Skip to main content

Hammerskins - Was deutsche „Sicherheitsbehörden“ (nicht) zu sagen haben

Exif-Recherche
Einleitung

Mitte Juni 2021 stellte das „Bundesamt für Verfassungsschutz“ (BfV) mit großem Mediengetöse seinen „Verfassungsschutzbericht“ für das Jahr 2020 vor. Darin wird auf 72 Seiten über den sogenannten Rechtsextremismus berichtet. Über die "Hammerskins" findet sich kein Wort. In den letzten zehn Jahren gab es – trotz reger Tätigkeiten der „Hammerskin Nation“ (HSN) in Deutschland – seitens der Geheimdienste wenig Informationen für die Öffentlichkeit.

Antifaschistische Demonstration „Naziterror stoppen! Verfassungsschutz auflösen!“ in Fürth am 10. Dezember 2011.

Es ist ein verbreiteter Irrtum zu glauben, dass der „Verfassungsschutzbericht“ ein Lagebild sogenannter „verfassungsfeindlicher Bestrebungen“ zeichnet. In der Publikation steht vielmehr das, was die Öffentlichkeit nach Ansicht des „Verfassungsschutzes“ (VS) erfahren soll. Was sie nicht wissen soll, wird kurzgehalten oder verschwiegen. Insbesondere seit den Aufklärungsversuchen rund um den NSU- Komplex lässt die behördliche Einschätzung bei Antifaschist*innen alle Alarmglocken läuten. Wieder liegen die Fragen auf der Hand, welche Interessen die unterschiedlichen „Verfassungsschutzämter“ verfolgen, wo sie ihre Spitzel platziert haben, wie sie diese schützen möchten und welche Risiken dafür in Kauf genommen werden.

Textbausteine und Schweigen im Walde

Wohl agiert der Inlandsgeheimdienst nach politischen Vorgaben der Bundes- und Landesregierungen, doch haben die jeweiligen Landesämter oft eigene Ziele und Programme. Dabei arbeiten die Landesämter und das Bundesamt nicht zwingend zusammen oder folgen einer einheitlichen Linie. Das kann dazu führen, dass die einen öffentlich machen, was andere bewusst verschweigen.

So geht der saarländische VS in seinem Bericht für das Jahr 2019 auf die HS ein: „Das ‚Chapter Westwall‘ war auch verantwortlich für die Ausrichtung des HS-‚Sommercamps 2018‘. Dieses fand Anfang August in einem Waldgelände im hessischen Eckmannsheim östlich von Gießen statt.“ Im hessischen VS-Bericht wird das Camp nicht erwähnt. Bis 2016 noch mit ein paar Standard-Floskeln bedacht, fallen die HS ab 2017 ganz aus dem alljährlichen Bericht heraus – ob- gleich sie ab Mitte der 2010er Jahre im Bundesland personellen Zulauf hatten und im Jahr 2017 einen eigenen Musiksampler produzierten.

Offensichtlich nutzen Bundesamt und Landesämter zum Thema HS Textbausteine, die von Jahr zu Jahr in die neuen VS-Berichte übertragen und allenfalls mit ein paar neuen Daten angereichert werden. Der VS Baden-Württemberg veröffentlichte von 2013 bis 2017 einen identischen 550 Zeichen langen Text ohne die Existenz der Chapter1 zu erwähnen. Im Mai 2013 stand auf seiner Webseite: „In Baden-Württemberg unterhalten zwar einzelne rechtsextremistische Skinheads Kontakte zu den ‚Hammerskins‘, ein sogenanntes ‚Chapter‘ (regionale Gruppe) konnte bislang jedoch nicht festgestellt werden.“ Dabei existierte seit 2001 ein Chapter „Baden“ und seit 2009 ein Chapter „Württemberg“.

Auch der bayerische VS bemühte in den 2010er Jahren immer gleiche Textbausteine. Im Bericht 2017 überraschte er mit einer zusätzlichen Information: „Auf einem abgelegenen Privatgrundstück in Geiselhöring fand am 1. Juli ein Treffen von 50 „Hammerskins“ statt. Nur: Dieses „National Officers Meeting“ (NOM) war von der Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle (A.I.D.A) in München öffentlich gemacht worden. Die Behörde sah sich offensichtlich durch die Antifa-Publikation genötigt, das Treffen zu erwähnen. Bei den folgenden Berichten bleibt der VS seiner Linie wieder treu. Im Januar 2018 fand in Triefenstein (Unterfranken) ein „European Officers Meeting“ (EOM) statt, im Februar 2019 trafen sich über 70 Hammerskins zu einem NOM in Lohr am Main (Unterfranken) – beide bleiben unerwähnt.

