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Hammerskins - Bonehead auf Probezeit

Einleitung

Mit Kaderauslese, festen Strukturen, regelmäßigen Vernetzungs-Treffen und internationalem Netzwerk tun sich die "Hammerskins" der "Hammerskin Nation" bei der Organisierung der Neonazi-Skinhead-Szene hervor.

„Hammerskins Forever - Forever Hammerskins“ wird eigentlich mit HF FH abgekürzt. Die gekreuzten Hämmer gehen auf die fiktive Nazisymbolik in Pink Floyds „The Wall“ zurück.

Die 1986 in den USA gegründeten "Hammerskins" empfinden sich als eine Kaderauslese der Neonazi-Skinheadbewegung. Als Gründer werden die beiden Neonazi-Skins Scan Tarrant und Wollin Lange aus Dallas (Texas) genannt. Anfang der 1990er Jahre entstanden erste Ableger in Europa, zunächst in der Schweiz (»Schweizer Hammerskins«). Das Schweizer Chapter der "Hammerskins" wurde laut Berichten antifaschistischer Recherchen aus der Schweiz bereits 1990 von Carlo «Gary» Albisser und Patrick Iten als erstes in Europa gegründet. Aus Tschechien berichten AntifaschistInnen über die Gründung der "Bohemian Hammerskins" durch eine Neonazi-Skinheads-Clique um Karel Duben. Ab etwa 1993 tauchten die "Hammerskins" auch in den Berichten der Neonazi-Skin-Fanzines in Deutschland auf.

Strukturaufbau in Deutschland

Schon 1991 soll sich eine erste festere "Hammerskin"-Gruppierung in Brandenburg/Havel gegründet haben, die zumindestens ab Ende 1993 langsam öffentlich auftrat. In der Brandenburger "Sektion" galt zeitweilig Patrick Cuhrts (Ketzin) aus dem Umfeld der "Sozialrevolutionären Arbeiterfront" (SrA) als ein führender Vertreter. 1996 sollen die "Hammerskins" bereits über 50 Ableger in Kanada, Europa und Australien verfügt haben.

Das derzeitige zentrale Postfach der deutschen "Hammerskin" Sektion befindet sich in Schwetzingen (bei Heidelberg) und wird von lokalen AntifaschistInnen dem Neonazi Marco Grün zugerechnet, einem ehemaligen Aktivisten der "Deutschen Alternative" (DA). Zuvor waren die deutschen "Hammerskins" über eine Adresse im schwäbischen Burladingen erreichbar, die laut antifaschistischen Recherchen zum Neonazi Christoph Diebold aus den Kreisen der "Nationalistischen Front" (NF) führte. In Brandenburg erreichte man die dortige Sektion über eine Adresse der Partei "Die Nationalen e.V." in Berlin. Über dieses Postfach wurde 1994 auch zum sog. „1. Deutschen Hammer-Skin Treffen" nach Berlin eingeladen. Im Internet tauchte zeitweilig der Versand "Ultima Tonträgervertrieb" von Sven Liebich aus Halle als eine Kontaktmöglichkeit der "Hammerskins" auf. Vermutlich wird die Post wie bei "Die Nationalen e.V." nur weitergegeben, denn Sven Liebich wird von lokalen Antifas eher den Kreisen der konkurrierenden Gruppe um "Blood & Honour" zugerechnet.

In verschiedenen Regionen entstanden "Chapter" bzw. "Divisionen" in den Ländern. Die Schwerpunkte bildeten sich hierbei in den Bundesländem Berlin, Brandenburg, Sachsen, Baden-Württemberg sowie im Raum Hamburg/Bremen. Neben der Schweiz, Tschechien und Frankreich hat sich Deutschland zu einem der Knotenpunkte in der europäischen Vernetzung entwickelt.

Den Zuwachs belegen auch eine ganze Anzahl neuerschienener "Hammerskin"-Fanzines: Die von Mirko Hesse herausgegebene "Hass Attacke" aus dem sächsischen Sebnitz beispielsweise gehört mit einer Auflage von knapp 1.000 Exemplaren mittlerweile zu den führenden deutschen Neonaziheften. Aus Berlin erscheint das "Hammerskin"-Heft "Wehrt Euch!", an dem vor allem die Berliner Neonazis Hartmut S., Norman Z. und Jens V. beteiligt sein sollen. Aus der Schweiz stammt das "Hammerskin"-Zine "Totenkopf" von Patrick Iten, das später zum Heft der Schweizer Hammerskins mit Namen "Hammer" wurde. Die "Charlemagne Hammerskins" geben das "W.O.T.A.N."-Zine heraus.

Von der Szene zur Organisation

Nach eigenem Selbstverständnis stellen die "Hammerskins" eine »weiße rassistische Bruderschaft« dar, in der nach verbindlichen Regeln gelebt und gehandelt werden muß, und in der beispielsweise MitgliedsanwärterInnen einer Probezeit unterliegen.

