Die Nachfolge-Organisationen der "Nationalistischen Front" (NF)
Im Wettlauf mit staatlichen Verboten versucht die (frühere) NF immer wieder unter neuem Logo aufzutreten. In Berlin und Brandenburg sind die alten NF-Netzwerke unter dem Namen »Förderwerk Mitteldeutsche Jugend« (FMJ), "Direkte Aktion Mitteldeutschland/JF" (DA-JF) und »Sozialrevolutionäre Arbeiterfront« (SrA) aufgetaucht. Öffentlich in Erscheinung getreten ist nur die Vorfeldorganisation FMJ, die SrA bzw. die DA-JF als Kader-Struktur blieb im Hintergrund (zur Entstehungsgeschichte des FMJ siehe Antifaschistisches Infoblatt Nr. 21). Hinter den Namen stehen die früheren NF-Kader, die sich mit dem Partei-Chef Michael Schönborn zerstritten hatten. Auch wegen interner Konflikten und Spaltungen sind nicht alle NF-Ortsgruppen als FMJ oder DA-JF aktiv geworden. Diverse frühere NF-Ortsgruppen bestehen jedoch weiter, die Struktur wird weiter ausgebaut und die Mitglieder geschult. Erst nach umfangreichen Schulungen werden sie wieder ins Rennen geschickt. Der Wettlauf gegen die hilflosen Verbotsbemühungen des Staates geht weiter. Nachdem die FMJ im Visier der Öffentlichkeit stand, waren neue Namen wie "Direkte Aktion" schnell parat.
Aufgabenbereiche ohne Ende
Das FMJ bzw. die DA-JF hat die Aufgabe oder zumindestens den Anspruch durch regionale politische Arbeit Mitglieder an die Organisation zu binden. Im Organisationsprofil der NF hieß es dazu: »Die sichere Grundlage der nationalrevolutionären Bewegung sind die örtlichen Basisgruppen. Wichtig ist nicht der personelle Umfang einer Gruppe, sondern die Qualität ihrer Mitglieder«. Folglich wird auf Schulung und Erziehung der Mitglieder großen Wert gelegt, um ideologisch gefestigte Leute für die Kadergruppe zu rekrutieren. »Betreut« werden diese Ortsgruppen mittlerweile auch von Kadern der SrA/DA-JF. Mehrere Gruppen einer Region werden zu Bereichen zusammengefaßt, da »ein weitverzweigtes Netz solider örtlicher Basisgruppen in enger Koordination die nötigen Handlungsmöglichkeiten« bereitstelle. Die Bereichsleitung setzt sich aus Kadern der SrA/DA-JF zusammen, diktiert die Arbeitsprogramme für die Ortsgruppen und koordiniert gemeinsame Aktivitäten.
Die formale Struktur
In der SrA sind die Kader organisiert, also Leute die Führungsaufgaben und andere besonders verantwortliche Aufgaben übernehmen wie z.B. die eben erwähnte Bereichsleitung und Ortsgruppenleiter. Zu den Pflichten des Kaders gehören Schulung, Disziplin und Teilnahme an Aktionen. Die Leitung der Organisation ist in Referate und in einen Organisationsleiter gegliedert:
Für den Vorstand des FMJ - mit Stand vom 27. März 1993 - treten auf: R. Doberschütz als Vorsitzender, K. Lück (Brandenburg) als Stellvertreter, M. Hanke als 2. Stellvertreter, J. Schwarz als Schatzmeister, R. Bratke als Schriftführerin, O. Biermann als Vorsitzender der Schiedskommission und F. Hahn als Beisitzer.
Für den Vorstand der SrA - mit Stand vom 30. September 1992 - treten auf Enno Gehrmann aus Berlin als Organisationsleiter, Mark Neserks für das Referat Finanzen, Jens Og aus Kremmen für das Referat Sicherheitsdienst (Innen), Andreas Pohl aus Berlin für das Referat Öffentlichkeitsausschuss und Medien, Sven Hansen aus Schwedt für das Referat Schulung, Horst Schott für das Referat Beschaffung, Andre Läder (Kremmen) für das Referat Sicherheitsdienst (Außen) - was wahrscheinlich Anti-Antifa meinen soll, Sören Fähnle für das Referat Volks- und Brauchtumspflege.