Im Berliner VS-Bericht hieß es von 2005 bis 2009 unverändert: „Aufgrund mangelnder Organisationsstrukturen und einer fehlenden Führungspersönlichkeit in ihren Reihen konnten die HS aber weder in Konkurrenz zu ‚Blood & Honour‘ treten, noch ihr Selbstbild als Elite der rechtsextremistischen Skinheads durchsetzen. (...) Im Gegensatz zu dem von den ‚Hammerskins‘ formulierten Anspruch geht von der Berliner Sektion keine Außenwirkung aus“. Mitte der 2000er Jahre steckten die Berliner tatsächlich in einer Krise, doch baute unter anderem der aus Mecklenburg-Vorpommern zugezogene Hammerskin Benjamin D. das Chapter neu auf. Um 2010 „schluckten“ die „Hammerskins Berlin“ Teile der Gruppe „Wolf’s Hook Brotherhood“, was eine neue Dynamik in Gang setzte. Im Berliner VS-Bericht von 2010 bis 2014 kommen die Hammerskins nur noch in einem Nebensatz im Abschnitt „Netzwerk ‚Rechtsextremistische Musik‘“ vor. Seit 2015 sind sie ganz aus den Berichten verschwunden.

Im VS-Bericht aus Rheinland-Pfalz von 2018 ist hingegen zu lesen: „Heute gilt die ‚Hammerskin-Bewegung‘ als eines der wichtigsten rechtsextremistischen Netzwerke weltweit. Die internationale Vereinigung verfügt mit gleichberechtigten Regionalgruppen, so genannten Chaptern, über Ableger in einer Reihe von Ländern auf verschiedenen Kontinenten. Ein Auftreten von ‚Hammerskins‘ in der Öffentlichkeit findet nahezu nicht statt; man agiert weitgehend konspirativ und lässt auch politische Intentionen nach außen nicht erkennen.“ Nicht erwähnt wird, dass es ein Chapter „Westwall“ (ehemals „Westmark“) mit dem Schwerpunkt im Raum Ludwigshafen gibt, das ein ussreichste Chapter im deutschsprachigen Raum.

Im Saarland widmet der Geheimdienst dem Chapter „Westwall“ fast zwei Seiten. 2019 schreibt er: „Das ‚Chapter Westwall‘ stellt auch den ‚European Secretary‘ der HS. Ein offzieller Führungsanspruch ist mit diesem ‚Amt‘ zwar nicht verbunden, dennoch genießt der Inhaber großen Respekt und ist der Sprecher der europäischen Hammerskins bei Kontakten mit Chaptern außerhalb Europas“. Dieser „European Secretary“, Malte Redeker, wohnt bei Ludwigshafen.

Ähnlich oberflächlich sind die Antworten der Behörden bezüglich der Hammerskins in parlamentarischen Anfragen oder in den parlamentarischen NSU-Untersuchungsausschüssen. Als Antwort auf eine Anfrage der Linkspartei 2018, in der sie von der Bundesregierung Informationen über „Aktivitäten und Strukturen der neonazistischen ‚Hammerskins‘ in Deutschland“ ein- forderte, gab es statt einer Auskunft nur eine Ausflucht:

Über diese Erkenntnisse zu HS hinaus kann die Bundesregierung die Fragen aus Gründen des Staatswohls nicht beantworten, da Arbeitsmethoden, Vorgehensweisen und Aufklärungsprofile im Hinblick auf die künftige Aufgabenerfüllung besonders schutzbedürftig sind. Eine Veröffentlichung von Einzelheiten zu Aufklärungsaktivitäten ließen Rückschlüsse auf aktuelle Aufklärungsschwerpunkte, die nachrichtendienstliche Erkenntnislage sowie polizeitaktische Aspekte und Ermittlungsschwerpunkte zu. Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung, die in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages einsehbar wäre, ausscheidet. Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann.

