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"Rudolf Heß-Gedenkmarsch" in Fulda

Einleitung

Eigentlich unterschied den diesjährigen »Rudolf-Heß-Marsch« wenig von denen der letzten Jahre. Doch die Teilnehmerzahl ging zurück und dem Chef-Organisator Christian Worch (GdNF) ist es nicht gelungen den "Heß-Marsch" zu dem Kristallisationspunkt der Rechten zu machen. In Fulda marschierten gerade circa 500 Neonazis und die ostdeutschen Vereinigungen fehlten diesmal fast völlig. Bei den westdeutschen Neonazis hat, bis auf die Führungsebene, ein Generationswechsel stattgefunden. Die Polizei unternahm ihr mögliches um AntifaschistInnen zu behindern und den Neonazis die Straße frei zu halten, diesmal in Hessen. Aber nach den rassistischen Mordanschlägen wie in Solingen und der Verabschiedung des Anti-Asyl-Gesetzes scheint es selbst den etablierten Parteien im Moment nicht recht zu sein, wenn Neonazis so offen marschieren. In Folge der empörten Stimmen angesichts der offenen Kumpanei von Polizei und Neonazis mußte der hessische Staatssekretär des Innern Christoph Kulenkampff gehen und selbst der „schlesisch-stämmige“ rechtsaußen Innenminister Manfred Kanther gibt sich kämpferisch und fordert das Verbot der FAP - diesmal schon monatelang vor dem Inkrafttreten.

Foto: Christian Ditsch

Der FAP-Funktionär Thorsten Heise bespricht sich mit der Polizei. Diese ignoriert dabei den SS-Totenkopf an seiner Mütze.

Ab Freitag den 13. August 1993 riefen die Neonazis über verschiedene »Nationale Infotelefone« (NIT) zu einer Kundgebung vor den Werkstoren der thüringschen Kaligrube in Bischofferode auf. Über diese Infotelefone liefen »öffentliche« und »interne« Informationen. Für die internen Informationen wurden unterschiedliche Codeworte ausgegeben bzw. erhielten wichtige Neonazi-Kader eigene "Decknamen". So galt für Siegfried Roland Borchardt, genannt "SS-Siggi", (FAP) das Codewort bzw. der Deckname »Obelix«, weitere Codeworte waren »Aligator« und »Dagobert« (Kai Dalek).

Sonnabend, 14. August 1993 - Fulda statt Bischofferode

Eine Mobilisierung von Seiten der Neonazis um Christian Worch nach Bischofferode hielt bis circa 13.00 Uhr. Mittlerweile war wohl aufgefallen, das eine Anmeldung aus den Reihen der FAP in Fulda nicht verboten worden war. Spätestens jetzt war klar, daß sich Bischofferrode zu einem Bluff entwickeln würde. Allein ein ZDF-Team, diverse Agenturfotografen und mehrere Tausend Polizisten, unterstützt von fünf Wasserwerfern und mindestens vier BGS-Transporthubschraubern, hielten bis in die Abendstunden noch die Stellung. Bischofferrode war der Notfall-Propaganda-Plan, da man auf diesem Wege, falls sonst nichts gelingen sollte, 100%ig in den Medien gewesen wäre.

Aber da hatten die Freunde der »Heß Friedensfliegerei« nicht die Hilfsbereitschaft der hessischen Polizei erwartet. Zuvor wurden an Polizeisperren in Sachsen und Thüringen mehr als 40 Neonazis und Neonazi-Skins festgenommen. Meist wegen Mitführens von Waffen wie Gaspistolen und Baseballschlägern, sowie neofaschistischem Propagandamaterial. Böse Zungen behaupteten gar, daß die Ostdeutschen und auch unorganisierten Kameraden dort verheizt wurden. Unterdessen fuhren einige hundert AntifaschistInnen in das nahe der thüringischen Grenze gelegene Duderstadt, um dort gegen die neofaschistische Provokation zu demonstrieren und um Neonazis aufzuhalten. Die Demonstration wurde jedoch durch massive Polizeipräsenz unterbunden, so daß die AntifaschistInnen wieder abziehen mußten. Eine Fahrt zu den Kalikumpeln in Bischofferode wurde durch die Polizei verhindert.

Ab spätestens 13.30 Uhr wurde über die Telefone der Neonazis zur Autobahnraststätte bei Kassel mobilisiert. Für alle, die es interessierte, war es für 23 Pfennig bei den bekannt gegebenen »Nationalen Infotelefonen« zu erfahren, nur der hessischen Polizeiführung fehlten, so klangen die Erklärungen der kommenden Tage, angeblich die Telefongroschen. Der hessische Verfassungsschutz hatte schon am Donnerstag auf Anfrage bekannt gegeben, daß er keinen Grund sehe, am Wochenende aktiv zu werden.