Eine weiteren NF-nahen Struktur namens "Direkte Aktion Mitteldeutschland -JF" soll angeblich bereits Ende 1989 in Brandenburg/Havel gegründet worden seien. Später trat die Gruppe mit Kontaktadresse in Velten auf und benannte Ernst von Amhoff (Vorsitzenden), Klaus-Dieter Lück (Stellvertreter) und Toralf Degenhardt als ihren Vorstand. Sie dürfte eher im Sommer 1992 als ein Ableger der NF gegründet worden sein.
Die NF-Nachfolge-Organisationen sollen folgendermaßen gegliedert werden: Organisationsleitung - Bereichsleitung - Gruppenführung und Gruppenmitgliedschaft. Bei der "Direkten Aktion Mitteldeutschland / JF" in: Organisationsleitung - Vorstand - Ortsgruppe/Bereich - Stützpunkt/Kameradschaft.
Die Organisationsleiter stehen für die direkte Nachfolge der NF. Andreas Pohl aus Berlin war im Bundesvorstand der NF und ist jetzt Vorsitzender der SrA. Enno Gehrmann aus Berlin war 3. Stellvertreter der NF und dann Vorsitzender des FMJ. Am 3. Januar 1993 wurde Gehrmann auf der Jahreshauptversammlung des FMJ seines Amtes enthoben, weil durch seine einschlägig bekannte NF Mitgliedschaft »ein vereinsschädigendes Verhalten vorliegt«, so heißt es zumindest in einer Mitteilung des FMJ. Gehrmann hat offenbar zu viel "Dreck am Stecken". Zur Zeit läuft eine Anklage gegen Gehrmann wegen Raub und Körperverletzung. Hintergrund ist der Angriff von NF-lern auf ein Ehepaar, welches gegen eine Verteilaktion der NF im KZ Ravensbrück protestierte. Das Fluchtauto gehört Gehrmann. Der als Rausschmiss getarnte Schachzug sollte Gehrmann erstmal aus dem Licht der Öffentlichkeit bringen. Seine Texte sind auch weiterhin im FMJ Blättchen "Angriff" zu lesen. Als Nachfolger von Gehrmann wurde ein Herr "Degenhardt" benannt. Eine Person namens Degenhardt war vorher allerdings auch schon in der NF-Gruppe Kremmen aktiv und zählt zum Vorstand der "Direkte Aktion Mitteldeutschland -JF". Die letzte FMJ-Vorstandscombo um Lück, Doberschütz und Hanke, bestand aus relativ unbekannten Leute, die wohl Spuren verwischen bzw. das Image aufpolieren sollten.
Die Propagandazeitung des FMJ / DA-JF
Die Mitteilungsblatt des FMJ heißt »Angriff« und soll offenbar an ein gleichnamiges Berliner Heft aus der historischen der NS-Zeit erinnern. Diese Schrift ist als »unabhängige Jugendzeitung« deklariert. Weil mal wieder ein neuer Name fällig war, nennen sich die Herausgeber der Nr. 3 »Kameradschaftsverbund Mitteldeutschland«, das angegebene Postfach 67 wurde schon von der NF und dem FMJ genutzt. Der Schwerpunktbericht über den Möllner Prozeß ist nach bekannt mieser Machart gestrickt, die zwei Täter werden zu Justiz- und Medienopfern gemacht. Der Artikel über den Anwalt der türkischen Familie, Rechtsanwalt Ströbele, ist als Fahndungsbrief aufgemacht. Der »Drahtzieher und Hintermann der antideutschen Szene« ist mit Adresse, Bild und einer Art Lebenslauf dargestellt. Zu Solingen wird zynisch bemerkt »... fünf Ermordete, sicher unschön«. Desweiteren wird in einem anderen Artikel bekanntgegeben, daß mehrere Gefangene in Luckau, Bütow und anderswo unterstützt werden. Zur Zeit sitzen in den Knästen Brandenburgs mehrere NF-ler ein. Angekündigt wird noch das Erscheinen weiterer Pamphlete, die dann von einer »Direkte Aktion« zu beziehen sind. Hiermit dürfte das DA-JF-Blatt "In Aktion" gemeint sein. Weitere Publikationen aus dem Kreis sind die "Schüler Revolte", "FMJ Aktiv", "Kremmener Beobachter" oder der "Henningsdorfer Beobachter".
