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Neuorganisierung der GdNF-Strukturen in Franken

Einleitung

In der letzten Ausgabe des Antifaschistischen Infoblatts (AIB) wurde über das Verbot der Partei "Nationaler Block" (NB) aus den Strukturen der "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) aus Bayern berichtet. Ein Zentrum dieser GdNF-Struktur liegt in und um die oberfränkische Kleinstadt Kronach. An den neueren Aktivitäten ist zu erkennen, wie wenig sich die Verbote der letzten Zeit auf die Organisierung der Kader der "Gesinnungsgemeinschaft" ausgewirkt haben. Bei einem Neonazi-Aufmarsch am 1. Mai 1993 in München ließ sich das Netzwerk um den (früheren) "Nationale Block" mit Stefan Jahnel (Ex-KAH, AVÖ-Büro), Jürgen Sünkel (Ex-NB), Christian Worch (NL), Gerhard Endres (VAPO) und Manfred Geith (Ex-NB) noch auf auf einem Pressefoto verewigen, wenige Tage später folgte ein Verbot der Gruppierung.

Der bayerische Neonazi-Kader Jürgen Sünkel (links).

Der "Deutsche Freundeskreis" als Auffangbecken

»Es ist verboten, Ersatzorganisationen für den Nationalen Block zu bilden oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen«, so sieht es jedenfalls die Verbotsverfügung vom 11. Mai 1993 vor. Wie auch schon bei den Verboten der Neonaziparteien "Nationalistische Front" (NF), "Deutsche Alternative" (DA) und "Nationale Offensive" (NO) des letzten Jahres ließ auch in diesem Fall die Reaktion der Neonazi-Kader der GdNF nicht lange auf sich warten.

»Aktivisten werden sich von diesem lächerlichen Verbot nicht beeindrucken lassen. Denn das System kann zwar Organisationen verbieten, jedoch der Geist des deutschen Nationalismus, vertreten durch den einzelnen Aktivisten, wird bald den dekadenten Liberalismus hinwegfegen.« Jürgen Sünkel, einer Führungskader des NB aus Kronach bringt damit den Hintergrund für die neuerlichen Aktivitäten der Fränkischen GdNF auf einen Nenner. Als Auffangbecken für einige Aktivisten des NB fungiert jetzt auch der "Deutsche Freundeskreis" (DF) aus Miltenberg. Der DF ist bereits im Dezember 1990 gegründet worden, um als Sammlungsorganisation verschiedener Neonaziparteien in Franken zu fungieren - das Ziel war der Aufbau einer bundesweiten Organisationsstruktur.

Der sogenannte "Frankenrat" stellt eine Art »kollektive Führungsgremium« des DF dar. In ihm sind sind leitende Mitglieder der "Deutschen Liga" (DL), der "Wiking Jugend" (WJ), der NPD und ihrer Jugendorganisation JN, der FAP, der verbotenen "Nationalen Offensive" (NO), des "Bund Frankenland" und des verbotenen "Nationalen Block" (NB) vertreten. Werner Eichinger (DLVH-Führer in Bayern), ein Sprecher des "Frankenrat" beschreibt dies als »eine neue, bislang nicht gekannte Arbeits- und Entscheidungsform nationaler Basisdemokratie«.

Der "Frankenrat" hat sich laut Antifa-Recherchen und Eigenangaben wie folgt aufgestellt: Als Sprecher Werner Eichinger (Deutsche Liga) aus Rollbach, als Geschäftsführer Herbert Quast (Deutsche Liga) aus Würzburg, als Schriftleiter Stephan B. als Kassenwart Dirk Sch., als Pressesprecher Jörg F. (Deutsche Liga} und Jürgen Schwab (Ex-REP, Deutscher Freundeskreis) aus Amorbach. Für den Parteiaufbau in Untermain wurden Klaus Beier (NPD) aus Miltenberg, Michael A. und Falco Schüßler (FAP) aus Großostheim bekannt. Für den Parteiaufbau Mittelfranken galten Roland Sch., Manfred Theimer (NPD) aus Rothendorf, Hans Sch., Uwe Sch. (Deutsche Liga) und Peter St. als verantwortlich. Als aktive Anhänger bzw. Mitglieder treten auf: Uwe Meenen (NPD/Frankenbund) aus Würzburg, Axel Schunk (Wiking Jugend) aus Stockstadt, Frank Sch. (Ex-NO), Kai Dalek (GdnF) aus Oberrodach/Marktrodach und Jürgen Sünkel (GdNF) aus Kronach.

Auf einem Treffen des "Frankenrat" unter Federführung des "Nationalen Blocks" am 10. April 1993 in Kronach entstanden zwei Projekte des "Deutschen Freundeskreises".

