Skip to main content

Polizeigewalt in Wien

aus Wien (Gastbeitrag)
Einleitung

Gleichgültigkeit gegen alles, was über den beschränkten Horizont der vier Pfähle hinausgeht, dumpfe Zufriedenheit - das sind Eigenschaften, die in Österreich vielleicht mehr als anderswo kultiviert werden. Wer hätte geglaubt, daß in dieser spießbürgerlichen und fremdenfeindlichen Atmosphäre der österreichische Richter Gustav Rothmayer der Darstellung eines afrikanischen Mannes folgt und zwei Wiener Polizisten wegen absichtlicher Körperverletzung zu je sechs Monate auf Bewährung verurteilt. »Es darf keinesfalls geduldet werden, daß Polizisten in Ausnutzung ihrer Hoheitsgewalt so gegen Personen anderer Hautfarbe vorgehen«, sagte der Richter.

Symbolbild; flickr.com, Intensivtäteraggressor; CC BY-NC-ND 2.0

Gehirnerschütterung, Kreuzbandriß, Seitenbandriß, gebrochener Mittelhandknochen, Hodenprellung - das Ende einer Führerscheinkontrolle, der Camillus K. zum Opfer gefallen war. Die beiden Polizisten, die ihn angehalten hatten, weil er sein Auto ein paar Meter rückwärts in eine Einbahnstraße geschoben hatte, sahen sich herausgefordert, als der geborene Nigerianer seinen Ausweis nicht herzeigen wollte. Die Reaktion der Polizisten nannte der Richter wörtlich »eine mehrfach menschenverachtende Vorgangsweise«. Bei »lebensnaher Betrachtung« seien die Schilderungen des diplomierten Volkswirtes, wonach er beschimpft, in ein Gebüsch gezerrt und geschlagen worden sei, »glaubhaft«. Die Leugnungen der Verantwortung durch die Beamten nannte der Richter »reine Schutzbehauptungen«.

Derartige Vorfälle von Polizeibrutalität sind keinesfalls Ausnahmen: Eine Mutter fährt an einem heißen Tag abends mit ihren Kindern mit dem Fahrrad in Wien. Polizisten legen der jungen Frau Handschellen an, weil sie mit ihrem Rad bei Rot noch in einer Kreuzung stand und führten sie ab. Die kleinen Kinder ließ die Polizei alleine auf der Straße stehen. In der Regel ist dieser »Tatbestand« eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldbuße von 500 Schilling bestraft wird. Die Polizisten forderten von der Frau aber 1.500 Schilling, die sie nicht bei sich hatte. Daraufhin folgte die Amtshandlung.

Hans Rauscher nannte in der Zeitung »Standard« den Hintergrund derartiger Vorfälle: »Der Polizei wird seit geraumer Zeit von der Krone 1 und der FPÖ 2 bei allerlei Übergriffen die Mauer gemacht. Der SP-Innenminister ist von diesen beiden und den eigenen Spitzenbeamten in Handschellen gelegt. Seine konsensorientierte Natur wird offenbar als Einladung betrachtet, ihm den Respekt zu verweigern. In dieser Situation glauben manche Wiener Polizisten, einen Freibrief zuhaben.«

  • 1Die Neue Kronen Zeitung, kurz Krone, ist die auflagenstärkste österreichische Boulevardtageszeitung.
  • 2Die "Freiheitliche Partei Österreichs" ist eine ultra-rechte Partei in Österreich.