Entwicklung des FMJ / der DA-JF seit Frühjahr 1993
Vom 17. - 22. Mai 1993 wollte die FMJ in Dänemark ein Revisionistenkongreß abhalten. Referenten sollten die Geschichtsverdreher Ernst Christof Friedrich Zündel, David John Cawdell Irving, Thies Christophersen und Robert Faurisson sein. Die spektakulärste Aktion des FMJ in Brandenburg war im Sommer 1993. Am 19. Juni wurde zu einer kultigen »Sonnenwendfeier« in Altfriesack (Kreis Neuruppin) geladen. Circa 200 Neonazis aus der ganzen BRD reisten zum Teil in Uniformen, mit Nazi-Emblemen, Flaggen und Waffen an. Auch Enno Gehrmann soll hier laut Beobachtern mit von der Partie gewesen sein. Die Örtlichkeit in Altfriesack, eine Halbinsel, war massiv abgesichert. Quergestellte Autos versperrten die Zufahrtswege, Wachposten auf dem Festland sowie Boote auf dem See sicherten die Veranstaltung ab. Obwohl die Neonazi.Feier schon vorher bekannt war, fühlte sich die Polizei erst im Morgengrauen bemüßigt einzuschreiten. Gefunden wurde jede Menge Nazi-Propaganda. Nach den Ereignissen in Altfriesack forderte die SPD ein Verbot der FMJ.
Im Juni 1993 gaben daher umgehend Doberschütz, Lück und Schwarz die Auflösung des FMJ bekannt. In der Auflösungserklärung heißt es wenig glaubwürdig »dem FMJ war es nicht möglich, die faschistischen Tendenzen bei dem Großteil seiner Mitglieder zu stoppen bzw. erzieherisch auf diese einzuwirken«.
Vor der FMJ Auflösung wurde in einem internen Rundschreiben den Mitgliedern mit Hinweis auf den Tag X (das Parteiverbot) mitgeteilt; »die Kameraden müßten sich bald lediglich an einen neuen Namen und neue Mitgliedsausweise gewöhnen«. Und siehe da, eine Pressemitteilung, in gleicher Machart wie die Auflösungserklärung des FMJ, teilt mit, daß sich ein »Unabhängiger Jugend Verband« (UJV) gegründet hat, unterzeichnet mit "Christopheit" als ein (angeblicher) Sprecher des UJV. Dieser UJV veranstaltete mit dem Neonazi-Barden Frank Rennicke in der Berliner Wuhlheide ein Konzert vor Neonazis. Gleichzeitig fand das Festival des "Christopher Street Day" in der Nähe statt. Als Bedrohungen gegen Schwule und Lesben liefen (im Sprachgebrauch der UJV als »Geschlechtsschwindler« bezeichnet), wurde das "Christopher Street Day" Konzert aufgelöst, obwohl circa 2000 Leute da waren. Ansonsten ist der UJV nicht mehr aufgetaucht.
Mittlerweile hat sich der Name »Direkte Aktion Mitteldeutschland -JF« etabliert. Kurzzeitig war auch der Name "Kameradschaftsverbund Mitteldeutschland" im Spiel. Auch das "kommando F" soll aus alten Berlin/Brandenburger NF-Kreisen stammen.
