»Unpolitisches« aus der Gruftszene
Gruftis gegen rechts/Music for a new society»Die schwarze Szene definiert sich gerne als tolerant (...) Leider haben wir jedoch den Eindruck, daß Toleranz häufig mit Kritiklosigkeit und Beliebigkeit verwechselt wird.« 1 Schon einige Male beschäftigten wir uns ausführlicher mit rechten Tendenzen innerhalb einiger Kreise der Gruftszene. Auslöser für den folgenden Artikel ist ein offener Brief zweier Berliner DJs, welcher, alle bekannten Fakten ignorierend, antifaschistische Bestrebungen innerhalb der schwarzen Szene in Frage stellt. »Zumal sich die ANTIFA ja das Wort (Links-) Radikalität auf die Fahnen geschrieben hat und somit wohl kaum sehr viel toleranter als die von ihr gehetzte Zielgruppe ist...Wird demnächst jeder vergast, der ein falsches Wort sagt, welches von jenen ANTIFA-Saubermännern als rechtsradikal aus-gelegt wird?«2 Fast ist man ja geneigt zu sagen, daß es schön wäre, wenn die antifaschistische Arbeit innerhalb der Szene überflüssig sein würde. Ein Blick auf die vergangenen Monate zeigt aber, daß genügend Stoff vorhanden ist, um einigen Teilen innerhalb der schwarzen Szene ein gutes Verhältnis zu rechten Gruppen nachweisen zu können.
Eine ganzseitige Anzeige in der Zeitschrift "Sigill - Magazin für die konservative Kulturavantgarde Europas" kündigte im Oktober letzten Jahres ein Konzert der Band "Death in June" (DIJ) 1 in Bucha bei Jena an. Angetreten, um ihre neue CD vorzustellen, war dieses Konzert Bestandteil einer ausgedehnten Europatour dieser rechten Kultband um den in Australien wohnenden Douglas Pearce2 .
Bucha zeigte aufs Neue, wie fließend die Grenzen zwischen »unpolitischer« Gruftszene und rechten Ideologen sind. Etwa 700 Begeisterte zog es am 28. November 1998 in den idyllischen Landgasthof »Zum Nußbaum«, um neben DIJ weiteren Bands des Neofolk zu lauschen. Darunter befanden sich u.a. die englische Band "Fire & Ice" um Ian Read und "Der Blutharsch" um Albin Julius aus Wien. Auffällig beim gesamten Konzert war das Outfit der Mehrheit der BesucherInnen. Ob im schwarzen Military-Look oder in tarnfarbenen Klamotten -insgesamt paßte sich das Publikum dem martialischen Stil der aufspielenden Musikgruppen an.
Die Pausen zwischen den einzelnen Bands überbrückte der amerikanische Sozialdarwinist Boyd Rice3 , indem er verschiedene Kurzfilme zeigte. Als sehr einfallsreich offenbarte sich der Film »The black sun«, der etwa zehn Minuten lang Hakenkreuze über die Leinwand flimmern ließ. Folgt man der Eintrittskarte, so hätten die Ordnungskräfte ihn vom Konzert entfernen müssen, denn das »Tragen verfassungsfeindlicher Symbole hat den Verweis vom Veranstaltungsort zur Folge«.
"Der Blutharsch"
Der Hang zum Symbolischen wurde an diesem Abend von der Band "Der Blutharsch" bis zur Ekstase getrieben. Eingehüllt in Nebel, mit rotem Licht beleuchtet, standen zwei Menschen mit gestreckten Arm und Fackeln in den Händen auf der Bühne. Sie bildeten den Kern einer Gruppe, deren Logo ihr Name in altdeutscher Schrift und eine Sig-Rune ziert. Das martialisch-militärische Auftreten stand im Einklang mit ihrer Musik, die häufiger mit Einspielungen aus der Zeit, als Radios noch »Volksempfänger« genannt wurden, unterlegt war. Mastermind dieses Projektes ist Albin Sunlight Julius, der innerhalb der Szene bereits mit seinem Projekt »The Moon Lay Hidden Beneath a Cloud-« einen gewissen Bekanntheitsgrad erreichte. Er war später auch ein Teil des Line-up von DIJ.