So hatten sich in den Mittagsstunden die circa 500 Neonazis auf der Raststätte zu einem Konvoi gesammelt und fuhren um 14.50 Uhr mit Pressebegleitung unbehelligt auf der Autobahn in Richtung Süden. Die begleitende Polizei, zeitweilig mit drei Gruppenfahrzeugen, sah sich nicht genötigt auch nur einen Finger zu krümmen oder Hilfe anzufordern. Wussten sie doch bereits wo es hingehen sollte, wie zehn Minuten später bereits über Polizeifunk zu erfahren gewesen sein soll. Ein Hilfsangebot des Bayrischen polizeilichen „Unterstützungskommando“ (USK), welches an der Landesgrenze zu Hessen wartete, wurde demnach abgelehnt. Stattdessen sah sich die hessische Polizei durchaus in der Lage, vermeintliche PKW von AntifaschistInnen mit mehreren Polizeiwagen zu verfplgen.

Kurzzeitig hatte es dann den Anschein, als wollte der Konvoi nach Leipzig fahren, nach telefonischer Auskunft von den Mitorganisatoren Thomas Wulff (Deckname "Vollstrecker") und Kai Markus Dalek (Deckname "Dagobert") sollten aber alle nach Fulda kommen. Hier hatte der FAP-Aktivist Dirk Winkel aus Kassel eine undatierte schriftliche Demonstrations-Anmeldung ohne Verbot einreichen können.

Ein »Desaster« nimmt seinem Lauf

Am späten Nachmittag begann der Aufzug in 4er Reihen mit einer Kundgebung auf dem Fuldaer Domplatz vor der Hauskirche des reaktionären römisch-katholischen Erzbischof Johannes Dyba  (Militärbischof der Bundeswehr). Unbehelligt von 60 desinteressierten Polizisten, wurden dann die zum Teil vermummten und teils mit Schlagstock bewaffneten Ordner postiert. Während Kundgebung und Aufmarsch wurden BürgerInnen und teilweise auch JournalistInnen angespuckt, beleidigt und mit Fausthieben vertrieben. Ein Journalisten berichtete, ihm sein von den bekannten Neonazis Oliver Carsten Schweigert (Berlin) und Bernd Stehmann (Bielefeld) der Presseausweis weg genommen worden. Von einem anderen Journalisten wurde eine Art "Steckbrief" verteilt, woraufhin etliche Neonazis ausschwärmten um ihn zu suchen. Unter den Augen der Polizei kam es zu Jagdszenen auf AntifaschistInnen durch die Neonazi-Ordner.

JournalistInnen und ZuschauerInnen wurden von einem mit Anarcho-T-Shirt verkleideten langhaarigen Neonazi aus den Niederlanden fotografiert. Hätte sich dieser nicht mit dem niederländischen Neonazi-Führer Eite Homan (Groningen) so freundschaftlich unterhalten, wäre seine Tarnung kaum aufgeflogen.

Die Kundgebung auf dem Domplatz wurde inzwischen kurzerhand zur »geschlossenen Veranstaltung« erklärt. Zahlreiche Neonazis marschierten mit dem eigentlich verbotenen Kennzeichen der Waffen-SS (Totenkopf) an Jacke oder Mütze herum oder präsentierte andere verbotene Abzeichen. Für die Hüter des Rechts war das kein Grund aktiv zu werden. Im Gegenteil: Der Einsatzleiter der Polizei verständigte sich zu Beginn des Marsches mit dem sogenannten »FAP-Gauleiter Niedersachsen«, Thorsten Heise (Deckname "Walküre"), über die Demonstrationsroute, woraufhin sich Neonazis artig in Vierer-Reihen aufstellte und mit lockerer Polizeibegleitung »spontan« durch Fulda marschierte.

Der "Ordnerdienst"

Für den Ordnerdienst traten auch einige bekannte Neonazis in Erscheinung. So trate u.a. Kai Dalek aus Kronach, Meinhard Otto Elbing aus Bielefeld und Thorsten Heise aus Göttingen in der Funktion auf.

Im Ordnerdienst tat sich auch Manfred Huck (Deckname "Eichhörnchen") von der „Aktionsgemeinschaft Nationaler Kameraden“ (ANK) hervor. Noch in der Vorwoche sollte er den „Abschied“ von seinen Kameraden bekannt gegeben haben. In den Kreisen der "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF) würde er angefeindet - hieß es - da er sich offen zur Homosexualität bekenne. Bei einem Treffen von Neonazis in der Gärtnerei Müller in Mainz soll er angegangen worden sein, aber Christian Worch würde ihn unterstützen.