Einschätzung der Arbeitsweise
»Die politische Arbeit geht selbstverständlich weiter, wir machen uns von keinem Namen abhängig« heißt es in einem Schreiben des ehemaligen Vorstands an alle Mitglieder und Freunde des FMJ. Diese Einschätzung gibt auch der Artikel zur FMJ, »Die Idealisten machen weiter« in der Zeitung der "Die Nationalen" - "Berlin Brandenburger Zeitung" (BBZ) - wieder. Die Strategie ist klar: durch ständig neue Namen wird versucht weiteren Verboten zu entgehen, um offiziell und legal arbeiten zu können. Die Organisationsstruktur und meistens auch die handelnden Personen bleiben die gleichen.
Nach der Wiedervereinigung gab es in der NF, wie bei allen neofaschistischen Organisationen, einen erheblichen Mitgliederzuwachs. Schnell wurden Personalmängel deutlich, die mittlere Kaderriege, die vor Ort anleiten und öffentlich auftreten kann, ist dünn gesät. Deshalb setzte die SrA / DA-JF wieder verstärkt auf Schulung der Anwärter und Mitglieder. Von Vereinen wie dem "Hoffmann von Fallersleben Bildungswerk" (HvFB) aus Berlin erhalten auch Personen aus dem Kreis der FMJ das rechte ideologische Rüstzeug. Frank Schwerdt, Vorsitzender des Landesverband der »Deutschen Liga« und Mitglied im "Hoffmann von Fallersleben Bildungswerk", ist laut Szene-Beobachtern eine Kontaktperson. Er trifft sich demnach mit FMJ-Kadem und schrieb im FMJ-Blättchen "Angriff" den Artikel, »Sachsenhausen - zündelten die Juden selbst ?«. Desweiteren finden »Gesprächsabende« mit Personen aus den Strukturen der verbotenen »Nationalen Offensive« (NO) und der »Wiking Jugend« (WJ) - wie in Pirna - statt.
Der Aufbau von Ortsgruppen in Brandenburg
Die Ortsgruppen der früheren NF und jetzigen FMJ / DA-JF sind u.a. von Andreas Pohl, Enno Gehrmann und Axel G. aufgebaut worden. Insgesamt beträgt die Mitgliederzahl 80 bis 100 Leute, dazugerechnet werden muß noch ein weitaus größerer Sympathisantenkreis. Die Region um Oranienburg stand schon öfter im Licht der Öffentlichkeit; der Brandanschlag auf die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen, Angriffe auf Flüchtlingswohnheime, Übergriffe auf Ausländerinnen und Kirmesleute bis hin zu Mord. Hier ist die Hochburg des FMJ, der Bereich Osthavel. Zum Einflußbereich dieser FMJ Gruppen zählten aber auch Oranienburg, Kremmen, Hennigsdorf, Velten, Nauen, Neuruppin und Falkensee. Die DA-JF hatte die Bereiche/Ortsgruppen Oder, Osthavel und Süd/Berlin in einem Konzept genannt. Als "Bereichsleiter Osthavel" gilt Jens Og aus Kremmen, als "Bereichsleiter Oder" gilt Daniel Kersten aus Frankfurt/Oder und Michael Barth aus Luckenwalde soll der "Bereichsleiter Süd" sein.