Douglas Pearce berichtete in der Sigill, daß er Julius in Australien traf und beide gemeinsam ein Tonstudio mieteten. »Es war phantastisch mit ihm zu arbeiten, da er fast augenblicklich die Arbeitsweise von "Death in June" verstanden hat und sich einfügen konnte.« Bei dem zweiten Sänger von "Der Blutharsch" dürfte es sich um Klaus Hilger handeln, der sich als einer der Betreiber des Mannheimer Musiklabels "Tesco Organisation" einen Namen innerhalb der Apocalyptic-und Industrial-Szene hat.
Alles unpolitisch?
Nicht nur die Atmosphäre ließ Vergleiche zu einem Neonazi-Konzert aufkommen. Auch organisierte Neonazis wurden von diesem Spektakel angezogen. Neben einen Infostand der faschistoiden Zeitschrift "Sigill" war auch das "Thule-Seminar" („Arbeitskreis für die Erforschung der europäischen Kultur e. V.“) aus Kassel vor Ort. Der als äußerst rechte Denkfabrik einzuschätzende Verein machte Werbung für die von ihm herausgegebene Zeitschrift "Elemente" ("Elemente der Metapolitik zur europäischen Wiedergeburt") und keinen Hehl aus seiner rassistischen Programmatik. »Das Thule-Seminar kämpft für ein heterogenes Europa homogener Völker« war auf einem vom Seminar verteilten Lesezeichen zu lesen.
Es war nicht zufällig, daß die »Denker« aus Kassel neben Publikationen ihres Vorsitzenden Pierre Krebs (als Redner in der Neonazi-Szene unterwegs) ebenfalls die Dresdner Zeitschrift "Hagal – die Allumfassende" von Sven Henkler in ihrem Angebot hatten. Diese neuheidnische Zeitschrift orientierte sich u.a. auch an völkisch-religiösen Positionen, z.T. mit antisemitischen Untertönen.
Antifaschistische Gegenaktivitäten
Nicht überall konnten DIJ ihre Konzerte so ungestört wie in Bucha über die Bühne gehen lassen. Einen Tag nach dem Buchaer Konzert spielte der gesamte Troß in München. Dort sollte das Konzert ursprünglich im Klub »Feierwerk« stattfinden, wogegen örtliche Antifas jedoch mobil machten. »Ergebnis der ganzen Aktion ist jetzt, daß das Münchner Jugendamt "Death in June" als rechtsradikal einstuft. Das "Feierwerk", hat sich dieser Meinung zwar nicht angeschlossen, das Konzert aber trotzdem abgesagt«4 Letztendlich fanden die Organisatoren im »Ballroom« in Esterhofen einen Ersatzveranstaltungsort.
In Lausanne verhinderte die Öffentlichkeitsarbeit einer Schweizer Antirassismus-Gruppe zumindest den Auftritt von DIJ. Die örtliche Polizei begründete ihr Verbot mit der Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Boyd Rice ließ es sich nicht nehmen, das Auftrittsverbot in provokanter Art und Weise zu kritisieren. Im Zuge des Auftrittes setzte er sich die DIJ-typische Maske auf und trug ein Schild mit der Aufschrift »Im Dorf bin ich das größte Schwein, ich laß mich mit den Deutschen, den Kroaten und jetzt den Schweizern ein«.5
Noch mehr...
Bereits einige Wochen vor den DIJ-Konzerten besuchte eine andere rechte Band die BRD. Es handelte sich hierbei um die amerikanische Band "Blood Axis" um Michael Moynihan. Die drei Konzerte dieser amerikanischen Gruppe in Laatzen (bei Hannover), Meißen (bei Dresden) und München wurden von "Sigill" und LAS e.V. organisiert. Auch hier gab es im Vorfeld einiges an antifaschistischen Gegenaktivitäten.
