« umbenannt. Bei der Liquidierung der SA-Führung (sog. Röhm-Putsch 1934) und der erbarmungslosen Verfolgung der antifaschistischen Kräfte tat sich die SS hervor. 1938 ordnete Hitler die Aufstellung von SS-Einheiten als »Verfügungstruppen« an, als eine bewaffnete Formation, die im Kriegsfall entweder im Rahmen des Heeres oder bei Bedarf im Innern eingesetzt werden. Nach Hitlers Vorstellung sollten sie mit der im Krieg erworbenen Autorität dann als »Staatspolizei« im Innern verwendet werden.

Verhindert werden sollte, daß Wehrpflichtige der Armee bei »kritischen Lagen im Innern gegen eigene Volksgenossen« vorgehen müssen, so wird Hitlers Position in einem NS-Dokument festgehalten. Als Belohnung sollten die Waffen-SS'ler nach Beendigung der Dienstzeit Bauernhöfe im Osten zur Verfügung gestellt bekommen - nach entsprechender Entvölkerung der Gebiete. »So entsteht im Osten durch die SS- Kameraden der Front ein neues deutsches Bauerntum, ein lebendiger Ostwall, dessen Stärke und innere Sicherheit die Wehrbauern der SS garantieren«, verkündete der »Reichsführer SS« Heinrich Himmler.

Als »Stoßtrupp für Europa« wurden die Waffen-SS'ler nach »rassischen« und körperlichen Gesichtspunkten ausgesucht, mit einer gründlichen weltanschaulichen Schulung versehen und auf Hitler persönlich vereidigt. Die Wehrmacht wehrte sich gegen eine militärische Parallelstruktur der SS, die SS-Divisionen unter der Führung von eigenen SS-Führern beinhaltete. Doch Himmler setzte sich durch. Die SS-Divisionen wurden zwar insofern in die Wehrmachtsstruktur eingebunden, als sie taktisch der Kriegsführung des Oberkommando des Heeres unterlagen, jedoch disziplinarisch und politisch waren sie der SS-Führung und damit der NSDAP bzw. Hitler persönlich unterstellt. Am Ende des Krieges kam die Waffen-SS auf eine Stärke von 38 Divisionen mit ca. 600.000 Mann. Insgesamt dürften ihr knapp eine Million angehört haben.

Der Einfluß der Waffen-SS hatte bis 1944 so stark zugenommen, daß die Wehrmacht wesentliche Zuständigkeiten an den »Reichsführer SS« abgeben mußte; die Abwehr, den Befehl über das Ersatzheer und das Kriegsgefangenenwesen. Die verlustreiche Kriegsführung in der Sowjetunion hatte eine umfangreichere Rekrutierung notwendig gemacht. Hitler gestattete Ende 1941 die Teilnahme ausländischer Freiwilliger »im Kampf gegen den Bolschewismus«, sie mußten nur »nordischen Blutes« sein. So wurden erste solcher Freiwilligen-Legionen aus Skandinaviern, Holländern, Belgiern und Franzosen gebildet, die dann in die SS-Divisionen wie die »Wiking« (unter dem Kommando des Felix Steiner) überführt wurden.

Das von Steiner ab 1942/43 geleitete "III. Germanische SS- Panzerkorps" hatte einen hohen Anteil dieser europäischen Freiwilligen, was der "Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS e. V." (HIAG) den Anlaß gab, die Mordpolitik der Waffen-SS als einen Kampf europäischer Nationen gegen den Kommunismus darzustellen. Doch nicht diese SS- Freiwilligen, auch nicht die in den letzten Kriegsjahren zu SS-Divisionen eingezogenen Wehrpflichtigen machen das Wesen der Waffen-SS aus. In welches überfallene Land wir auch schauen, der Namen der Waffen-SS wird für die Menschen dort immer mit Mord und Massakern verknüpft sein. Vier aus Waffen-SS, Sicherheitsdienst und Sicherheitspolizei zusammengesetzte "Einsatzgruppen" waren für die flächendeckenden Massaker in den Ländern Osteuropas verantwortlich.

Diese mobilen Mordmaschinen sollten im Rahmen der Aufstandsbekämpfung gleich noch die Vernichtung der vom NS-Regime unerwünschten Bevölkerungen betreiben. Beteiligt an dieser Ausmerzungspolitik waren »Volksdeutsche« aus den osteuropäischen Ländern, die ab 1942 in die Waffen-SS rekrutiert und zum Teil auch gepreßt wurden. Auch sie wurden mit den Sondereinheiten zur »Bandenbekämpfung« hinter der Front eingesetzt. Die Führer der in den besetzten Gebieten operierenden Polizeieinheiten konnten übrigens jede verfügbare militärische Einheit für ihren Kampf anfordern, sowohl Wehrmachtseinheiten wie Waffen-SS. Da diese Operationen oft nichts anderes als Massenexekutionen der jüdischen Bevölkerung bedeuteten, wurde in der Regel die Waffen-SS bevorzugt. Die Unterscheidung zwischen den speziellen Vernichtungskommandos und den aus dem Feld abgezogenen Waffen-SS-Einheiten verschwamm dabei zusehends. Immerhin knapp 35% des Personals der Einsatzgruppen stellte die Waffen-SS.