Bereits im Antifaschistischem Infoblatt (AIB) Nr. 34 haben wir im Artikel »Verdeckte Kaderstrukturen und subkultureller Rassenkrieg« über die Organisierung der "Hammerskins" in klandestinen, regionalen Kleingruppen und über deren Faible für das terroristische Konzept des »leaderless resistance« ("führerloser Widerstand") berichtet. Der vor allem durch den selbstgeschaffenen Mythos entstandene Erfolg der deutschen "Hammerskins" in den vergangenen Jahren ist unübersehbar und zeigt sich vor allem in deren Zulauf. Die Szene-Popularität hat jedoch auch zur Folge, daß sich zunehmend "Mitläufer" oder Neonazi-Skinheads aus Osteuropa eigenmächtig des »Gütesiegels« "Hammerskin" bedienen und die »wahren« "Hammerskins" um ihre exponierten Stellungen fürchten. Der elitäre Habitus führt auch zu Stress mit anderen selbsternannten Skinhead-Anführern. Anfang 1997 führte das zu einer Massenschlägerei zwischen "Hammerskins" und "Blood & Honour" bei einem "Radikahl"-Konzert im Raum Berlin.

Als Beispiel für den Organisierungsgrad der "Hammerskins" mögen die Geschehnisse im oberschwäbischen Feldstetten dienen, wo bis 1995 in einer Gaststätte beinahe wöchentlich Treffen von "Hammerskins" aus Deutschland, der Schweiz und dem österreichischen Vorarlberg stattfanden. Die TeilnehmerInnen verhielten sich auffallend diszipliniert und boten schließlich dem Pächter eine monatliche Zahlung von mehreren tausend Mark dafür, daß die Gaststätte ausschließlich ihnen vorbehalten bleibt. Erst nach einiger Zeit entschlossen sich die Behörden zum Eingreifen und erwirkten eine behördliche Schließung der Lokalität. Dies hält den Verfassungsschutz allerdings nach wie vor nicht davon ab zu behaupten, die »rechtsextremistische Skinheadszene« sei »von einer Abneigung gegen feste Strukturen geprägt« und »eine Einbindung an rechtsextremistische Organisationen« bestehe »nur selten«.1

Deutsche Behörden winken ab

Über »stärkere szeneinterne Strukturierungsversuche« des "Blood & Honour"-Netzwerkes und der "Hammerskins" sei es allenfalls möglich, die Szene besser als zuvor »neonazistisch zu beeinflussen«. Eine Korrektur dieser Darstellung kommt auch nach den Neonazi-Aufmärschen von München, Dresden, Passau und Leipzig mit hoher Beteiligung rechter Skinheads nur halbherzig: Das »Aktionsbündnis« zwischen der NPD »mit jugendlichen Neonazis und Skins«, so hieß es in den letzten Monaten, bewirke die Anbindung und ideologische Unterfütterung der »dumpf anpolitisierten« Gruppen und sei deswegen »ganz gefährlich«.2

Zwar vermag der VS zumindest in Sachsen in der "Blood & Honour"-Strategie »Ideologisiening über Musik zu betreiben« ein zentrales Problem erkennen3 , doch der Organisierungsgrad innerhalb dieser Netzwerke bleibt stets unerwähnt.

Bei den Kollegen im Ausland, die sich in den vergangenen Jahren auch nicht gerade durch besonderes Engagement bei der Bekämpfung der Neonazi-Skinheadgruppen hervorgetan haben, hört sich das mittlerweile allerdings etwas anders an: Nach einer Großrazzia gegen die "Charlemagne Hammerskins" (CHS) in Südfrankreich im Februar diesen Jahres sprachen die französischen Ermittler von einer Gruppe, die »in ganz Europa 2000 Anhänger« habe und »perfekt organisiert« (sic!) sei. Mit Didier M. ist ein (früherer) Anhänger der "Charlemagne Hammerskins" mittlerweile in Bayern aktiv.

Hausdurchsuchungen bei den "Hammerskinheads Italia" Ende Mai 1998 führten zu acht Verhaftungen und förderten »ein europaweit agierendes neonazistisches Netzwerk« zutage, so die Beamten. Als eine Art Finanzier der Gruppe soll hier laut Presseberichten der bekannte Neonazi Roberto Fiore gelten.

Der VS in Deutschland winkt derweil weiter ab: »Die Hammerskins sind in Deutschland seit etwa 1995 bekannt. Ihr Einfluß stagniert derzeit, da sie nur wenige Aktivitäten mit Außenwirkungen entfalten.«1

Die Analyse erstaunt. Ende Januar 1998 reisten mindestens 400 Leute zu einem "Hammerskin"-Konzert nach Kleinpelsen (Sachsen). Mitte März 1998 wurde ein weiteres "Hammerskin"-Konzert in Kleinpelsen verboten. Mitte Juni 1998 wurde szene-intern zu einem »Internationalen Hammerskin Treffen« in das niedersächsische Scharnebeck mobilisiert. Im Lüneburger Raum gilt laut norddeutschen Antifa-Gruppen der langjährige Szene-Aktivist Sven Grewe als eine Art Anführer der Gruppe »Hammerskins Nordmark«. Das Treffen von etwa 200 Personen, unter anderem aus Schweden und England, wurde von der Polizei aufgelöst.

  • 1a1bVerfassungsschutzbericht 1997
  • 2Hans-Jürgen Förster, Chef des VS Brandenburg, zitiert nach Berliner Zeitung vom 23. Februar 1998
  • 3Frankfurter Rundschau vom 24. Februar 1997