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Wie organisiert ist die (Neo)Nazi-Szene? (1993)

Einleitung

Dieser Artikel soll einen kurzen Überblick geben, inwieweit die NS-Gruppen über ein gefestigtes Kadernetzwerk verfügen. Gerade für den uninformierten Betrachter ist der reale Organisationsgrad dieses politischen Spektrums schwer durchschaubar, zumal Verfassungsschutz und andere Behörden nicht gewillt sind, diese Fragen korrekt zu beantworten. Die Schwierigkeit bei der Analyse besteht in der Tatsache, daß die (Neo)Nazis im Hintergrund es noch nicht für opportun halten, eine gemeinsame Organisation zu gründen und die kleinen Funktionsträger zu egoistisch sind. Die entscheidenden Kontakte werden von Personengruppen, Vereinen und verdeckt arbeitenden Organisationen geknüpft, die ihrerseits ihre Finger in verschiedenen offen auftretenden Organisationen haben. Dieses Netzwerk im Hintergrund hat Geschichte.

Roy Godenau/Armstrong (rechts) 1991 bei einem "Revisionistentreffen" in Roding.

Ein Rückblick

Nach dem verlorenen II. Weltkrieg verschwand ein Großteil der Kriegsverbrecher über die vom Alt-Nazi Otto Skorzeny gegründete ODESSA (Organisation der ehemaligen Waffen-SS-Angehörigen). Diese baute die sog. »Rattenlinie« auf, die Fluchtroute, die die Nazi-Kriegsverbrecher über den Vatikan nach Südamerika oder in den Nahen Osten lotste. Auch die geraubten Millionen der Waffen-SS verschwanden aus Deutschland. Nach Erkenntnissen US-amerikanischer Untersuchungen wurde dieses Kapital in ca. 750 Firmen angelegt, die nach dem Krieg im neutralen Ausland gegründet worden sind. 58 Firmen entstanden in Portugal unter dem Diktator António de Oliveira Salazar, 112 in Spanien unter Francisco Franco, 35 in der Türkei, 98 in Argentinien, 214 in der Schweiz und der Rest vor allem in den Diktaturen Lateinamerikas, wohin sich der Großteil der Alt-Nazis zurückgezogen hatte (siehe Antifaschistisches Infoblatt Nr. 8).

Nach der Niederlage: Das Netz arbeitet weiter

Die in Europa verbliebenen Nazis machten sich sofort nach dem Krieg daran, neue Strukturen aufzubauen. Klarheit bestand über die Tatsache, daß erst einmal die direkte Erinnerung an den Terror des dutzend-jährigen Reiches verbleichen mußte, bevor eine Massenbasis erneut geschaffen werden konnte. Ein damals gegründetes Projekt ist die noch heute erscheinende Zeitung »Nation Europa«, die auf Beschluß der sog. Malmö-Konferenz 1951 (Teilnehmer aus England, Schweden, Deutschland, Belgien) entstanden ist. Auch die alten Waffen-SS‘ler gründeten ihre »Traditionsverbände« wie die HIAG (Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS e.V.), der sogar Gemeinnützigkeit bescheinigt wurde. Innerhalb der HIAG gab es Zirkel, die politisch an der Reorganisation der NS-Struktur weiter arbeiteten. Dokumentiert wurde einer dieser Kreise auf den Listen des "Kameradenwerk Korps Steiner", bestehend aus SS-Freiwilligen mehrerer europäischer Länder (siehe Antifaschistisches Infoblatt Nr.19).

Zu behaupten, daß der NS-Bewegung zwar eine schwere Niederlage beigefügt worden ist, sie jedoch damit nicht vom Erdboden verschwunden ist, ist eigentlich eine Banalität und hat nichts mit einer »Verschwörungstheorie« zu tun. Nach unserem Erkenntnisstand sind vor allem ehem. Waffen-SS‘ler weiterhin aktiv gewesen wie z.B. der bereits erwähnte »Mussolini-Befreier« Skorzeny oder sein Kompagnon, der Österreicher Herbert Schweiger.

