I.G. Farben i.A.: Negatives Echo kaum zu befürchten
Eigentlich nicht Ungewöhnliches in „Treuhand“-Zeiten: Eine Firma steht in Abwicklung. Doch es ist kein DDR-Betrieb und es dauert auch nicht einige Monate bis zwei Jahre. Es handelt sich um die »Auflösungsgesellschaft« eines der großen deutschen Kriegsverbrecherkonzerne - und die wickelt sich schon seit vier Jahrzehnten ab.
Nach dem Alliierten-Kontrollratsbeschluß sollte der Mammutkonzern „I.G. Farbenindustrie AG“, kurz „I.G. Farben“, der einen wesentlichen Bestandteil der NS-Kriegs- und Vemichtungspolitik darstellte, entflechtet und abgewickelt werden. Denn eine Beteiligungsgesellschaft der „Degussa AG“, „Th. Goldschmidt AG“ und der „I.G. Farben AG“, die „Deutsche Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung“ (Degesch), vertrieb das Schädlingsbekämpfungsmittel Zyklon B, das in den Gaskammern des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau zum Massenmord eingesetzt wurde. Die Errichtung der Bunafabrik in Auschwitz wurde mit ca. eine Mrd. Reichsmark durch die I.G. Farben finanziert.
„Um jede künftige Bedrohung seiner Nachbarn oder des Weltfriedens durch Deutschland unmöglich zu machen, und mit Rücksicht auf die Tatsache, daß die I. G. Farbenindustrie sich wissentlich und in hervorragendem Maße mit dem Ausbau und der Erhaltung des deutschen Kriegspotentials befaßt hat“, beschlagnahmte der Alliierte Kontrollrat im September 1945 das gesamte Vermögen der I.G. Farben. Er bildete auch einen Ausschuss, der mit der Vorbereitung der Auflösung der I.G. Farben beauftragt wurde.
Doch 1951 wurde in der Bundesrepublik beschlossen, den I.G. Farben Betrieb unter neuen Bedingungen weiterzuführen und aus der I.G. Farben deren ursprüngliche Bestandteile wieder auszugliedern. Als offizielle Nachfolgeunternehmen benannte die Alliierte Hohe Kommission im Juni 1952 auch die I.G.-Teilkonzerne Bayer AG, BASF und Hoechst AG. Zugleich wurde die „I.G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft i. L.“ bzw. später die „I.G. Farbenindustrie AG i. A“ gegründet, die die Liquidation des Konzerns betreiben sollte.
Doch die Liquidation dieser »Auflösungsgesellschaft« besteht darin, nach der Logik der kapitalistischen Marktgesetze möglichst viel Gewinn zu erwirtschaften und als kapitalistischer Konzern erst richtig loszulegen, bevor es zu einer Auflösung kommt. Gemäß dem letzten Geschäftsbericht verfügt die IG über 150 Millionen DM, die wiederum größtenteils gewinnbringend in Aktienpapieren und Beteiligungen angelegt sind. Vier Jahrzehnte kam die I.G. i.A. nicht an ihre alten Betriebsstätten heran. Doch damit soll jetzt Schluß sein. Kurz nach Mauerfall hatte die I.G. i.A.ihre Ansprüche angemeldet. Von den Alliierten enteignetes Vermögen wird gemäß Vereinigungsvertrag nicht zurückerstattet. Doch das Bundesverfassungsgericht hat den Bundestag aufgefordert, über eine finanzielle Entschädigung in solchen Fällen nachzudenken. Das Entschädigungsgesetz, das in Bonn noch beraten wird, geht dann nicht von dem heutigen Verkehrswert des Boden aus, sondern legt den Einheitswert von 1935 zugrunde. Doch bei dem früheren Grundbesitz von 155 Mio. qm käme die I.G. i.A. immer noch auf eine Milliardensumme. Außerdem haben die Grundbucheintragungen der Enteignungen durch die sowjetische Besatzungsbehörde oft erst zu DDR-Zeiten stattgefunden, was der I.G. i.A. auf juristischem Gebiet nochmals Chancen eröffnet (für Enteignungen während der DDR-Zeit gilt Rückgaberecht). Die IG ist durchaus auf jahrelange Prozeßführung erpicht, können sie in der Zeit doch ihr Kapital »arbeiten lassen«.
