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Ehemalige DDR-VertragsarbeiterInnen zwischen Hoffnung und Verzweiflung

Einleitung

Am 17. Dezember 1993 endet für den Großteil der ehemaligen DDR-VertragsarbeiterInnen die Aufenthaltsfrist für die BRD. Die Antwort des Bundesrates auf die von vielen erhobene Forderung nach einem dauernden Bleiberecht für die ehemaligen DDR-VertragsarbeiterInnen - demagogisch als »humanitäre Lösung« präsentiert - setzt mehr Verweigerungsgründe als Bedingungen für einen gesicherten Daueraufenthalt.

Bild: Bundesarchiv, Bild 183-1982-0915-020 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de

Vietnamesische Vertragsarbeiter waren 1982 im Tagebau Jänschwalde (DDR) als Elektriker tätig.

Am 31. Dezember 1990 lebten in den alten Bundesländer 5,34 Mio. ausländische BürgerInnen, und sie machten circa 8,4 Prozent der Bevölkerung aus. Dagegen lebten in den »jungen« Ländern gerade mal 175.665 Menschen ausländischer Herkunft (1,1 Prozent). Die bis Mitte 1990 in der DDR angekommenen einhundertzwanzigtausend VertragsarbeiterInnen kamen hauptsächlich aus Ländern wie Angola, Korea, Kuba, Mosambik und Vietnam.

Seit 1970 wurden verstärkt VertragsarbeiterInnen in die DDR angeworben. Sie bildeten um 1990 die zweitgrößte Gruppe der Menschen, die ihren Wohnsitz für immer oder vorübergehend aus ihren Heimatländern in die DDR verlagert hatten. Sie sollten vorübergehend bleiben, da in der DDR hinter der internationalistischen Fassade die Idee oder gar Praxis einer Einwanderungspolitik faktisch nicht bekannt war. Ökonomische Gründe bewogen die DDR-Regierung, Arbeitskräfte in den »sozialistischen Bruderländern« anzuwerben.

Teilweise aus Kostengründen, teilweise der Einfachheit halber wurden die VertagsarbeiterInnen in Wohnheimen kaserniert und von der deutschen Bevölkerung isoliert. Zu DDR-Zeiten gab es für die VertragsarbeiterInnen keinen Anspruch auf Daueraufenthalt; freilich konnten befristete Arbeitsverträge erneut abgeschlossen werden. Mit dem Rausschmiß von der Arbeit erlöschte auch der Aufenthaltszweck.

Der Pragmatismus dieser Politik und seine Gründe können hier nicht besprochen werden, so nötig das auch wäre; er hatte ein ähnliche Wirkung wie die ausländer- und arbeitserlaubnisrechtlich sanktionierte Praxis der BRD. Die letzte DDR-Regierung hatte in Verhandlungen mit Vietnam, Mosambik und Angola Weichen für die Auflösung der Regierungsabkommen gestellt: Bei vorzeitiger Rückkehr sollten Prämien von 3.000 DM und drei Nettomonatslöhne gezahlt werden. Wer darauf verzichtete, konnte bis zum Ablauf der Vertragsfrist weiter arbeiten oder sich bei Verlust der Arbeit nach einer anderen Arbeit umsehen. Einen möglichen Daueraufenthalt zu gewähren, daran dachte in der letzten DDR-Regierung anscheinend niemand.

Seit 1990 haben die regierungsoffiziellen Rückkehrprämien einerseits und die »ausländerfeindlichen Übergriffe« andererseits manche/n zur vorzeitigen Rückkehr veranlaßt. Wenn dies nicht freiwillig geschah, wurden schon mal einige zu ihrem eigenen Schutz vor Übergriffen in Busse und dann gleich ins Flugzeug verfrachtet (Hoyerswerda via Frankfurt nach Maputo). So ganz nebenbei war in dieser Hektik die Rückkehrprämie zu sparen.

Am 1. Januar 1991 trat das neue Ausländergesetz in Kraft und sah für die »Gastarbeiter« nun den Status einer Aufenthaltsbewilligung vor, d.h., ein befristeter Aufenthalt, der mit dem Erlöschen des Aufenthaltszweckes endet. Wer an diesem Stichtag acht Jahre im Lande war, erhielt zwar einen Anspruch auf Daueraufenthalt (Aufenthaltsberechtigung), vorausgesetzt er/sie war informiert, rannte zu den Behörden, hatte Arbeit oder konnte sich in absehbarer Zeit welche verschaffen. Für die anderen verschlechterte sich die Situation: das »neue« Ausländergesetz wurde an den Stellen, wo es gegenüber dem vorausgegangenen restriktiver geworden war, vollzogen.