Durch Vereinigungen wie das „Deutsche Kulturwerk Europäischen Geistes“ (DKEG) wurden die organisatorischen Verbindungen aufrecht erhalten und das gesammelte Organisationswissen an die nachfolgenden Generationen weitergegeben (siehe Artikel in diesem Heft). Anfangs, als die gesellschaftliche Situation für neue Nazis noch nicht reif war, hielten vor allem Einzelpersonen über derartige Netzwerke den Kontakt zueinander. Im Laufe des Erstarkens der NS-Bewegung wurden daraus organisatorische Kontakte, die von den Alt-Nazis vermittelt wurden. In diesem Sinne ist es genau genommen für diese Zeitraum falsch, von Neonazis zu reden, da es sich lediglich um ein Wiedererstarken handelte, jedoch um nichts Neues oder gar Anderes.

Das Netzwerk wird verbreitert

Ein wichtiges Netz stellt die illegale NSDAP/AO dar. Hier arbeiten (Neo)Nazis in abgeschotteten Zellen in einer strengen Hierarchie organisationsübergreifend zusammen. Ein Indiz dafür ist, daß die Gefolgschaft der österreichischen „Volkstreue außerparlamentarische Opposition“ (VAPO) sowie die konkurrierende „Nationale Front“ (als österreichische verbotene Partei 1984 von Gerd Honsik, die deutsche „Nationalistische Front“ hat auch Mitglieder in Österreich) von ihren vorgesetzten Kadern als von Mitglieder »der Partei« sprechen. Andere Hinweise dafür geben Aussagen Michael Kühnens, der das damalige DVU-Mitglied (1977) Harald Neubauer im Interview als NSDAP/AO Mitglied bezeichnete.

Gefundene Unterlagen ermöglichen einen Einblick in die -zumindest so konzipierte- Arbeitsweise dieser Gruppe. Anwärter müssen sich anfangs durch kleinere Aufgaben, wozu auch Brandanschläge, Kurierdienste usw. zählen dürften, beweisen, bevor sie zum Aktivisten ernannt werden. Der Aktivist hat ein umfangreiches Programm zu absolvieren, bevor er in den Kreis der Funktionäre aufgenommen wird oder später in den Kreis der Leitung. Nur die Leitung hat Anbindung zu den geheimen Zirkeln. Die Zirkel oder Zellen werden von einem Kader geleitet, der wiederum seine Befehle vom regionalen Leiter erhält, dieser wiederum von der nächst höher geordneten Stelle usw. Dieses Netzwerk existiert seit Mitte der 1970er Jahre und auch der Verfassungsschutz war teilweise an seinem Aufbau beteiligt (siehe: Konkret 1980: Deckname Reiser).1

Normale Mitglieder der (Neo)Nazi-Parteien haben zu dieser Ebene keinen Zutritt. Schon ein flüchtiger Blick auf die Parteien- und Gruppen Struktur legt nahe, daß im wesentlichen arbeitsteilig vorgegangen wird. Die "Wiking-Jugend" (WJ) und die "Jungen Nationaldemokraten" (JN) sind für die Kaderaufzucht zuständig. Die NF-Nachfolgeorganisationen oder die „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ (GdNF) sind ausgesprochene Kaderorganisationen mit unterschiedlichem Konzept Die NF hat den Anspruch, eine Elite auszubilden, die trotz inhaltlicher Unterschiede am ehesten mit der ehem. Waffen-SS zu vergleichen ist. Die GdNF koordiniert die Kader, die in sog. Massenorganisationen aktiv sein sollen und sind historisch der alten SA ähnlich. Die NPD, die "Deutsche Liga", die FAP und ähnliches, sind Organisationen, die von NS-Kadern geleitet werden und neue Leute rekrutieren.

Wichtig ist die Feststellung, daß das Netzwerk im Hintergrund nicht überall gleich gut organisiert ist. Da gibt es regional große Unterschiede, je nach dem wer, wie lange und mit wem organisiert arbeitet. Besonders im Osten der Republik ist das Kadernetz heute noch sehr schwach ausgebildet, mit Ausnahme von Cottbus, wo eine ähnlich Arbeitsteilung wie im Westen zu beobachten ist.