Kremmen
Die Kremmener FMJ-Gruppe war einer der ersten und aktivsten. Führende Köpfe sind Degenhardt (laut FMJ Mitteilung ab Anfang 1993 Nachfolger von Gehrmann im FMJ Bundesvorsitz), Wilko K., Jens Og und Werner Sch. Die Gruppe hatte einen guten Draht zur früheren NF Führung, öfters waren NF-Kader u.a. aus Bielefeld da. So fand auch der außerordentliche Parteitag der NF am 8. August 1992 in Kremmen statt. Der Kremmener Jens Og gilt nebenbei auch noch als "Bereichsleiter Osthavel" und Mitglied der "Organisationsleitung" der "Direkten Aktion Mitteldeutschland / JF". Die frühere Kremmener NF-Gruppe gab ihre eigene Lokalzeitung raus, den "Kremmener Beobachter", mit Postfach 67 in Velten. Die beiden Ausgaben beschäftigten sich hauptsächlich mit Lokalpolitik und wurden in Kremmener Haushalten verteilt. Anstatt gegen die rassistischen Pamphlete vorzugehen, bat der Bürgermeister und der Stadtrat um eine Aussprache mit den Machern. Die Bedingungen für dieses Gespräch diktierte die NF. In einem Schreiben heißt es »wir lehnen ein Gespräch unter Ausschluß der Öffentlichkeit ab. Wir haben nichts zu bereden mit grün angemalten Bolschewiken und Liberalisten«. Zu dem Gespräch erschienen u.a. Wilko K. und Nicole M. aus dem Kreis Oranienburg mit Videokamera und filmten. Auch praktische "bürgernahe" Aktionen versuchte die frühere NF-Gruppe durchzuführen. Am 1.Mai wollte sie mit der örtlichen Naturschutzgruppe eine Müllsammelaktion durchführen und gab Anzeigen dazu in der Lokalpresse auf. Die Naturschutzgruppe distanzierte sich davon. Im August 1992 schloß sich die Kremmener mit der Hennigsdorfer NF-Gruppe zum Bereich Osthavel zusammen. Die Gruppenleitung Osthavel, Kremmen, rief zusammen mit der »Deutschen Liga« zu einer Veranstaltung gegen eine antirassistische Demonstration, die anläßlich des Mordes an Amadeu Antonio stattfand, auf.
Nach dem Verbot der NF gab es in Kremmen zwei Hausdurchsuchungen, bei denen Propagandamaterial und Waffen gefunden wurden. Der "Kremmener Beobachter" stellte sein Erscheinen ein, wegen der bekannten NF-Nähe. Kurze Zeit später erscheint zwei Orte weiter eine Postille in gleicher Machart mit dem Namen »Hennigsdorfer Beobachter«. Zu beziehen ist er über das schon zu NF-Zeiten genutzte Postfach 67 in Velten und wird jetzt vom FMJ herausgegeben. In diesem Blatt heißt es u.a.: »..treibt es manche zur Prostitution. Natürlich dort wo Unmoral kein Fremdwort ist. Im Ausländerwohnheim«. Prompt versammelten sich Neonazis davor und zwei andere gingen hinein, um »ficken« zu wollen. Auffallend ist, daß die Autoren sowohl über Lokalgeschehnisse gut informiert sind, als auch mit jeder Menge interner Zahlen und Fakten jonglieren können. Diese Informationen können nur aus dem Kreis der Stadtverordneten kommen. Als Hauptlieferant gilt hier in der Stadt der CDU-Stadtverordnete G.
Hennigsdorf
Nach der Auflösung des FMJ heißt der Herausgeber des Beobachters »Direkte Aktion«, Verantwortlicher ist ein Marko Pfannschmidt aus Hennigsdorf. Marko Pfannschmidt trat zuvor als FMJ Stützpunktleiter in Hennigsdorf in Erscheinung. Eine weitere wichtige Person in den Hennigsdorfer NF/FMJ/Direkte Aktion-JF-Kreise soll der Neonazi Jens Stumpf sein. Stumpf steht unter dem Verdacht, an einem Spengstoffanschlag auf ein Auto eines Sozialarbeiters am 21. April 1993 beteiligt gewesen zu sein. Die Kiste mit dem Sprengstoff soll zuvor bei ihm gesehen worden sein. Die Polizei ließ sich mit der Hausdurchsuchung erst mal Zeit und fand dann nur noch die Einladung der FMJ nach Altfriesack. Nicole M., die Freundin von Jens Stumpf, soll ebenfalls zum aktiven NF/FMJ/DA-JF-Kreis gehören.
