Mit »Die Karawane« & Grenzcamps gegen Rassismus
Nach monatelangen Vorbereitungen schaffte es die Antira-/Antifaszene in diesem Sommer, gleich dreimal offensiv an die Öffentlichkeit zu gehen: Den Anfang machten die »Frauen/Lesbenaktionstage« in Görlitz Anfang Juli; dann folgte das gemischte Grenzcamp in der gleichen Region, und ab August zog die »Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen« über mehrere Wochen durch alle Bundesländer. Aus Platzmangel können wir nur kurz auf alle drei Aktionen eingehen. Die OrganisatorInnen hoffen, daß die guten Ansätze dieses Sommers in vielen Nachfolgeaktionen und in kontinuierlicher Arbeit gegen das Asylbewerberleistungsgesetz und die Abschiebepolitik weitergeführt werden.
Die Karawane
Vom 15. August bis zum 19. September zog die Karawane durch insgesamt 45 Städte. Unterstützt wurde das Projekt von Flüchtlingsorganisationen wie Yek-Kom, WTM, IFIR, AFHF und The Voice sowie von den Gruppen der Kampagne »Kein Mensch ist illegal«, von Frauen- und Lesbenorganisationen und dem Antirassismusbüro Bremen. Das Konzept bestand im wesentlichen darin, den Widerstand von Flüchtlingen und MigrantInnen in den jeweiligen Orten zu unterstützen.
In Thambach-Dietharz in Thüringen beispielsweise, wo sich ein Flüchtlingslager mit katastrophalen Lebensbedingungen für die 500 dort zwangsweise untergebrachten Asylsuchenden befindet, zog die Karawane zusammen mit rund 150 Menschen, darunter viele afrikanische Flüchtlinge, vor den Lagereingang. Trotz eines zuvor vom thüringischen Innenministerium verhängten »Besuchsverbots« erhielt eine Delegation der Karawane Zutritt zum Lager. Das Lager befindet sich am Waldrand, ist von einem drei Meter hohen Stacheldrahtzaun umgeben und hat zwei elektronisch gesicherte Eingangstore. Viele Flüchtlinge leiden aufgrund der Form der "Massenversorgung" an körperlichen Beschwerden. Dazu kommen die psychischen Folgen der Sammelunterkunft und gesellschaftlichen Ausgrenzung. Die Karawane forderte gemeinsam mit dem thüringischen Flüchtlingsrat die Auflösung des Lagers und eine Unterbringung der BewohnerInnen in Einzelunterkünften in der nahegelegenen Stadt Gotha.
In Hannover und Buren demonstrierte die Karawane gemeinsam mit antirassistischen Gruppen gegen die dortigen Abschiebeknäste. In Bielefeld organisierte die Karawane spontan eine Demonstration unter dem Motto »Wir haben keine Wahl, aber eine Stimme« zum SPD-Parteitag in der Stadthalle. An der Abschlußdemonstration in Köln beteiligten sich dann rund 3.000 Menschen.
Ein Gefühl von Einheit
Zur Stimmung unter den KarawanenteilnehmerInnen und der Resonanz auf die Aktion schrieben einige TeilnehmerInnen nach der ersten Hälfte der Karawane:
»Nach 18 Tagen auf Tour hatte die Karawane beständig an Zuversicht und Bewußtsein gewonnen. Während dieser 18 Tage haben wir mehr als 10.000 Leute getroffen, die gekommen waren, um die Karawane zu sehen, und ebenso Hunderte von Organisationen. In jeder einzelnen Stadt haben wir auf der Straße die Probleme von Flüchtlingen und MigrantInnen zum Ausdruck gebracht. Wir haben gegen Abschiebungen, gefängnisähnliche Flüchtlingslager, für die Anerkennung frauenspezifischer Fluchtgründe protestiert und unseren Widerstand gegen alle Formen von Rassismus zum Ausdruck gebracht. Jene von uns, die mehrere Tage im Bus mitgereist sind, egal ob Flüchtling, Migrantin oder Deutsche/r haben die aufregende Geburt einer neuen Bewegung gespürt. Die »Kerngruppe« der Karawane besteht im Moment aus Leuten aus Kurdistan, der Türkei, Nigeria, dem Iran, der Elfenbeinküste, Sierra Leone, Togo, Zaire-Congo, Tamil Eelam, Sri Lanka, Indien, Chile sowie fortschrittlichen Leuten aus England, den USA und natürlich aus Deutschland. Viele andere Leute, beispielsweise aus Vietnam, dem Kosovo, aus Afghanistan, Rußland sowie den meisten lateinamerikanischen Ländern haben an den Demonstrationen in den verschiedenen Städten teilgenommen. Zahlreiche Flüchtlinge unterschiedlicher Herkunft haben sich zu dem Gefühl der Kraft der Einheit geäußert. Beobachter haben ihre Überraschung darüber ausgedrückt, daß Leute mit unterschiedlichen Kulturen und ideologischen Ansichten zusammenarbeiten können.«
Die Grenzcamps
Im Rahmen der Kampagne »Kein Mensch ist illegal« hatten Frauen- und Lesbengruppen sowie gemischte antirassistische Gruppen die Situation in den Grenzregionen an der Oder und Neiße zu einem Schwerpunkt gemacht. Mit unterschiedlichsten Aktionen sollte versucht werden, die Bevölkerung über Fluchtursachen zu informieren und die weithin vorherrschende Mentalität der Zusammenarbeit mit dem BGS und der Denunziation von Flüchtlingen beim Grenzübertritt zumindest in Frage zu stellen. Immerhin werden 2/3 aller Flüchtlinge nach Denunziationen durch die Bevölkerung festgenommen. So errichteten Frauen und Lesben während der Aktionstage in Görlitz beispielsweise ein »Denkmal für den unbekannten Denunziant in einer Telefonzelle«; beim gemischten Camp wurde mit viel Medienöffentlichkeit ein symbolischer illegaler Grenzübergang aufgebaut.
Das gemischte Grenzcamp reagierte außerdem mit einer Demonstration und konkreter Betreuung für die betroffenen Flüchtlinge auf die Hetzjagd des BGS auf einen Bus mit 16 Flüchtlingen. Dabei starben sieben Flüchtlinge. Neben den Schwerpunkten »Rassismus« und »Offene Grenzen« wurden auch die örtlichen Strukturen der Neonaziszene in Görlitz angegangen.
Auch wenn nach Einschätzungen, sowohl der Frauen/Lesbenaktionstage als auch des gemischten Camps, die örtliche Bevölkerung auf die Aktionen eher zurückhaltend bis mißtrauisch und ablehnend reagierte, gab es auch Überraschungen: Die Lokalpresse berichtete überwiegend positiv und erstaunlich inhaltlich über die Forderungen der Camps, und beim «Rave against the Border« des gemischten Camps beteiligten sich die Jugendlichen aus der nahegelegenen Kleinstadt Rothenburg spontan mit einer eigenen Bühne.