Es fehlen Kader

Der Fall der Mauer 1989 war das endgültige Startzeichen für die (Neo)Nazis, daß ab jetzt wieder alles möglich ist und die "Neuordnung Europas" auf der Tagesordnung steht. Gerade die Politik der Bundesregierung spielte der neuen Generation tausende AnhängerInnen zu, die jedoch erstmal zu NS-Kadern aufgebaut werden müssen. In diesem großen Zulauf in kürzester Zeit liegt auch augenblicklich die entscheidende Schwäche der NS-Bewegung, wie einer der einflußreichsten deutschen (Neo)Nazis, der Rechtsanwalt Jürgen Rieger (eigtl. Jürgen Hans Paul Rieger), unlängst in einem Interview betonte: »Wenn wir genügend Unterkorpsführer hätten, könnten wir zehntausende marschieren lassen

Diese Einschätzung wird gegenwärtig von vielen Kadern der NS-Bewegung aus verschiedenen Parteien geteilt. Um die Basis organisierter Kader zu verbessern, wird an verschiedenen Konzepten gearbeitet. Im Vordergrund steht dabei die Schulung junger Kader durch Bildungswerke wie das „Hoffmann-von-Fallersleben-Bildungswerk e.V.“ (Berlin), oder die in der "Deutschen Kulturgemeinschaft" zusammengeschlossenen Vereine. Ansehen, vor allem unter den alten SS'ler, genießen die Nachfolgeorganisationen der "Nationalistischen Front“ (NF), da ihr Organisationskonzept (theoretisch) eine jahrelange Schulung vorsieht und (angeblich) nur gefestigte Gruppen die Folge sind. Teilweise arbeiten diese Gruppen jahrelang im Verborgenen, bevor dieser Zustand erreicht worden ist.

Die Antworten auf Verbote

Vor allem die Bonner "Initiative Gesamtdeutschland" um u.a. Hans-Peter Krieger 2 , Andreas Jahrow3 , Norbert W., Stefan W. und Ralf K. hat aktuell den Plan, das bestehende (Neo)Nazi-Spektrum, einschließlich REPs und DVU, quer zu den Parteienstrukturen in Zellen zu organisieren und durch »kulturelle Schulung« (z.B. Veranstaltungen) zu erziehen, so daß Parteienverbote wirkungslos bleiben würden. Auch die FAP-Bonn hat sich nach eigenen Angaben schon umorganisiert und ist dabei, sich in einer Zellenstruktur neu zu formieren, um nach einem Verbot weiterarbeiten zu können.

Nach den Verboten haben sich regional verschiedene Bündnisse der bestehenden Gruppierungen entwickelt, die gerade für die Mitglieder der verbotenen Parteien ein neues Betätigungsfeld bieten. Meistens nennen sie sich „Deutsche Freundeskreise“: Dort sind FAP, Mitglieder der GdNF, NPD oder JN, "Deutsche Liga" oder die WJ zusammengeschlossen. Ein weiterer Schritt in diese Richtung ist das von der (Neo)Nazi-Presse gelobte Konzept der Gründung von „Die Nationalen“ als Wählergemeinschaft, in denen die Parteien ihre Eigenständigkeit vorerst behalten sollen. Für die Bundestagswahlen haben sich REP, "Deutsche Liga" und NPD angeblich bereits abgesprochen, sich nicht ins Gehege zu kommen. Thomas Salomon (NPD), Ingrid Schönhuber (REPs) und Manfred Rouhs (DL) sollen demnach auf einem Treffen überein gekommen sein, nicht gegeneinander zu kandidieren. Nach dem bekanntgewordenen Plan soll die DL-Köln, im Falle eines Erfolgs, zu der Fraktion der REPs stoßen.

Interessengemeinschaften mit den Bürgerlichen

An den fünf Schwerpunkten der NS-Bewegung wird die Koordination, die in der Vergangenheit hauptsächlich über Kader im Hintergrund gewährleistet wurde, auf eine breitere Stufe gestellt: Die „Ausländer Raus Kampagne“ und die Leugnung der Nazi-Kriegsverbrechen zur „Wiedererlangung der Nationalen Identität“ ermöglichte den (Neo)Nazis eine Ausweitung des politischen Einflusses; bis in die Reihen der Konservativen. „Anti-Antifa“ ist für die (Neo)Nazis vor allem in bündnispolitischer Sicht notwendig, da die Bekämpfung der Linken seit jeher auf ihrem Programm stand. Bei der „Eroberung der Ostgebiete“ bemühen sich (Neo)Nazis verschiedener Fraktionen um eine Zusammenarbeit, wobei sie dadurch ihren Einfluß in den Vertriebenen-Organisationen ausbauen können. Von der zu erwartenden Kriegspropaganda versprechen sich die (Neo)Nazis eine weitere Zusammenarbeit und kommende Unterstützung durch Reaktionäre aus Armee und Parlament. Bei diesen Themen besteht eine partielle Interessengemeinschaft mit bürgerlichen Parteien, die auch in den kommenden Jahren dafür sorgen dürfte, daß (inhaltliche) Unterstützung von (Neo)Nazis von Teilen der Regierungs-Verantwortlichen geduldet bis gebraucht wird.

