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Späte Rache der Bundesanwaltschaft

Einleitung

Am 19. Dezember 1999 durchsuchte die Bundesanwaltschaft (BAW) zusammen mit Bundeskriminalamt (BKA) und GSG9 ab den frühen Morgenstunden den Mehringhof in Berlin-Kreuzberg. Zeitgleich wurden zwei Wohnungen in Berlin und eine Wohnung in Frankfurt am Main durchsucht. In Berlin wurden Axel und Harald festgenommen, in Frankfurt wurde Sabine verhaftet. Bundesweit waren ca. 1000 Beamte eingesetzt.

Grundlage für diesen Einsatz waren Ermittlungen nach § 129 a wegen Mitgliedschaft in der »terroristischen« Vereinigung Revolutionäre Zellen (RZ). Anschließend wurden alle drei Verhafteten zur Bundesanwaltschaft nach Karlsruhe verschleppt, wo ihnen die Haftbefehle verkündet wurden. Alle drei sitzen seitdem in Untersuchungshaft, Axel in Wuppertal, Harald in Düsseldorf und Sabine in Frankfurt. Während der vielstündigen Suche nach 80 kg Sprengstoff, Marke »Gelamon 40«, wurden im Mehringhof sämtliche Türen aufgebrochen, die GSG9 seilte sich in Versorgungs- und Aufzugschächten ab; Wand- und Deckenverkleidungen wurden zerstört, und BKA-Beamte, der Berliner Polizeipräsident und der zuständige Bundesanwalt tummelten sich in der Kneipe EX. Gefunden wurde natürlich nichts, dafür bleiben dem Mehringhof die Aufräumarbeiten und über 100.000 Mark Sachschaden. Mittlerweile ist klar, dass sich die Ermittlungen auf die Aussagen von Tarek M. stützen, dem selbst Rädelsführerschaft in den RZ vorgeworfen wird. Er nimmt für sich die Kronzeugenregelung in Anspruch, was bedeutet, dass er weitgehend straffrei bleibt, wenn er mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeitet und andere verrät. Außerdem wird er nach den kommenden Prozessen vermutlich ins Zeugenschutzprogramm des BKA aufgenommen und mit einer neuen Identität ausgestattet.

Nach Tareks Aussagen soll Axel zum einen Mitglied der RZ gewesen sein und zum anderen ein Sprengstoff- und Waffendepot »betreut« haben. Harald und Sabine belastet er, zusätzlich zur Mitgliedschaft in den RZ, mit angeblicher Beteiligung an einem Sprengstoffanschlag auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber in Berlin im Februar 1987. Außerdem sollen die beiden laut den Aussagen des Kronzeugen bei der Knieschussaktion auf den damaligen Vorsitzenden Richter des Bundesverwaltungsgerichts Korbmacher beteiligt gewesen sein. Auch diese Aktion wurde von den RZ im Jahr 1987 durchgeführt. Sabine soll zusätzlich dazu noch 1986 beim Anschlag auf den einstigen Leiter der Berliner Ausländerbehörde Hollenberg dabei gewesen sein. Die meisten der Vorwürfe sind zwar verjährt – allerdings auf keinen Fall die »Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung« nach §129a. Am 4. Februar 2000 fand ein Haftprüfungstermin für Axel statt, bei dem nicht nur sein alter Haftbefehl bestätigt, sondern ein neuer gegen ihn erlassen wurde. Nun werden ihm neben den oben genannten auch noch die Anschläge auf Korbmacher und Hollenberg sowie der Anschlag auf die Berliner Siegessäule im Jahr 1991 vorgeworfen.

Da die Revolutionären Zellen und die feministische Rote Zora ganz anders organisiert waren als beispielsweise die RAF, verliefen auch die Ermittlungen ganz anders. Erfolge für BKA und BAW waren sehr dünn gesät. Die RZ verfolgten ein Organisationskonzept, das es vielen ermöglichen sollte, mit militanten Aktionen zu intervenieren. Vom BKA wurden die RZ'ler »Feierabendterroristen« genannt, die »tagsüber« ein normales Leben rührten und »nachts« ihre Anschläge verübten. Es war für die Verfolgungsbehörden sehr schwierig bis unmöglich, die RZ mit Personen in Verbindung zu bringen, da die wenigsten in die »Illegalität« abgetaucht waren. Um so klarer ist es, dass BAW und BKA sich jetzt so sehr Verurteilungen und Gefangene wünschen. Am 16. Januar 2000 wurden in Paris die 67jährige Sonja S. und der 58jährige Christian G. verhaftet. Auch sie sollen Mitglieder der RZ gewesen sein. Seit 1978 konnten sie sich allerdings dem Zugriff der Polizei entziehen. Die Haftbefehle werden mit der Beteiligung an Anschlägen aus den Jahren 1977 und 1978 begründet, die sich gegen die Firma MAN in Nürnberg und die Firma Klein, Schanzlin & Becker in Frankenthai richteten.

MAN war Zulieferer für das Atomprogramm des Apartheid-Regimes in Südafrika, Klei, Schanzlin & Becker lieferte Pumpen für Atomkraftwerke weltweit. Beide sollen 1978 von Hermann F. belastet worden sein, als er mit schweren Verletzungen und vollgepumpt mit Medikamenten im Krankenhaus von Polizeibeamten verhört wurde, die er aufgrund seines Zustandes für Anwälte hielt. Die Festgenommenen sind mittlerweile auf Kaution aus der Haft in Frankreich entlassen worden. Und die französische Justiz prüft, ob sie an Deutschland ausgeliefert werden müssen. Immerhin liegen die ihnen vorgeworfenen Taten über zwanzig Jahre zurück, und die belastenden Aussagen wurden Hermann F. in einem vernehmungsunfähigen Zustand abgenötigt.