Worauf seit 2012 in vielen VS-Berichten eingegangen wird, ist die Ermordung von sieben Menschen in den USA durch einen Hammerskin im Jahr 2012. Was bisher von keiner deutschen Behörde erwähnt wurde, sind die engen Verbindungen des Mörders nach Deutschland. So standen insbesondere die deutschen Hammerskins Malte Redeker und Hendrik Stiewe in persönlichem Kontakt zu Page. Sie hatten Page in den USA getroffen, wo für die deutschen Neonazis unter anderem ein Schießtraining stattfand. Auf einer 2011 veröffentlichten CD wird Stiewe von Page gedankt und auf einem Foto sind beide zu erkennen. Stiewe wohnte zu dieser Zeit in Bielefeld und war dem Chapter „Bremen“ angeschlossen. In den VS-Berichten von Bremen und Nordrhein-Westfalen wurde er bislang nicht erwähnt.

Binnenwirkung und Außenwirkung

Der saarländische VS berichtet über ein Treffen im Clubhaus „Hate Bar“ in Dillingen am 3. August 2019: „Durch die Beschwerde eines Anwohners wegen Ruhestörung war zudem erstmals eine Außenwirkung zu verzeichnen.“ Der ständige Verweis auf eine – stattfindende oder ausbleibende – Außenwirkung zeigt, aus welchem Blickwinkel Behörden Neonazikonzerte betrachten.

Zwischen 2003 und 2005 fanden bei Würzburg jährlich Konzerte der HSN mit 350 bis 600 Neonazis statt, die als das deutsche „Hammerfest“ galten. Das Konzert 2004 fand in der Scheune eines landwirtschaftlichen Anwesens in Kürnach statt. Der Sprecher der Würzburger Polizei sagte dem Bayerischen Fernsehen, man habe die Party nicht auflösen können, weil diese als „privat“ deklariert gewesen sei. Der Journalist Thomas Kuban war Undercover auf dem Konzert. Er berichtet in seinem Buch „Blut muss fließen“ von dem Konzert mit 600 Teilnehmenden in einer Scheune, die nicht lärmgedämmt war. „Sieg Heil“-Geschrei sei nach draußen gedrungen und eine Band habe gesungen: „Punker, Schwule, Kommunisten steh’n auf unseren schwarzen Listen. Am Tage X, zur Stunde Null, da retten euch auch keine Bulln.“ In seinem Bericht über das Konzert im Jahr 2004 schreibt das BfV, das Konzert habe „keine Außenwirkung“ gehabt und dass „vereinzelte ‚Hitler-Grüße‘ [...] sofort von der Security unterbunden“ worden seien.

Dass auf diesen Konzerten vor hunderten Personen Propaganda für eine Terrorgruppe gemacht oder zum Mord an „Punkern und Schwulen“ aufgerufen wurde, interessierte die Würzburger Polizei nicht, weil die Teilnehmenden „unter sich“ geblieben seien. Der Ideologie-Transport über Neonazi-Rock hat in erheblichem Maße zur Radikalisierung zehntausender Neonazis beigetragen und dazu, dass Menschen von Neonazis ermordet, zusammengeschlagen, gequält, bedroht und vertrieben wurden. Dies ist die Wirkung nach außen, die der Binnenwirkung zwangsläufig folgt.

„Unpolitische“ Hammerskins

In Behördendokumenten werden die Chapter in der Regel als kleine Gruppen beschrieben, die elitär seien, sich konspirativ verhalten und eben auf „Binnenwirkung“ abzielen würden. Das Netzwerk der HSN wird dabei nicht erfasst. Die Gruppen, die unter dem Einfluss der Bruderschaft stehen, die an der Struktur (wie Labels oder Treffpunkte) partizipieren, bleiben fast immer ausgeklammert.

Im Berliner VS-Bericht für die Jahre 2010 bis 2014 kommen die Hammerskins genau ein einziges Mal vor: „In Berlin sind im Netzwerk ‚Rechtsextremistische Musik‘ neben mehreren Bands und Liedermachern auch Einzelpersonen und Personenzusammenschlüsse wie die ‚Hammerskins‘ und ‚Vandalen‘ aktiv, die im Umfeld der Bands agieren und diese vor allem logistisch unterstützen.“ Diese Ansicht ist interessant. Einerseits werden die „Brüder“ nur im Zusammenhang mit einem Musik-Netzwerk erwähnt, andererseits wird geschlussfolgert, dass sie im Umfeld der Bands agieren würden und damit ignoriert, dass sich die Bands im Netzwerk der Hammerskins bewegen.