Vor den anstehenden Wahlen jedoch sieht besonders die CDU eine Konkurrenz von Rechts nicht gerne. Sie wird im kommenden halben Jahr auch darum bemüht sein, "gegen Rechts" vorzugehen, zumal die NS-AnhängerInnen/(Neo)Faschisten nach den Mordanschlägen von Solingen in weiten Teilen der Öffentlichkeit nicht hoch angesehen werden. DVU und REP sind im Westen wesentlich populärerer, als die offen auftretenden NS-Gruppierungen, doch es fehlt an allen Ecken und Enden Personal. Im Osten der Republik sind dagegen die NS-Gruppen stärker entwickelt, da hier hauptsächlich Jugendliche von den Rechten angezogen werden.

Der Svoray Report

Von Oktober 1992 bis zum April 1993 untersuchte der israelische Journalist Yaron Svoray das Netzwerk deutscher und internationaler (Neo)Nazis. Er stellte sich als australischer Journalist mit dem Pseudonym Ron Furey vor und gab an, für die nicht existierende Zeitung »Der Rechte Weg« zu arbeiten. Das Interesse der (Neo)Nazis war geweckt, als Svoray/Furey durchblicken ließ, daß er für einen US-amerikanischen Multimillionär arbeite, der auf der Suche nach geeigneten Spendengeldempfängern sei. Der abschließende Untersuchungsbericht bestätigt, daß ein straff organisiertes (Neo)Nazi-Netzwerk existiert, daß die deutsche Regierung mit falschen Angaben über Potential und Organisationsgrad hantiert und daß (Neo)Nazis aus den Reihen der Polizei unterstützt bzw. vorgewarnt werden. Für diesen Bericht interessierte sich der US-Kongreß, der auf Grundlage des Berichtes im Juni 1993 eine Anhörung durchführte. Von der BRD-Regierung gab es, wie üblich, keine Reaktionen.

Begonnen hatte Svoray seine Nachforschungen bei Heinz Reisz ("Nationale Sammlung") in Langen, welcher ihm die Kontakte vermittelte und ihn auf einer Rundreise durch die deutsche (Neo)Nazi-Szene begleitete. Die Gespräche wurden teils offen, teils heimlich mitgeschnitten und über Nacht an das Wiesenthal-Center in Los Angeles geschickt. Dort wurden sie analysiert, damit Svoray in der Lage war, die richtigen Fragen zu stellen und die passenden Antworten zu geben. Damit die (Neo)Nazis nicht mißtrauisch wurden, schlüpfte ein Mitarbeiter des Wiesenthal-Centers, Richard Eaton, in die Rolle des Multimillionärs, um fortan die Gespräche gemeinsam mit Svoray zu bestreiten.

Die Angaben des Berichts basieren im wesentlichen auf Aussagen der (Neo)Nazis selbst und sind deshalb teilweise mit Vorsicht zu genießen. Dieser Bericht belegt vor allem, daß die (Neo)Nazis von Heinz Reisz ("Deutsches Hessen") bis Meinolf Schönborn ("Nationalistische Front"), von Alt-Nazis wie Reinhard Kopps (alias Hans Mahler) bis zu Roy-Arthur Armstrong-Godenau ("Aktion Ostpreußenhilfe"/"Ostpreußenhilfe e.V.), von Wolfgang Juchem ("Aktion Freies Deutschland") bis zu Florentine Sophie (Florrie) Rost van Tonningen ("Consortium de Levensboom"), von REP-Funktionär Bernd Thrun bis zu Friedhelm Busse (FAP) und Manfred Roeder ("Deutsche Bürgerinitiative") in einer gemeinsamen (informellen) Struktur arbeiten.

Ein (Neo)Nazi-Zentrum im Ausland

Bei einem Treffen zwischen Svoray, Wolfgang Juchem, Roy Godenau, Friedhelm Busse, Wilhelm Köberich (»Deutsch Nationale Partei«) und Heinz Reisz in einem Frankfurter Hotel wurde in Erwartung einer kräftigen Finanzspritze der Aufbau eines (Neo)Nazi-Zentrums beschlossen - und Heinz Reisz erzählte in mehreren Interviews, daß die Errichtung eines solchen Zentrums nun bald bevorstünde. Die detaillierten Pläne kämen von Meinolf Schönborn, dem Vorsitzenden der verbotenen NF. Er ließ Svoray seine Vorstellungen für die »Konstruktion einer professionellen Kaderorganisation« zukommen. Darin wird der Aufbau in zwei Phasen unterteilt. Veranschlagte Kosten: 3,5 Millionen. Schönborn ist derweil häufig in Polen unterwegs, wie viele andere deutscher (Neo)Nazis, die versuchen, sich dort einen Stützpunkt aufzubauen.