Dagegen entstand Widerstand. Juristisch konnte Widerspruch dagegen eingelegt werden, politisch wurde dieser Widerstand teils über Gewerkschaften und Parlamente vertreten, teils wurde der Protest auf die Straße getragen. Doch die Chance, den Kampf für das Bleiberecht der ehemaligen DDR-VertragsarbeiterInnen zu einem Kampf gegen das Ausländergesetz, in dem Punkt der Aufenthaltsbewilligung zu machen, wurde versäumt. Die Westorganisationen waren anscheinend immer noch mit der Verdauung der Niederlage beschäftigt, da sie die Verabschiedung des neuen Ausländergesetzes nicht verhindern konnten.

Die DDR-VertragsarbeiterInnen wurden praktisch die ersten Opfer des neuen Gesetzes. Der Nachweis für eine Aufenthaltsbewilligung konnte anfangs nur schwer erbracht werden. Faktisch bedeutete die, zuvor nur auf Ausbildungsverhältnisse (z.B. Studium) bezogene Aufenthaltsbewilligung: Wer heute als Gastarbeiter mit Aufenthaltsbewilligung in der BRD lebt, muß umgehend zurück, wenn die Vertragsfrist abgelaufen ist oder der Vertrag (z.B. durch Entlassung) gekündigt wird. Eine Verfestigung des Aufenthaltes und Rechtsansprüche auf soziale Leistungen nach einer bestimmten Frist, wie das die Aufenthaltserlaubnis ermöglicht, sind ausgeschlossen.

Im Klartext heißt das: Arbeiten und zahlen für den Reichtum des Gastlandes, um anschließend, ohne den mindesten Anspruch anmelden zu können, das Land zu verlassen. In dieser Situation orientierten sich die Ost-UnterstützerInnen pragmatisch auf den Bleiberechtskampf. Die makabre perspektivische Realität, die das AuslG. beinhaltet, spielte in ihrem Kampf nur am Rande eine Rolle. Mitte des Jahres 1992 hatten sich die Entschließungen von Ostkommunen für einen Daueraufenthalt zu Spruchblasen in den Landesparlamenten mutiert. Wie dieses zustande kam, überrascht nicht, wenn insbesondere drei Jahre »Vereinigung« und drei Jahre Rassismus berücksichtigt werden. Die Bleiberechtsregelung geriet zu einem Pferdehandel zwischen SPD und CDU/CSU: Sie wurde verhandelt im Paket, zu dem die »humanitäre Lösung« für VertragsarbeiterInnen und Art. 16 GG gehörten. Und schließlich: Warum sollte diese »humanitäre Lösung« anders aussehen als die Abschottung der BRD und ihrer westeuropäischen Partner gegen Flüchtlinge, die vor Krieg und (in Europa mitverursachtem) Elend auf der Flucht sind?

Fazit: Die »humanitäre Lösung« für ehemalige DDR-VertragsarbeiterInnen ist mitnichten das, als das sie verkündet wurde: ein Bleiberecht. Für VertragsarbeiterInnen, die auch nur wegen geringster Vergehen schuldig gesprochen wurden, gab es Geldbußen, Verurteilungen und Abschiebung. Die Arbeitsaufnahme wurde durch die behördliche Genehmigungspraxis bei Aufenthaltsgenehmigungen und Arbeitserlaubnis be- bzw. verhindert. Die Bewährungsfrist zur Aufnahme einer Arbeit wurde von sechs Monaten auf weniger als vier Monate durch die behördliche Umsetzung der Regelung verkürzt. Statt die Stempel zu erteilen, die ein Ausländer/eine Ausländerin hierzulande braucht, um eine Arbeit aufnehmen zu können, wird die Möglichkeit einer Arbeitsaufnahme häufig vereitelt, da oft viel Zeit vergeht, bis die Stempel von den Behörden erteilt werden.

Seit März 1993 erhalten AusländerInnen die allgemeine Arbeitserlaubnis erst dann, wenn eine vierwöchige Prüfung des Arbeitsmarktes keine deutschen oder bevorrechtete EG-AusländerInnen für diesen Arbeitsplatz ermitteln konnte. Seit Sommer 1993 gilt, daß ein bestimmter Prozentsatz von AusländerInnen in den Belegschaften nicht überstiegen werden darf. Seit Mitte November 1993 liegt ein »Strategiepapier« des Bundesarbeitsministers Norbert Blüm vor, wonach nicht allein die Einwanderung begrenzt werden soll, sondern »zu Nutz und Frommen der Ostdeutschen«, arbeitende »Nicht-EG-Ausländer« durch arbeitslose Deutsche ersetzt werden sollen.

Wer sich also für ein Bleiberecht für auch nur eine Gruppe von AusländerInnen einsetzt, muß wohl oder übel die Problemlösungen bekämpfen, die von diesem Rechtsstaatler angeboten werden. Andernfalls wird jede Regelung Makulatur.