Später wurde bekannt: Ihr erstes Konzert gab die Berliner Neonaziband "Landser" am 12. September 1992 in Hennigsdorf, wo die Band Lieder wie “Kanake verrecke“ spielte. Anlass für das Konzert war der 19. Geburtstag von Nicole M. Unter den Konzertbesuchern war damals auch Andreas Siegfried Pohl, der in seiner Rolle als ehemaliges Mitglied der Berliner Neonaziband "Kraft durch Froide" (KdF) gemeinsam mit der RechtsRock-Band "Landser" auftrat. Organisatorisch stammten viele der beteiligten Neonazis aus dem Spektrum der früheren "Nationalistischen Front" (NF) bzw. deren Abspaltung "Sozialrevolutionäre Arbeiterfront" (SrA). Als SrA-Vorsitzender agierte der ehemalige KdF-Drummer Pohl, für das “Referat Beschaffung” zeichnete sich der Landser-Schlagzeuger Horst Schott verantwortlich. Mirko K. trat als Kameramann beim Konzert in Erscheinung. Jens Og soll zeitweilig als eine Art Ansprechpartner für die Produktion von RechtsRock in der Region gegolten haben.
Schwedt
Ein weiteres Zentrum von FMJ Aktivitäten ist die Stadt Schwedt mit Ausstrahlung ins Brandenburger Umland. Zuvor war hier die NF aktiv und trat auch als »Nationalistische Jugend Schwedt« (NJS). Geschult und aufgebaut wurde diese Truppe auch von Kai Nando B. aus Eberswalde, dem Mörder von Amadeu Antonio, und dem SrA-Führer Andreas Pohl. Die NJS hat offiziell einen Raum in dem "Jugendfreizeitheim HIT" und wird von der Stadt zu Gesprächsrunden eingeladen, wenn es um die Belange der Jugendlichen geht. Anstatt gegen die Neonazis und deren Terror vorzugehen, werden die Antifas kriminalisiert. Gleichzeitig war die Stadt übersät mit rassistischen Aufklebern der NF. Nach dem Verbot der NF waren FMJ-Aufkleber zu Hauf zu finden, an Türen von Antifas klebte »Fegt hinweg den roten Dreck«. Der »Angriff« wurde an Schulen, hauptsächlich Gymnasien, verteilt und in den Wohnblocks war u.a. gesprüht: »Verbotene Früchte schmecken gut«. Führende Leute der FMJ sind Steffen W., Sören K., Mirko H., Christian K. und der schon länger bekannte Sven Hansen. Letzterer war auch 1991 bei dem Neonaziaufmarsch in Halbe zu sehen. Die FMJ-Truppe hat ein Sympathisanten-Umfeld von circa 50 Leuten. Auch hier findet Terror gegen Antifas und Ausländer, vor allem PolInnen, statt. Das jüngste Beispiel: Auf einer öffentlichen Kulturveranstaltung im Jugendcafe "Mona Lisa" wird ein bekannter linker Lehrer von der Bühne gezerrt, nach draußen geschleppt und dort zusammengetreten. Er liegt auf der Intensivstation des Krankenhauses.
Dazu die Presseerklärung der Autonomen Antifa Schwedt (aas) vom 20. September 1993:
"Samstag den 18. September fand im Schwedter CAFe LISA ein Rockkonzert statt. Als Ordner waren in dem Cafe, das schon mehrfach Ziel faschistischer Angriffe war, u.a. auch Nazi-Skinheads eingesetzt. Während des Konzertes sammelten sich am Cafe 30-40 Faschisten, unter ihnen die Führer der Schwedter NATIONALISTISCHEN FRONT (NF) bzw. ihrer Nachfolgeorganisation FÖRDERWERK MITTELDEUTSCHE JUGEND (FMJ). Sie fotografierten die Gäste des Cafes. Ein Gast wurde verbal von den Nazis bedroht. Dieser beschwerte sich bei der für die Veranstaltung verantwortlichen Vertreterin des Jugendamtes (Petra Sch....). Die Fascho-Ordner griffen sich den jungen Mann daraufhin und warfen ihn raus. Statt ihn zu schürzen, übergaben sie ihn