Die Reise durch das (neo)nazistische Gruselkabinett führten Svoray und Eaton zu den Ikonen der NS-Bewegung. Gudrun Burwitz ist die Tochter von Heinrich Luitpold Himmler und genauso wie Edda Göring (Tochter von Hermann Wilhelm Göring ) eine enge Freundin der Florentine Sophie (Florrie) Rost van Tonningen (Niederlande), die eine wichtige Schaltstelle im (Neo)Nazi-Netz inne hat und sich als Juchem Unterstützerin gab. Als weitere Ikone trafen die Mitarbeiter des Wiesenthal Zentrums Karl Wilhelm Krause, der Leibwächter Hitler gewesen war.

Juchem und Godenau

Als einflußreiche Figuren der deutschen NS-Bewegung begegneten ihnen das Gespann Roy Arthur Godenau aus Nordhessen und sein Kompagnon Wolfgang Juchem aus Hessisch-Lichtenau. Juchem steht der Organisation "Aktion Freies Deutschland" (AFD) vor, spricht auf Veranstaltungen des gesamten (neo)faschistischen Spektrums (dieses und letztes Jahr war er Redner auf den »Rudolf-Heß-Märschen«) und will sich heute noch nicht auf eine Parteimitgliedschaft festlegen, da er abwarten wolle, welche das Rennen macht. Juchem, der der „Deutschen Liga“ nahesteht, werden Redetalent, Ausstrahlungskraft sowie weitreichende Verbindungen nachgesagt. Er war viele Jahre Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) und wird, laut Bericht, von vielen als der kommende Mann in der (Neo)Nazi-Szene gehandelt.

Doch Juchems Verbindungen wären nur halb so gut, wenn er nicht mit einer weiteren umtriebigen Gestalt der NS-Szene zusammenarbeiten würde. Roy Godenau reist mit seinem US-amerikanischen Paß, der auf Roy Armstrong ausgestellt ist, durch die halbe Welt und soll, laut Bericht, bei dem vereitelten und recht dilettantischen, Putschversuch der (Neo)Nazis in Surinam (1990) beteiligt gewesen sein. Dort haben sich (Neo)Nazis als Söldner anwerben lassen. Während des Krieges gegen den Irak stellte ihn die BRD-Polizei, laut seinen eigenen Angaben, unter Hausarrest, da ihm vorgeworfen wurde, den Irak über Bewegungen von NATO-Panzern an der türkischen Grenze auf dem laufenden gehalten zu haben. Sein Geld verdiene er mit der Verbreitung von antisemitischen und Anti-Freimaurer-Büchern des Autors Reinhold Kopps.

Unter falschen Namen (Jan/Juan Maler/Maier) lebt dieser heute in Argentinien und war während des zweiten Weltkrieges, laut Godenau, Offizier der Abwehr, der in Albanien zur Bekämpfung von Partisanen eingesetzt worden war. Nach Südamerika sei er nach dem Krieg über die »Rattenlinie« gekommen, für die er auch im Vatikan gearbeitet hat. Godenau gab an, daß er sowohl Geld für Kopps verschiebe wie auch für ihn als Mittelsmann mit (Neo)Nazis in »52 Ländern« füngiere. Kopps gab den Wiesenthal-Mitarbeitern nach drei Besuchen ein Empfehlungsschreiben für einen Kontakt in Luxemburg mit, über den der Geldtransfers nach Deutschland ausgeführt werden könnte. Aufgrund des Berichts hat Kopps Ärger mit den argentinischen Behörden bekommen. Juchem und Godenau wurde hingegen von der Polizei »keine überragende Bedeutung« bescheinigt.

  • 1Deckname "Reiser"; Wie der Verfassungsschutz eine bundesweite Nazi-Partei mit aufbaute, in: Konkret, September 1983
  • 2Vgl. Interview Hans-Peter Krieger in "Der Bonner" 11/91, Seite. 16,
  • 3vgl. Schrift der IG: "Gesamtdeutschland in seinen völkerrechtlichen Grenzen"