Über das „Sommercamp“ der HSN im August 2018 in Hessen schreibt der VS Saarland, dieses habe „in der Hauptsache einen unpolitischen familiären Charakter“ gehabt. Nach Ansicht der Behörde braucht es für einen „politischen Charakter“ das Bekenntnis, politisch zu handeln. Das dahinterstehende Politikverständnis ist überholt. Es reduziert Politik auf das, was sich selbst als politisch deklariert, beziehungsweise auf ein öffentlich stattfindendes Handeln. Wird das vermeintlich unpolitische Privat- und Familienleben außen vor gelassen, ist ein politischer Lebensbund wie die HSN nicht zu greifen.

Warum Behörden die Hammerskins schützen

Im Zuge der Nachermittlungen zum NSU-Komplex gab das BKA im Januar 2013 einen Bericht mit dem Titel „HSN“ heraus, ein Dokument von Unwillen und Inkompetenz.

Darin werden lediglich vier angeblich bedeutende Chapter benannt: „Sachsen“, „Bremen“, „Westmark“ und „Bayern“. Andere fehlen, zum Beispiel die „Hammerskins Franken“, die – durch ihre enge Anbindung an das neonazistische „Freie Netz Süd“ und durch die Ausrichtung der „Frankentage“ – durch erheblich mehr Aktivitäten auffielen als die Bayern. Auch werden Personen genannt, die nach Ansicht des BKA „Kontakte zu den ,Hammerskins‚ als Mitglieder oder Sympathisanten aufweisen„ würden. Dabei werden Neonazis, die auf (nicht internen) Veranstaltungen der HSN kontrolliert wurden, zusammen mit Mitgliedern und Prospects aufgelistet. Eine Unterscheidung wird nicht getroffen. Führende Personen fehlen, Namen sind falsch geschrieben und Personen dem falschen Bundesland zugeordnet.

Auch in diesem Bericht fehlt nicht der Hinweis, dass „dieses Netzwerk in der Bundesrepublik Deutschland abgeschottet“ sei und „mit Ausnahme von einer geringen Anzahl von Veranstaltungen keine größere Wahrnehmung in der Öffentlichkeit“ entwickeln würde. Zwar schreibt man über ein „Netzwerk“, ist jedoch unfähig, die Strukturen entsprechend zu analysieren.

Eigentlich sollten die Hammerskins im September 2000 zusammen mit „Blood & Honour“ in Deutschland verboten werden. Das Bundesinnenministerium ließ ein Verbot prüfen. Der Inlandsgeheimdienst – oder vielmehr auch die von ihnen bezahlten V-Personen – kam jedoch zu dem Schluss, dass es „keinen ‚Gesamtverein‘ der Hammerskins in Deutschland gibt“ und somit ein bundesweites Verbot nicht möglich sei. Laut dem BfV ließen sich den Publikationen der Chapter „Sachsen“ („Hass Attacke“), „Berlin“ („Wehrt Euch“) oder „Nordmark“ („Warhead“) durchaus eine „verfassungsfeindliche Zielrichtung“ entnehmen, aber Hinweise dafür, dass sich die übrigen „Sektionen den Inhalt der jeweiligen nicht von ihnen erstellten Fanzines durch andere Verhaltensweisen zu eigen machen, liegen nicht vor“. Dabei wurde ignoriert (oder wohlweislich verschwiegen) dass seit 1996 sogenannte „European Officers Meetings“ (EOM) abgehalten werden und seit dieser Zeit ein gemeinsames Regelwerk für alle europäischen Chapter besteht. Ein derart straffes Organisationsformat hatte „Blood & Honour“ nicht.

Zudem gab es die verbreitete Ansicht in den Behörden, ein Verbot sei kontraproduktiv. Das Antifaschistische Infoblatt (AIB) beschrieb 2016, warum aufwändige, jahrelange Ermittlungen gegen Nachfolgestrukturen des in Deutschland verbotenen „Blood & Honour“-Netzwerkes häufig nicht zum Abschluss gebracht wurden:

Sicherheitsbehörden setzen ihre Priorität in der Regel darauf, tiefe Einblicke in die Strukturen zu bekommen, geleitet vom unbeirrbaren Glauben, diese dadurch unter Kontrolle zu haben. [...] Ein zügiger Abschluss der Ermittlungen ist oft nicht von Interesse, denn mit diesem müssen die Überwachungsmaßnahmen eingestellt oder zumindest stark zurückgefahren werden.“.