Internationale Beteiligung

Während der Kundgebung hörten sich die circa 700 Neonazis artig bis gelangweilt unter anderem die Tiraden des französischen Präsidenten der „parti nationaliste français et européen“ (PNFE) Claude Cornilleau über ein »freies Europa« an. Der Pariser Claude Cornilleau war für den ebenfalls anwesenden HNG-Kader Christian Malcoci (Grevenbroich) und andere Neonazis als Präsident der PNFE kein Unbekannter. Empfing er sie doch im Juli 1989 in Paris mit einer Delegation der FAP zum Gedankenaustausch. 1991 organisierte Cornilleau die Anreise der französischen Neonazis zur »Heß-Demo« in Bayreuth. Mobilisiert wurden sie dieses Jahr von dem Münchner Bernd „Bela“ Ewald Althans, der zusammen mit circa 500 französischen Neonazis eine Sonnenwendfeier (19/20. Juni 1993) im Elsaß veranstaltet hatte.

Für die Delegation der "British National Party" (BNP) trat deren zweiter Vorsitzende John Peacock auf. Von der GdNF aus den Niederlanden, der „Danmarks Nationalsocialistiske Bevægelse“ also der „Dänischen Nationalsozialistischen Bewegung“ (DNSB) und der schwedischen Terrororganisation „Vitt Ariskt Motstånd“ (VAM) also „Weißer Arischer Widerstand“, die größtenteils vermummt auftraten, wurde kein Redner gestellt.

NPD-Jugend im NS-Netzwerk

Der niedersächsische Vorsitzende der Jungen Nationaldemokraten (JN), Holger Apfel, war so aufgeregt über den Umstand, daß seine Organisation dieses Jahr zum ersten Mal offiziell Mitveranstalter war, daß er kaum einen vollständigen Satz zustande brachte.

Einige JN-Funktionäre hatten von dem Orga-Kreis um Christian Worch sogar eigene "Decknamen" für die Telefon-Kommunikation erhalten Michael Prümmer (JN Chef für NRW) war "Cobra 1", Steffen Eriksson (Berlin) war "Cobra 2" und der Berliner Andreas Storr aus dem JN-Vorstand war "Cobra 3". Andreas Storr soll aber irgendwie bei der Fahrerei den Anschluß verloren haben und mit einer Gruppe in Eichsfeld gelandet sein.

Die weiteren Redner

Als weitere Redner traten Wolfgang Juchem aus hessisch Lichtenau, Christian Worch aus Hamburg, Norbert Weidner (Deckname "Dracula") von der FAP Bonn/St. Augustin, Thomas »Steiner« Wulff von der „Nationalen Liste“ (NL) aus Hamburg und der FAP-Vorsitzende Friedhelm Busse aus München auf.

„Meet and Greet“ der extremen Rechten

Zu den durch TeilnehmerInnen und Redner vertretenen extrem rechten Organisationen aus der BRD zählten die „Deutsche Liga“ (DL), die „Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“ (FAP), die „Jungen Nationaldemokraten“ (JN), der „Nationaler Block“ (NB), die „Nationale Liste“ (NL), die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) und die „Wiking Jugend“ (WJ). Zu den teilnehmenden Organisationen aus dem Ausland zählten: VAM / "Weißer Arischer Widerstand" (Schweden), DNSB/"Danmarks National Sosjalistik Bevaegelse" - "Dänische Nationalsozialistische Bewegung" (Dänemark), die BNP / "Britsch National Party" und die PNFE / "Parti Nationaliste Francais et Europeen" als die sogenannte »Schwesterpartei« der FAP.