So wundert es nicht, daß auf den Internetseiten des Vorort-Veranstalters in München, "Pagan Muzak"6 , nachfolgendes zu lesen war: »Wer Auftrittsverbote und andere Formen von erzreaktionärer Zensur im Namen von linken Idealen fordert, sollte sich über seinen eigenen Standpunkt Gedanken machen, bevor er anderen etwas vorschreiben will«. Es ist durchschaubar, daß sich die Organisatoren hinter dem political-correctness-Vorwurf, einem Totschlagargument, verstecken wollen. Einige Zeilen später fügten die Autoren hinzu, daß sie selbst »kein Interesse« an »Faschos« bzw. »Faschoorganisationen« auf ihrem Konzert hätten. Selbst wenn man diesen Vorsatz als ehrlich ansieht, so geht er doch komplett an jeglicher Realität vorbei, wie beispielsweise in Laatzen.
Dort traten neben den Amerikanern die Wiener Musik-Gruppe "Allerseelen" von Gerhard Petak auch die Band "Ahnenkult" und die bayerische Band "JÄGERBLUT" um Anton Knilpert auf.
Das Konzert im Klub »Insomnia« wurde maßgeblich von Oliver Lindner und Marcel Koch vorbereitet. Unter dem Publikum waren zahlreiche Neonazi-Skinheads, die sich u.a. mit dem Tragen von T-Shirts offen zum Neonazi-Skinhead-Netzwerk "Blood & Honour" bekannten. Auch die Clique um den Bielefelder Neonazi Bernd Stehmann gab sich ein Stelldichein. Der Herausgeber der Neonazi-Zeitschrift "Unsere Welt" und nutzte die Gelegenheit für ein Interview mit Michael Moynihan.
Das "Europakreuz"
Dafür, daß Marcel Koch und Oliver Lindner ein rechtes Konzert maßgeblich vorbereitet hatten, bekamen sie bereits im Vorfeld die entsprechende Quittung. Autonome Antifas griffen ihre Autos an, denn beide sind keine Unbekannten innerhalb der rechtsgerichteten Kreise der Gruftszene. Über beide führt die Spur u.a. zum neo-faschistischen Blatt „Europakreuz“ (EK) von Marco E. Thiel.7
Die seit einigen Jahren von Berlin aus vertriebene Zeitschrift begann als düstere Musikzeitung und versteht sich inzwischen als »eine Zeitschrift des europäischen Geistes«. Neben Interviews mit sogenannten Neofolk-Bands bekamen geschichtliche Abhandlungen über faschistische Bewegungen in Europa bzw. rechte Politik an sich immer mehr Platz. Der politische Kurs ist durch eine gewisse Nähe zur NPD gekennzeichnet, was nicht zuletzt durch die Mitarbeit von Alexander von Webenau unterstrichen wird. Dieser ist Vorsitzender der neonazistischen Organisation "Nationaldemokratischer Hochschul-Bund" (NHB) - dem Studentenverband der NPD.
Somit kann das EK als Schnittstelle zwischen dem Neofolk-Bereich und Neonazi-Gruppen/Organisation eingeschätzt werden. Herausgeber des EK ist der Berliner Marco E. Thiel, der im Düsseldorfer Hochglanz-RechtsRock-Magazin "Rock Nord" 1997 die Band "Death In June" vorstellte. Es war ein Novum innerhalb der rechten Skinheadszene, daß eine eher aus dem Neofolk-Bereich kommende Band in einer "patriotischen" Skinheadzeitschrift Platz bekam.
Nebenbei ist Marco E. Thiel in der Band "Egoaedes" aktiv. Szene-Kenner rechneten ihm auch das Musik-Label "Abyss Records" bzw. "Abyss Recordings Europa" zu. Das Europakreuz unternimmt aktuell vermehrt Anstrengungen, seine Inhalte über eine mehrsprachige Internetseite zu verbreiten, deren Sprachauswahl für sich selbst spricht. Neben Deutsch sollen die Texte in Zukunft auch in russischer, spanischer, englischer, kroatischer und italienischer Sprache angeboten werden.
Die Wege kreuzen sich
Peter Hauptfleisch, Mitarbeiter für Kunst, Kultur und Geschichte beim "Europakreuz", veröffentlichte seine Musikrezensionen auch in der Dresdner Zeitschrift "Sigill". Ein Blick in das Impressum der aktuellen Ausgabe zeigt, daß er nicht der einzige rechte Mitarbeiter bei dem vierteljährlich erscheinenden Periodika ist.