Bevor die Nazis die Ausrottung fabrikmäßig betrieben, spielten diese mobilen Massenmordkommandos eine zentrale Rolle in der NS- Vernichtungspolitik. Der Leiter der "Einsatzgruppe D", Otto Ohlendorf, konnte nach einem Jahr seiner Aktivitäten auf 90.000 ermordete Menschen verweisen. Als die JüdInnen in die Vernichtungsfabriken verschleppt wurden, wartete die Waffen-SS in Form der Wachmannschaften, um sie in den Tod zu transportieren. Auch wenn es die HIAG immer wieder leugnet, die Wachmannschaften waren Teil der Waffen-SS. Sie trugen deren Uniform und hatten deren Soldbücher. Während des Krieges fand ein ständiger Personalaustausch zwischen den Feldeinheiten der Waffen-SS und den Einheiten aus den KZs statt.

Fast alle der berüchtigsten KZ-Kommandanten waren Angehörige der Waffen-SS, so Rudolf Höß (Auschwitz), Josef Kramer (Bergen-Belsen) oder Arthur Liebehenschel (Maidanek). Die SS-Sondereinheit "Dirlewanger", ab 1944 "36. Waffen-Grenadier-Division der SS", trieb es mit ihrer Brutalität so weit, daß selbst höhere SS-Offiziere ihre Abberufung forderten. Diese aus Kriminellen aus den KZs und verurteilten Waffen-SS'lern zusammengesetzte Einheit konnte sich in ihrer Bestialität mit den Einsatzgruppen messen.

SS-Täter in der BRD

Doch auch die Namen der übrigen Waffen-SS-Divisionen stehen für die Ermordung von BewohnerInnen besetzter Gebiete und Massaker an Kriegsgefangenen. Wir wollen nur einige wenige erwähnen. Ein Teil der verantwortlichen Waffen-SS-Führer begegnet uns nach dem Krieg in den Strukturen der HIAG wieder..

• Im Mai 1940 wird während eines Rückzuges bei Dünkirchen eine Gruppe kanadischer und britischer Soldaten festgenommen, in eine Scheune getrieben, die angezündet und unter genommen Maschinengewehrfeuer wird. Das Kommando über diese SS-Truppe hatte der Generalmajor Wilhelm Mohnke. Später wird der Hamburger Autohändler als ein Angehöriger des Kameradenwerk »Steiner Korps« benannt.

• 600 galizische Juden werden in einer »Vergeltungsaktion« von der SS- Division »Wiking« umgebracht. Divisionskommandeur war zu Zeit der SS-General Felix Steiner. Er war nach 1945 in der Redaktion der "Deutsche Soldaten-Zeitung", Mitglied der "Gesellschaft für Wehrkunde" und Funktionär der HIAG.

• Die »Leibstandarte Adolf Hitler« bringt als Vergeltung für sechs getötete SS-Soldaten 4.000 Menschen innerhalb von drei Tagen um. Divisionsführer war der SS-Generaloberst Josef „Sepp“ Dietrich. Er war in der BRD für die HIAG aktiv.

• Teile der SS Divison »Das Reich« sind an der Erschießung von JüdInnen in Minsk beteiligt. »Das Reich« ist auch mitverantwortlich für das Massaker in Oradour-sur-Glane. Kommandeure von "Das Reich" waren während des Krieges u.a. der SS-Brigadeführer Heinz Lammerding (Oktober 1943 bis Juli 1944) und Paul Hausser (Oktober 1939 bis Oktober 1941).

• Das Abschlachten der Bevölkerung des Warschauer Ghettos im April und Mai 1943 leitete der Generalleutnant der Waffen-SS Jürgen Stroop; die Befehle für die Zerstörung gab der Waffen-SS-Generaloberst Paul Hausser. Paul Hausser war im Nachkriegsdeutschland Funktionär der HIAG, im Präsidium des "Verband deutscher Soldaten" (VdS) und Verfasser der Publikation „Waffen-SS im Einsatz“

• Im Sommmer 1944 erschießen Angehörige der 12. SS-Panzerdivision »Hitlerjugend« 64 unbewaffnete kanadische und britische Kriegsgefangene. Divisonskommandeur war Kurt Meyer (»Panzermeyer«). Ab 1959 war Kurt Meyer HIAG-Bundessprecher.