Als Führungspersonen aus der BRD traten auch Siegfried »SS-Siggi« Borchard für die GdNF und die FAP aus Dortmund und Ilias Casteas als stellv. Vorsitzender der "Deutsche Nationalisten" (DN) auf. Als weitere Führungspersönlichkeiten wurden von antifaschistischen BeobachterInnen ein Querschnitt der aktuellen /westdeutschen) Neonazi-Szene identifiziert: Steffen Hupka (ehem. NF) aus Quedlinburg, Victor J. von der FAP in Wuppertal, Hans Peter Krieger von der "Germania BBS" und der „Initiative Gesamtdeutschland“ aus Bonn, Michael Petri (Deckname "Ameise") als Vorsitzender der „Deutschen Nationalisten“ (DN) aus Hochheim, Markus Oliver Privenau von der HNG aus Bremen, Dieter Riefling (FAP) aus Oer-Erkenschwick, Matthias Ries (Duisburg) als "Gauleiter" des "Wiking Jugend"- »Gau Rhein Westfalen«, Andreas Rossiar von der HVD aus Pfullingen, Marcus Spruck aus Bonn/Meckenheim, Thorsten de Vries vom DKB aus Wilhelmhaven, Esther "Lisa" Wohlschläger (DFF), Ursula "Uschi" Worch (DFF) aus Hamburg, der WJ-Kader Manfred Börm (Deckname "Koppel") aus Handorf und Axel Zehnsdorf als FAP-Funktionär aus Hattingen.

Verloren gegangene Kameradem ?

Für einige Beobachter überraschend war das Fehlen von Gerhard Rex „Gary“ Lauck aus den USA, der Össerreicher Gerhard "Gerd" Honsik und von David John Cawdell Irving aus England. Wurden diese doch in den zwei Tagen vor der »Spontan«-Kundgebung bzw. Demonstration in der BRD gesehen. Der mit Einreiseverbot belegte Irving spazierte in der Begleitung dreier älterer Herren auf dem Hamburger Flughafen herum. Honsik, aufgrund seines Haftbefehls nun mit Vollbart, spazierte über den Bahnhof von Nürnberg. Nur wenige Tage zuvor wurde der österreichische Neonazi zu eineinhalb Jahren Haft ohne Bewährung wegen »Wiederbetätigung« verurteilt. Mr. »No comment«-Gary Lauck aus Nebraska (USA) war in Sachen Neonazi-Propaganda in Berlin unterwegs und verteilte sein Material. Die österreichische Neonazis um die Wiener Brüder K. (siehe AIB Nr. 20) sind entweder im Urlaubs-Rückreiseverkehr oder schon an der deutsch-österreichischen Grenze hängengeblieben - ihr gestarteter Firmenwagen eines lokalen Filialhändlers für Motorradbekleidung, kam in Fulda offenbar nicht an.

Gestoppte "Kameraden"

Für den Freitagnachmittag drohte die Münchener Polizei die Herzog-Heinrich Straße – den Sitz der neonazistischen AVÖ - "Amt für Volksaufklärung und Öffentlichkeitsarbeit" – das „Althansbüro“ und den Treffpunkt für die Abfahrt zur Heß-Gedenkkundgebung - abzusperren, da für den Sonnabendmorgen von antifaschistischer Seite eine Blockade des Abfahrt- Sammelpunktes angekündigt worden war. Die Bus-Unternehmen wurden aufgefordert nicht für die Neonazis zu fahren und die georderten Ersatzbusse aus der Tschechischen Republik erschienen nicht. Die circa 80 Neonazis, die sich vor dem AVÖ-Büro getroffen hatten, blieben vor Ort. Lediglich 16 "Kameraden" bestiegen ihre Privatautos - der Rest zog gesenkten Kopfes von dannen. Ihr Anführer Althans (Deckname "Bingo") ist ebenfalls nicht in Fulda angekommen. Bis auf Friedhelm Busse, der dies als seinen Sieg über Althans verkaufte - ansonsten aber nichts mit der Organisation zu tun hatte - wurden wenig bayrische Neonazis in Fulda gesehen.

Auffallend auch das Fehlen von Roman Dannenberg von der „Deutschen Alternative“ (DA), obwohl er über Telefon einigen versprengten "Kameraden" den Weg gewiesen hat. Auch Heinz Reisz, der im Rhein-Main-Gebiet an Bedeutung verloren hat, und der Rest der „Deutschen Alternative“ (DA) war nicht erschienen. Bei Otto Riehs aus FrankfurtM gab es eine unangenehme Überraschung durch AntifaschistInnen: Die Fassade seines Hauses wurden mit Farbe und Parolen verziert. Dem Maintaler Rechtsaußenfunktionär Klaus zur L. wurde von AntifaschistInnen am Morgen des 14. August durch eine Blockade aufgehalten. Einer der Anführer der „Sauerländer Aktionsfront“ (SAF), Thomas Kubiak aus Winterberg, wurde bei der Abreise wohl direkt angegriffen, worauf die Polizei gegen 13 AntifaschistInnen wegen angeblicher Beteiligung Haftbefehle erließ. Sein "Kamerad" Andre Zimmermann soll unter dem Decknamen "Gnom" in die Mobilisierung des Heß-Marsches eingebunden gewesen sein.