ihren »Kameraden«. Er wurde daraufhin von den Faschisten vor dem Cafe zusammengeschlagen, er flüchtete, wurde eingeholt und völlig zusammengetreten. Er liegt mit schweren Gesichtsverletzungen auf der Wachstation im Klinikum Uckermark. Das Vorgehen der Faschisten gegen genau diesen Gast, einem links-orientierten und politisch sehr aktiven Mann, unter Anleitung der NF/FMJ-Kader, läßt auf eine vorbereitete, zielgerichtete Aktion schließen. Die Veranstaltung war polizeilich nicht abgesichert. Warum dann noch ausgerechnet Rechtsradikale als Ordner eingesetzt wurden und warum sie den Linken den vor dem Cafe wartenden Faschisten auslieferten konnten, ohne daß z.B. die Vertreterin des Jugendamtes darauf reagierte, ist uns schleierhart. Fräulein Sch(...) hat sich dafür zu rechtfertigen, das Konzert liegt auch in ihrem Verantwortungsbereich, da es im Rahmen der vom Jugendamt organisierten WOCHE DER JUGEND stattfand. Wir sehen den Vorfall auch im Zusammenhang mit dem Jugendforum vom vorhergegangenen Mittwoch, bei dem die Stadtregierung ihre »tolle« Jugendarbeit lobte, und die Probleme »Jugendgewalt« und »Rechtsextremismus« völlig verschweigen wollte. Sie präsentierte auch wieder einmal einige »gesprächsbereite« rechte Jugendliche. Eben diese Jugendlichen jagten nach dem Treffen eine junge Frau (die gerade ein paar Journalisten die Stadt zeigen wollte) quer durch Schwedt, um sie »aufzuklatschen«. Eben diese Jugendlichen waren auch bei der Randale beim Rochkonzert dabei! Schwedt ist eines der bedeutendsten Zentren des organisierten Rechtextremismus in Brandenburg, und dies versucht die Stadtregierung medienwirksam z.B. mit der WOCHE DER JUGEND zu leugnen. Dafür haben sie jetzt die Quittung bekamen, der Schuß ging nach hinten los. Speziell im Jugendamt müssen Konsequenzen gezogen werden. Wir wollen nicht warten, bis wieder einer unserer Freunde zu Tode kommt. Es gab schon genug Opfer rechtsextremistischen Terrors in unserer Stadt! Wir fordern die Absetzung des verantwortlichen Jugendamtleites F(...) und die Erarbeitung schlüssiger Konzepte gegen Rechtsextremismus und Gewalt. Wir bieten uns einem neuen Jugendamtsleiter dafür als Diskussionspartner an. Diese Stadt hat in unverschämter Weise Rechtsradikale toleriert oder gar unterstützt, linke und alternative Jugendliche wagen sich kaum mehr auf die Straße. Wir sind gerne bereit, interessierten Medien oder politischen Stellen weitere Informationen dazu zu geben. Autonome Antifa Schwedt"
Luckenwalde
In Luckenwalde gibt es eine vier- bis sechsköpfige FMJ-Gruppe (u.a. Michael Barth, Bert L., W., Mario K.) die über ein großes Umfeld verfügt. Der Anführer der "Ortsgruppe Osthavel" und "Stützpunktleiter" vor Ort ist laut Berichten örtlicher Antifaschisten Michael Barth ("Lamser"). Gegen ihn wird/wurde laut Berichten aus der Stadt wegen Volksverhetzung ermittelt, da er der Urheber eines extrem rassistischen Flugblatts des FMJ sein soll. Er soll zugleich als "Bereichsleiter Süd" der "Direkten Aktion Mitteldeutschland /JF" fungieren. Der FMJ Anhänger Bert L. soll Schulungs- und Videoabende organisieren und in Dänemark auf dem Revisionistenkongreß der FMJ 1993 gewesen sein. Treffpunkt der FMJ-Anhänger ist das "Mitropa" am Bahnhof, in dem 1992 eine Mitgliederversammlung der NF stattgefunden haben soll.