"Anti-Antifa Franken"

Als Erstes wurde eine "Anti-Antifa Franken" gegründet, als Kontaktadresse wird das Postfach der FAP Aschaffenburg angegeben. Falko Schüßler, Kai Dalek und Gerhard Sch. gelten hierfür als regionale Ansprechpartner. Schwerpunkte der Franken Anti-Antifa sollen Nürnberg-Erlangen, Bayreuth, Hof, Bamberg und Aschaffenburg mit dem östlichen Rhein/Main-Gebiet sein. Im Raum Nürnberg-Erlangen ist mit Silke Wunderlich bereits eine Aktivistin der "Anti-Antifa Franken" einschlägig - aber erfoglos - in Erscheinung getreten. Sie schaffte es zuletzt in das Magazin "Der Spiegel" (49/1993): "In Nürnberg bemühte sich Silke Wunderlich, Ex-Aktivistin des verbotenen Nationalen Blockes, um Anschluß an Antifa-Kader." Wunderlich, die bereits vom Zündel-Prozeß in München und anderen öffentlichen Neonazi-Aktionen her bekannt war, hatte den Versuch unternommen, sich über Monate in Nürnberger Antifa-Strukturen einzuschleichen. Sie gehörte den Kreisen des NB in Kronach bis zu seinem Verbot an.

Die Zeitung "Junges Franken"

Als zweites Projekt wurde die Zeitung »Junges Franken - Zeitung für die Sache des Volks« gegründet. Auch hier sind wieder die Protagonisten des (Ex)-Nationalen Blocks federführend beteiligt. Der Kronacher Jürgen Sünkel fungiert als Schriftleiter und versucht sich als Autor, wobei er von der Identität, die jedes Volk bewahren möchte lamentiert und von seiner Angst, nicht mehr der "Herr im eigenen Haus" zu sein. »Das stete Argumentieren und Agitieren in den Medien gegen unsere angebliche »Ausländerfeindlichkeit«, ist ärgerlich und verstärkt unsere Liebe zu Ausländern nicht. Wenn wir türkische Jugendliche mit Fahnen in Deutschland demonstrieren, protestieren und plündern sehen, so ärgert uns das.« Das Zeitungsprojekt »Junges Franken« ist das publizistische Organ des "Deutschen Freundeskreises". Kein Wunder, wenn sich alle im DF organisierten Gruppen darin wiederfinden. So schreibt Falko Schüßler für die FAP über die Exekutive und Justiz im Freistaat aus der Sicht seiner Partei und jammert über die »harte« Vorgehensweise des Bayrischen Staates gegenüber der Neonazi-Szene. Dabei kommt er zu dem Schluß, daß es »mit einem System, das sich nicht einmal an seine eigene Gesetze hält (...) für einen Nationalisten keine Koexistenz geben« kann.

Für die NPD und JN galten bis vor kurzem noch proforma Abgrenzungsbeschlüsse mit »bekennenden Nationalsozialisten«. Im »Jungen Franken« klappt die Zusammenarbeit ohne Schwierigkeiten. Die JN berichtet über die Aktivitäten des fränkischen Regionalvorsitzenden Rainer Hatz aus Nürnberg und bietet dabei gleich ihre neue Material- und Propagandaliste an. Der Bund Frankenland des NPD Aktivisten Uwe Meenen aus Würzburg berichtet über eine gelungene Aufkleberaktion, die sogar der nationale Informationsdienst »DESG inform« für so wichtig hielt, daß er darüber berichtete.

Meenens Parteifreund, der ehemalige REP-Kreisvorsitzende Jürgen Schwab aus Amorbach und jetziges Vorstandsmitglied des "Bund Frankenland" fungiert für das Junge Franken als Verantwortlicher Schriftleiter. Mit einer Anzeige in der Septemberausgabe der Wochenzeitung "Junge Freiheit" bemüht er sich sichtlich um Kontakt zu der Schlips- und Kragenfraktion der "Neuen Rechten". Neben den Berichten über die einzelnen Aktivitäten der im "Deutschen Freundeskreis" organisierten Gruppen soll die Zeitung auch als Plattform für die "Anti-Antifa Franken" genutzt werden. Klaus Beier, NPD-Kreisvorsitzender aus Miltenberg, kündigte für die nächste Ausgabe des "Jungen Franken" eine breite Veröffentlichung von AntifaschistInnen aus Franken an. Der »ausländerfreundlichste Mitbürger Frankens« soll nach Beier ermittelt werden. Dabei denkt er an »ausländerfreundliche Kommunalpolitiker, Rechtsanwälte und Antifaschisten«. Da er dafür noch Mitarbeiter bzw. Informanten sucht, kann es mit diesen Bestrebungen noch nicht so weit her sein.

"Wehrsport" im Frankenwald?

Während einige Neonazis des "Nationalen Block" ihre Organisierung auch innerhalb des "Deutschen Freundeskreis" fortsetzen, verliefen auch die diesjährigen Vorbereitungen zum »Rudolf-Heß-Gedenkmarsch«, bei denen die Kronacher Neonazis eine zentrale Rolle spielen, ungestört.