Polizeieinsatz gegen Antifas

Zeitgleich zum Neonaziaufmarsch übte sich die Polizei in ihrer klassischen Rolle gegen Linke. So wurden mehrere Autobusse und PKW mit AntifaschistInnen aus Norddeutschland an der Autobahnabfahrt Fulda-Nord und der Stadtgrenze von Fulda durch örtliche Polizeibeamte, unterstützt durch das hessische Antiterror „Sondereinsatzkommando“ (SEK) festgehalten. Im Anschluß an den gelungenen Neonazi-Aufmarsch sperrten die hessischen Einsatzkräfte dann die Autobahn Richtung Norden um ein Zusammentreffen der Neonazis mit den AntifaschistInnen zu verhindern. Eine Meisterleistung - waren an diesem Tag in Thüringen, Sachsen, Bayern und Niedersachsen doch über 10.000 Polizeibeamte im Einsatz, um die jährlichen Heß-Versammlungen zu unterbinden.

Das innenpolitische Nachspiel

Die Lamentos des Oberbürgermeister Wolfgang Hamberger (CDU) wirkten schon vor Ort obskur. Hatte doch die Innenbehörde seiner Stadt zwei Tage vor dem Aufmarsch ein Anmeldungsschreiben inclusive Demonstrationsroute erhalten. Die Ausrede, »es fehlte das Datum der gemeldeten Kundgebung« ist eigentlich schon „asbach uralt“. Ebenso die Erklärung aus der Polizeiführung, daß die meisten hessischen Beamten in den benachbarten Bundesländern eingesetzt waren, ist doch direkt bei Fulda eine bekannte BGS-Kaserne.

Laut Information von Lokalreportern und AntifaschistInnen aus Fulda wußten die eingesetzten Polizisten bereits seit 12.00 Uhr mittags von dem bevorstehenden Heß-Aufmarsch, was zumindest eingesetzten Beamte erzählt hätten.

Alles in allem sieht der Einsatz der hessischen Polizeiführung für einge hessische linke JournalistInnen nach einem Manöver aus, welches zum Ziel hatte, die Rot-Grüne Landesregierung zu diskreditieren. Es wäre nicht das erste Mal, daß eine Landesregierung oder unliebsame Politiker durch "konservative" Polizeiführungen und deren Polizeieinsätze politisch an- bzw. abgeschossen wird. Dafür spräche auch, daß sonst jede Demonstration in Hessen von der Polizei auf Video aufgenommen wird, in Fulda der Dokumentationstrupp die Kameras jedoch nicht auspacken sollte. Das Gerede über eine »nun nicht mögliche Identifizierung« von Straftätern wirkt da mehr als peinlich.

Das Manöver der Polizei die Neonazis marschieren zu lassen, ging möglicherweise nach hinten los. Im Augenblick werden JournalistInnen von den Bundesämtern für Verfassungsschutz darüber unterrichtet, daß die Gewalt von den AntifaschistInnen ausgehen würde, um so eine umfassende Kriminalisierung der Antifa-Bewegung zu begründen - nun steht die Neonazigewalt wieder im Brennpunkt der Öffentlichkeit. Peinlich, oder besser gesagt hilflos, mutet der Vorschlag nach einem »vorsorglichen Demonstrationsverbot« und der beabsichtigten Einsetzung eines »Beauftragten für die polizeiliche Behandlung von Rechtsextremisten« durch das hessische Innenministerium an. Auch ist das »Verbot des öffentlichen Aufführens« der Reichskriegsflagge in mehreren Bundesländern ist Augenwischerei. Polizeibeamte haben laut eigener Aussage nur in den seltensten Fällen eine Ahnung, wie denn die Reichskriegsflagge genau aussieht. Da Abwandlungen dieser Flagge existieren, werden Gerichte wohl noch zu entscheiden haben, was eine Reichskriegsflagge ist und was sich als Reichsdienst-oder-sonst-was Flagge entpuppt. Dabei hilft doch schon ein kurzer Blick in ein besseres Geschichtsbuch, welcher auch der deutschen Polizei gut tun würde.

Die Forderung nach einem Verbot der FAP kommt wie immer schon so früh, daß sich die Mitglieder der Partei schon in Ruhe eine neue Heimat sowie einen neuen Parteiausweis suchen und alles belastende Material verschwinden lassen können. Somit wird auch dieses Verbot, so es denn tatsächlich kommt, schon im Vorfeld zur Farce gemacht. Die mittlerweile hinlänglich bekannte Struktur der GdNF und auch der NSDAP/AO wird mit derartiger Augenwischerei in keiner Weise angekratzt.