KW
In Königs-Wusterhausen (KW) tauchte nur einmal die Propaganda des FMJ auf. Die alten NF-Kader verlegen sich eher auf Schulungen und Strukturaufbau. Die einschlägig bekannte regionalen NFler Anführer um Hagen Bohrloch, ehemals "Bereichsleitung Mitte", Rene M. und Markolf B. wirken mittlerweile eher im Hintergrund. Mehrere NF-Anhänger aus dem Kreis KW wie Andreas K. und Ralf Z. zeichnen sich jedoch weiterhin öffentlich durch eine besondere Aggressivität aus. Daniel Krüger aus den Kreisen der NF war im November 1992 an der Ermordung eines Obdachlosen beteiligt. Der NF-Anhänger Silvio Jankowski steht unter Verdacht, im Auftrag der örtlichen Bürgerinitiative (BI) das Flüchtlingswohnheim in Dolgenbrodt angezündet und dafür 2000 DM erhalten zu haben. Ein weiterer tatkräftiger Unterstützter der Bl soll Marko Sch. gewesen sein. Auf dem Gelände seines Vaters, Wolfgang W., fand ein als Geburtstagsparty getarntes Neonazikonzert mit der Gruppe »Kahlkopf« statt. Die circa 500 »Gratulanten« gröhlten rassistische Parolen und hissten Naziflaggen. Die Polizei, die darüber informiert war, hielt es lange Zeit nicht für nötig, einzuschreiten. Organisiert hat dieses RechtsRock-Konzert u.a. Carsten Szczepanski, der als Herausgeber des dumpfen Neonaziskinhead-Zine »UNITED SKINS« über gute Kontakte verfügt. Neuerdings werden darin die HNG Gefangenenlisten veröffentlicht, angeregt durch den Austausch mit Maik Hampel aus Oranienburg, HNG Beauftragter für Mitteldeutschland. Szczepanski ist schon seit längerem einschlägig bekannt. Er war der Kontaktmann und Adresse des "Ku-Klux-Klan" in Deutschland und Chef der Berliner KKK Truppe. Zwei Tage nachdem die Hintergründe über den Brandanschlag auf das Flüchtlingswohnheim in Dolgenbrodt bekannt wurden, tauchten im ganzen Kreis KW Plakate der »Rechten Front« und des »Deutschen Freundeskreis« auf. Erstere ruft zum »Nationalen Widerstand« auf und endet mit dem Ulrike-Meinhof-Zitat: »Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht«. Der »Deutsche Freundeskreis« gibt vor, die Mordbrennerei a la Solingen stoppen zu wollen, bekräftigt aber gleichzeitig den Kampf gegen die »volksverzehrende und multikulturelle Gesellschaft«. Beide Elaborate stammen vermutlich aus der Küche der früheren NF.
und so weiter
In Potsdam und dem Umland trat eine Gruppe um Sören Fähnle (FMJ Vorstand), Nick L., Ilja S., Lars B. und Jens K. mit NF bzw. FMJ-Aktivitäten wie Veranstaltungen und Gedenken an Kriegsgräbern in Erscheinung. In der Stadt Brandenburg wird die FMJ durch Klaus Dieter Lück (FMJ Vorstand) und Andre Sch. repräsentiert. In Frankfurt/Oder ist der Neonazi Daniel Kersten durch die Organisation von FMJ-Aktivitäten (z.B. versuchte FMJ-Veranstaltung mit Frank Rennicke im Juni 1993) aufgefallen. Treffen seiner "Kameradschaft Oder" sollen u.a. bei Christian S. stattgefunden haben. Er gilt auch als ein führender Funktionär der DA-JF in der Region. In Beelitz gelten Rene P., Steffen R. und Danny P. als Kern einer FMJ-Gruppe. In Falkensee organisierte Personen aus den Strukturen der früheren NF ein Konzert mit dem Neonazi-Barden Frank Rennicke vor 250 Neonazis. In Nauen versuchten Nazis einen Brandanschlag auf einen linken Jugendclub. Bei den Tätern wurde NF Propagandamaterial und weitere Brandsätze gefunden.
Insgesamt gelten die Strukturen der (früheren) NF trotz ihres fortlaufenden Namens-Karussel nach wie vor als eines der aktivste Neonazi-Netzwerke im Land Brandenburg, auch wenn sie noch lange nicht den selbgesteckten Organisationsgrad aus ihren Konzepten erreicht haben dürften.