In dem Kontext fand auch eine (interne) Präsentation von Wehrsportübungen statt, die für führende Köpfe der GdNF am Wochenende vor dem Aufmarsch abgehalten wurde. Unter anderen sollen hier laut Presse-Berichten auch Bela Ewald Althans (eigentlich Bernd Ewald Althans) von der "Althans Vertriebsmittel und Öffentlichkeitsarbeit" (AVÖ) und die regionalen GdNF-Führer Kai »Herta« Dalek (aus Oberrodach) und Jürgen Sünkel (aus Kronach) anwesend gewesen sein. Hier stellten sich dann ca. 10-15 Neonazis der "Kronacher Kameradschaft" vor ihren Führern zum Appell auf und demonstrierten ihre »Wehrfähigkeit«.

Die Wehrsportübungen finden seit circa einem Jahr unter dem Deckmantel von Gotchaspielen statt. Ort ist das Gelände einer stillgelegten Papierfabrik in Stadtsteinach bei Kronach. Gotcha ist eine moderne Variante von Kriegsspielen. Ausgerüstet mit Luftdruckpistolen, die Farbkugeln verschießen, versuchen sich die SpielerInnen gegenseitig zu treffen. Wer von einer Farbkugel getroffen wird, scheidet aus dem Spiel aus. Bei den Gotchaspielen, die in Stadtsteinach veranstaltet werden, sind laut Presseberichten führende Kader der GdNF gesehen worden. Anwesend waren demzufolge die VAPO-Leiter (Volkstreue Außerparlamentarische Opposition) Günter Reinthaler aus Salzburg (z. Zt. in Haft) und Gerhard Endres aus Wien. Endres ist bereits als eine Art Leiter des Ordnungsdienstes bei den jährlichen Heß-Aufmärschen aufgetreten. Im Moment ist er als Nachfolger des inhaftierten Gottfried Küssel als Chef der österreichischen GdNF-Truppe tätig.

Freifahrtschein von der Polizei?

Dabei geht die Kronacher GdNF bei der Organisierung ihrer Wehrsportübungen anders vor als die VAPO, die diese laut dem TV-Dokumentarfilm »Wahrheit macht frei« (Deutschland/Schweden 1991, TV-Dokumentarfilm von Michael Schmidt) heimlich veranstalten. Sie führt ihr Nahkampftraining zusammen mit einem Gotcha-Club aus dem benachbarten Kulmach, in dem keine Neonazis organisiert sind, auf einem gemieteten Gelände durch. Gotchaspiele sind auf »befriedetem« Gelände, das heißt auf eingezäunten und privatem Grund erlaubt. Dadurch erhält das Ganze einen legalen Anstrich, nach außen hin wird der Eindruck vermittelt, das hier eine unpolitische Jugendgruppe ihrem Hobby nachgeht.

Diese Tarnung nimmt die örtliche Polizei offenbar dankbar auf und kommt zu der Bewertung, daß diese »Gotchaspiele« eine »völlig unpolitische sportliche Betätigung sind«. Dementsprechend schlägt der Leiter der Polizei-Inspektion Stadtsteinach, Hauptkomissar Gerhard Koenen in einem Interview der »Bayrischen Rundschau« (24. August 1993) den Mitgliedern des Gotcha Clubs vor, einen »Tag der offenen Tür« zu veranstalten. »Dann können sich die Leute das ganze einmal aus der Nähe anschauen. Wenn nämlich jeder weiß, was ihr macht, dann gibt es keine Spekulationen mehr.« Für den Besitzer der alten Papierfabrik, Wolfgang Sch. aus Guttenberg gibt es keine Spekulationen mehr darüber, was auf seinem Gelände veranstaltet wird. Er hat wegen Veröffentlichungen über die Geschehnisse auf seinem Besitz Anzeige gegen "die tageszeitung (taz) und die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke gestellt.

Die taz berichtete am  14. August 1993: "Mit dabei in der ehemaligen Papierfabrik auch die Funktionäre des im Juni vom bayerischen Innenministerium verbotenen „Nationalen Blocks“ (NB), Günter Kursawe und Jürgen Sünkel. (...) Vergangenen Sonntag nahm jedoch der Münchner Yuppie-Neonazi Bela Ewald Althans das Gelände der Papierfabrik in Augenschein. Althans, Veranstalter mehrerer Kongresse zur Leugnung des Holocausts, organisiert die Busse aus Südbayern für den am Sonntag angekündigten Heß-Marsch. Auch holländische und österreichische Neonazis finden Gefallen an den „Spielen“ im Steinachtal."  Weiter ist in dem Artikel „Eine völlig unpolitische Sportart“ von der Autorin Doris Merz zu erfahren: "In Mainleus bei Kulmbach trainierten sogenannte „Werwölfe“ mit unverkennbar „rechtsgerichteter Einstellung“. Einer dieser „Werwölfe“ ist derzeit auch auf dem Gelände im Steinachtal aktiv." Der Besitzer hat es nunmehr eilig, sich von einer vermuteten extrem rechten Gesinnung zu distanzieren. Noch im Juli 1992 erklärte er gegenüber der »Bayrischen Rundschau« (18./19. Juli 1992), daß er seit fünf Jahren solche Kontakte pflege. Ob er (in)direkt in die Kronacher Szene eingebunden ist oder »nur« Kontakt zu einigen solcher Protagonisten pflegt, ändert am Sachverhalt erstmal wenig.