So findet sich beispielsweise Martin Schwarz, der parallel zu seiner "Sigill"-Autorenschaft in so einschlägig bekannten Neonazi-Zeitschriften wie "Deutsche Stimme" (NPD) oder "Nation & Europa" publizierte. Sein Name soll ein Pseudonym sein, hinter dem die antifaschistische Zeitschrift "Lotta Dura" den Wiener Studenten und das FPÖ-Mitglied Robert Schwarzenbauer verortet. Eher den heidnischen Wurzeln verpflichtet ist der Deutsch-Amerikaner Markus Wolff, der Mitglied der rassistischen "Asatru Alliance" in den USA ist. Oder eben Oliver Lindner, der in der Vergangenheit auch schon mal als Mitarbeiter der "Sigill" geführt wurde.
Das Zillo Musikmagazin
Neben diesem rechten Fan-Milieu sollte man den rechtsoffenen bis rechten Rand der kommerziellen Independent-Zeitschrift "Zillo" nicht vergessen. In ihr sind bis heute immer wieder Beiträge über einschlägige Bands des rechten Lagers zu finden. Dabei scheinen die Musikgruppen auch in der Zillo-Redaktion ihre Anhänger gefunden zu haben. Die Redaktion legt mit dem regelmäßigen Berichten über rechte Bands eine »bemerkenswerte Unbedarftheit« an den Tag. Hervorzuheben sind dabei Rüdiger F. und Dirk H. Der "Zillo" Autor Rüdiger F. verfügt über beste Kontakte zu Personen des Neofolk-Bereiches und sein Kollege Dirk H. soll, gut informierten Antifas zufolge, Teile seiner besprochenen Musik über den Versand der "Sigill" beziehen. Auch der Autor der rechten Wochenzeitung "Junge Freiheit", Peter Boßdorf, mischte bei "Zillo" mit.
Toleranz der Intoleranz ?
Das Ende der «Toleranz der Intoleranz« kann nur aus der Szene kommen.
Abschließend ist festzustellen, daß es im rechtsorientierten Neofolk-Bereich ein kleines, aber festes Netzwerk von Zeitschriften, Musiklabels und Bands gibt. Durch ihre Arbeit schaffen sie Anknüpfungspunkte zu rechten Gruppen, die ihrerseits eigene Inhalte in die schwarze Szene hineintragen (dürfen). Ursache und Wirkung sind nicht immer voneinander zu trennen, vielmehr besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Stil weiter Teile der Neofolker und der Einflußnahme von außen. Solange das »Unpolitische« der Gruftszene eine Art Freibrief für rechte Kräfte darstellt, solange werden rechte/faschistische Inhalte innerhalb der Szene beheimatet sein.
Antifaschistische Interventionen von außen werden aber immer nur einen begrenzten Erfolg haben, da sie an der Eigendynamik der Szene, u.a. an dem »Wir-sind-eine-große-Familie«-Gefühl, scheitern werden. Das Ende der »Toleranz der Intoleranz« kann nur aus der Szene kommen, nicht von außen.
- 1Zu "Death in June" siehe AIB Nr. 35
- 2Vgl. AIB Nr. 39
- 3Siehe "Der Rechte Rand" Nr. 55
- 4Feierwerk-Pressemitteilung aus dem Internet, Dezember 1998
- 5Während des Nationalsozialismus wurden »Rassenschänderinnen« mit einem Schild »Im Dorf bin ich das größte Schwein, ich laß mich mit den Juden ein« gedemütigt.
- 6"Pagan Muzak" lautet auch der Titel eines Musikalbum von Boyd Rice von 1978
- 7In den Impressa ist Oliver Lindner als Gastautor für Kultur und Kunst geführt. Seinem Kompagnon Marcel Koch ist Kontaktadresse des Hannoveraner Kleinstlabels "StateArt" und wurde regelmäßig im EK gedankt. Zur "Blood Axis"-Tour veröffentlichte "StateArt" exklusiv eine limitierte Split-Single von "Allerseele"n und der »Blutachse«.