Hinzu kommt, dass mit einer Anklage in der Regel auch V-Personen kompromittiert werden (müssten), da sie in den Gruppenhierarchien oft oben stehen und sich massiv an Straftaten beteiligen. Die Behörden, die diese Spitzel „führen“, wollen sie als Informationsquellen behalten und deshalb schützen. Die Botschaft an die Neonaziszene ist deutlich: Eine Kooperation mit staatlichen Stellen sichert den Fortbestand von Gruppen und schützt vor Strafen. Der Informationszugang über die bezahlten Spitzel in der Neonaziszene steht über dem Willen, Organisationen zu zerschlagen. Quellenschutz steht auch hier über Menschenleben.

Schätzungen darüber, wie viele Neonazis in Führungsebenen als V-Personen geführt werden oder mit einem anderen Status den Sicherheitsbehörden als GesprächspartnerInnen dienen, belaufen sich auf 10 bis 15 Prozent. Bei den Hammerskins waren es um das Jahr 2000 die sächsischen Anführer Mirko Hesse und (vermutlich) Steffen K., die sich heute noch (oder wieder) in der Szene bewegen.

Doch kann es für Spitzel auch anders laufen: Im Thüringer Untersuchungsausschuss „Rechtsterrorismus und Behördenhandeln“ (2019) legte die Aussage eines V-Mann-Führers durch die Befragung der Linksparteiabgeordneten Katharina König-Preuss nahe, dass auch der ehemalige Hammerskin und Musiker Rene Weiße in Thüringen zeitweise V-Mann war. Dies führte dazu, dass sich die Szene von ihm jüngst abwendete und sich seine Band „Brainwash“ auflöste.

Im Süden war es der Karlsruher Musiker Roland Sokol, ein „Urgestein“ der südwestdeutschen Neonaziskinhead-Szene, der sich 2012 als beinahe 40-Jähriger – sicherlich in Absprache, möglicherweise sogar im Auftrag des VS Baden-Württemberg – der HSN anschloss. V-Mann Sokol war zudem unmittelbar in den Aufbau und die Organisation des Kampfsport-Events „Ring der Nibelungen“ eingebunden, das sich unter dem Namen „Kampf der Nibelungen“ (KdN) zu einer der zentralen Strukturen der NS-Kampfsport-Szene in Europa entwickelte.

Ein wichtiger V-Mann im NSU-Komplex war ebenfalls an die HSN angebunden. Thomas Richter spitzelte von 1994 bis 2012 für das BfV und war zeitgleich Anhänger der „Crew 38“2 .

Einige Spitzel handeln in Absprache mit ihrer Gruppe und verkaufen ihrem „Dienst“ gefilterte Informationen. Im Gegenzug erhalten sie dafür Schutz vor Repression und Verbot. Die Resultate dessen sind in Zumutungen wie den „Verfassungsschutzberichten“ zu lesen.

Nach dem NSU-Komplex zog lediglich Thüringen eine Lehre aus dem Geheimdienst-Desaster und schalte in weiten Teilen das V-Mann-System ab und gründete ein behördenunabhängiges Forschungsinstitut. In allen anderen Bundesländern sind die Geheimdienste trotz aller Skandale als Gewinner aus dem NSU-Komplex hervorgegangen. Sie erhielten mehr Stellen und vielerorts ein fast doppelt so hohes Budget.

Fazit

Die Fakten liegen auf dem Tisch: Die Hammerskins sind ein internationaler Zusammenhang mit festen Mitgliedschaften, einer klaren und hierarchischen Organisationsstruktur sowie einer hohen Strahlkraft und Vernetzung in die Neonaziszene. Sie haben einheitliche Symbole, eigene Statuten, einen loyalen und festen Unterstützungskreis und ein rassistisches, antisemitisches, nationalsozialistisches Weltbild. Gewalt und Terror sind Grundlage der Ideologie. Sie beziehen sich auf terroristische Konzepte und glorifizieren Terroranschläge wie die von „The Order“.

Schaut man aber auf das Verhältnis der Geheimdienste zu den Hammerskins wird klar, dass weder der Wille besteht, die Öffentlichkeit wahrheitsgemäß zu informieren, noch das Handeln der Gruppe zu unterbinden. Ein klassisches Beispiel für die Nutzlosigkeit und Gefährlichkeit der Geheimdienste und wie sehr ihre Arbeitsweise und die dahinterstehende Staatsräson die Gesellschaft gefährden.

  • 1Als Chapter werden die regionalen Ableger der Hammerskin Nation bezeichnet
  • 2Als "Crew 38" werden die Supporter der Hammerskins bezeichnet