Die I.G. i.A. will in Bauvorhaben in Ostdeutschland investieren. Dem liegt zugrunde, daß in der ex-DDR ehemalige Eigentümer nur entschädigt werden, aber keinen Einfluß auf die Grundstücke haben, wenn sich ein Investor meldet, der auf dem Boden Arbeitsplätze schaffen will. Um mit dem größtmöglichsten Gewinn zu arbeiten - was die Liquidatoren als ihren Auftrag sehen - muß die I.G. i.A. als Investor auftreten, um die Grundstücke später mit mehr Gewinn verkaufen und so »abwickeln« zu können. So ist es nur konsequent, daß sich seit ihrer Hauptversammlung letzten Jahres die "IG Farbenindustrie Aktiengesellschaft i.A." nunmehr "IG Beteiligungs und Grundbesitz-Aktiengesellschaft i.A." nennt. Ehemals der I.G. gehörende Unternehmen werden zurückgekauft, worüber die I.G. i.A. dann neue Entschädigungsansprüche geltend machen will.
Einige der IG-Untergesellschaften, die enteignet worden waren, hat die I.G. i.A. wieder ins Handelsregister eintragen lassen. Dort sind jetzt zu finden: Buna-Werke Schkopau, die Chemischen Fabriken Zscherndorf, die Zelloidfabrik Eilenburg und die Aluminiumwerke GmbH. Auch auf die Chemiewerke Leuna, die Filmfabrik Wolfen, auf Braunkohlegruben und insgesamt 151 Millionen Quadratmeter Land hat man ein Auge geworfen. Offiziell ist der Auftrag der IG i.A., das Restvermögen zu verwalten und Schadensersatzansprüche zu regeln. Die Liquidatoren-Vorstandsmitglieder Ernst-Joachim Bartels und Günter Vollmann sind wieder im Geschäft. Wenn die Nachfolgegesellschaft der I.G. Farben auch nur einen geringen Teil ihres ostdeutschen Vermögens kommt, könnten die Aktionäre mit Profit rechnen. Der Aufsichtsratsvorsitzende, Ernst Krienke, ist sich jedoch noch nicht ganz sicher, "ob wir je einen Pfennig aus dem Osten sehen werden". Doch selbst wenn, davon dürften die Opfer kaum etwas zu sehen bekommen. Außer einer einmaligen Zahlung von 30 Mio. DM in den 1950er Jahren geschah nichts. Diese Summe wäre gerade mal – würden wir nur den kleineren Teil der I.G.-Opfer, die im I.G.-eigenen KZ Auschwitz-Monowitz ermordeten ZwangsarbeiterInnen, zugrunde legen - 1.200 DM pro Häftling.
Vor der Presse hatten die Liquidatoren auf der Hauptversammlung letzten Jahres noch die Bildung eines »Ausgleichfonds« bekanntgegeben. Doch der wird an die erwartete Rückerstattungen aus der ex- DDR gekoppelt. Fünf Prozent dieser Gelder soll zu gemeinnützigen Zwecken abgeführt werden. Konkreteres ist von der I.G. i.A. nicht zu hören. Auch dieses Jahr haben wieder ehemalige KZ-Häftlinge vor der Jahresversammlung im August protestiert, ärgerlich für die »I.G. in Auflösung«. Doch ein "negatives Image" fürchtet der Liquidator Barteis laut Zeitschrift „Stern“ nur, wenn die I.G. i.A.-Aktionäre Rückgabeansprüche an polnische oder tschechische Firmen stellen. Offensichtlich ein Gedanke, mit dem in diesen Kreisen bereits gespielt wird. Daß das »negative Image« erst da einsetzt, zeigt wie weit es die IG i.A. bereits gebracht hat.